Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Biografie von Weitspringerin Mihambo: Selbstfindung durch den Sport
> In ihrer Autobiografie zeichnet Weitspringerin Malaika Mihambo ihren Weg
> zum Erfolg nach. Die Stärke des Buchs ist das Eingeständnis ihrer
> Schwäche.
Bild: Selbstbestärkende Begabung: Malaika Mihambo springt oft am weitesten
Der Titel des Buches [1][von Malaika Mihambo, 29, Weltmeisterin] und
Olympiasiegerin im Weitsprung, ist ein Imperativ: „Spring dich frei“. Erst
im Untertitel gibt sie sich eine Stimme: „Mein Weg zu Achtsamkeit und
innerer Stärke“. Es ist ein schwerer Weg für die dreimalige Sportlerin des
Jahres, daraus macht sie in dem gerade erschienenen Buch keinen Hehl. Das
hat zwar einige Schwächen, insbesondere handwerklicher Art, so brechen
Sätze gelegentlich einfach ab, die Zeiten und die Grammatik werden falsch
gebildet, sprachliche Schnitzer mindern den Lesegenuss.
Das ist schade und hätte mit einem aufmerksamen Lektorat verhindert werden
können. Aber das Buch ist dennoch lesenswert und aufschlussreich, weil
Malaika Mihambo eine hochinteressante, oft packende Geschichte zu erzählen
hat.
Mihambos Vater verlässt die Familie, da ist seine Tochter gerade zwei Jahre
alt. Die alleinerziehende Mutter bricht ihr Studium ab, um ganz für ihre
Tochter da zu sein; sie leben in schwierigen sozialen Verhältnissen, die
Mutter arbeitet halbtags als Kassiererin.
Schon im Kindergarten, später auch in der Schule, [2][erfährt Mihambo
Alltagsrassismus] – und versteht ihn nicht. Erst mit zehn Jahren begreift
sie, dass sie „anders“ ist „und dass das tatsächlich einen Unterschied
machte“. Die Farbe ihrer Haut ist immer wieder Anlass für
Diskriminierungen, die sie prägen und in ihrer Kindheit seelisch
deformieren.
## Wunden der Kindheit
Früh entdeckt sie den Sport, erst Ballett und Judo, dann mit acht Jahren
die Leichtathletik. Sie fällt durch Begabung auf und spürt früh, dass der
Sport eine Möglichkeit zur Selbstfindung ist. Wenn sie an den Start geht,
hat sie das Gefühl, „mit sich selbst im Wettkampf zu sein“.
Mihambo ist erfolgreich, schon mit neunzehn startet sie für die
Nationalmannschaft. Doch die Wunden der Kindheit sind nicht verheilt, das
macht sie deutlich: „Über den Leistungssport hatte ich mein mangelndes
Selbstwertgefühl kompensiert.“
Die Stärke des Buches ist das Eingeständnis ihrer Schwäche, an deren
Überwindung sie arbeitet – bis heute. Mihambo beschreibt ihr Leben nach den
ersten sportlichen Erfolgen als einen Prozess der Selbstfindung. Mühsam
muss sie ihr Ich erobern, das lange ein fragiles Gebilde bleibt.
Reisen, meist allein, führen sie an den Amazonas, nach Peru und Thailand,
nach Lappland. Immer sucht sie die Begegnung mit fremden Menschen und
Kulturen, auch als eine Konfrontation mit sich selbst. In Indien lernt sie
die traditionellen Meditationsformen kennen, die sie fordern und innerlich
ausrüsten für den Kampf mit den Anforderungen ihres Lebens.
## Neonazis im Bus
Dann kommen die großen sportlichen Erfolge: zwei Titel als Weltmeisterin,
[3][der Olympiasieg 2021 in Tokio]. Gerne hätte man hierüber mehr erfahren.
Dennoch ist das Buch mutig, etwa wenn Mihambo über ihre Probleme beim
Wettkampf an den Tagen der Menstruation berichtet. Berührend ist es, wenn
sie vom Tod ihrer geliebten Großmutter oder über die Demenzerkrankung ihrer
Mutter mit gerade einmal sechzig Jahren schreibt. Da ist die Autorin ganz
bei sich – als Mensch mit Empathie.
Doch auch als gefeierter Star in den Sportstadien holen sie die Traumata
ihrer Kindheit gelegentlich wieder ein; etwa wenn sie im Bus von Neonazis
mit der Kopf-ab-Geste kujoniert wird oder, noch im letzten Jahr bei den
Euromeisterschaften in München, das N-Wort im Stakkato zugerufen bekommt.
Dann ergeht sie sich aber nicht in Larmoyanz, sondern ordnet die Vorfälle
in den gesellschaftlichen Kontext ein.
Heute ist Malaika Mihambo eine kritische Athletin, eine eigenständige Frau
und zugleich ein Gefühlsmensch mit einem großen Maß an Anteilnahme – auch
an gesellschaftlichen Problemen wie dem Umweltschutz; sie studiert
Umwelttechnik.
Und Mihambo hat einen Verein gegründet: „Malaikas Herzsprung“, mit dem sie
Kinder im Grundschulalter fördert.
14 Nov 2023
## LINKS
[1] /Malaika-Mihambo-ueber-Weitsprung/!5910762
[2] /Erstarken-der-AfD/!5931844
[3] /Weitsprunggold-fuer-deutsche-Athletin/!5787593
## AUTOREN
Paul Frommeyer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Autobiografie
Leistungssport
Leichtathletik
Leichtathletik
Leichtathletik
Leistungssport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Experimente in der Leichtathletik: Die müssen vorspringen
Im Frauen-Weitsprung wird der Abschied vom Balken ausprobiert.
Sensationelle Rekorde fehlen aber noch.
Weitsprung ohne Balken: Jeder Zentimeter zählt
Der Welt-Leichtathletikverband will beim Weitsprung den Absprungbalken
abschaffen. Unter den Athleten gibt es Häme, aber auch Zustimmung.
Sprinterin Alina Ammann: Biss und Wille
Sprinterin Alina Ammann ist nach vielen Verletzungspausen zurück in der
Spur. Kann sein, dass sie „Sportlerin des Jahres in Schleswig-Holstein“
wird.
Bilanz deutscher Leichtathletik: Keine einzige Medaille
So erfolglos war die deutsche Leichtathletik bei einer Weltmeisterschaft
noch nie. Der Verband sendet widersprüchliche Signale.
Malaika Mihambo über Weitsprung: „Schnelligkeit ist meine Stärke“
Malaika Mihambo ist Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Weitsprung. Ein
Gespräch über den perfekten Absprung – und was die Kultur der Inka heute
lehrt.
Weitsprunggold für deutsche Athletin: Mit Gelassenheit zu Gold
Weit springt, wer selbstbewusst ist. Der Olympiasieg von Malaika Mihambo
entspringt einer ganz besonderen Sicht auf den Leistungssport.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.