# taz.de -- Eingebürgerte Athleten bei Olympia: Waschechte Katarer | |
> Um den sportlichen Ruhm Katars zu mehren, werden viele Sportler | |
> eingebürgert. Die Beachvolleyballer präsentieren sich als wahre | |
> Mustermigranten. | |
Bild: Cherif Younousse war mal Senegalese. Jetzt baggert er für Katar | |
TOKIO taz | Die Sonne brennt über den Trainingsplätzen der | |
Beachvolleyballer. Die Grillen zirpen wie wild. Es geht auf die 12 Uhr zu. | |
Schon beim Zuschauen fließt einem der Schweiß in Strömen. Für das | |
Viertelfinale am Mittwoch will das Beachvolleyballteam aus Katar mit Ahmed | |
Tijan und Cherif Younousse sich wohl noch einmal besonders extreme | |
Wettkampfhärte aneignen. | |
Das Meer in der Pazifikbucht von Tokio ist nur ein paar | |
Volleyballaufschläge weit entfernt. Doch hier wird hart gearbeitet. Acht | |
Leute sind damit beschäftigt, Katars Medaillenhoffnung auf Sand auf Trab zu | |
halten oder zumindest zu begutachten. Der Präsident des Verbands ist auch | |
vor Ort. Von einem kleinen Podest aus schmettert der argentinische Trainer | |
Mariano Baracetti einen Ball nach dem anderen Richtung Spielfeld. Ein | |
eingespieltes Team spult hier sein Programm ab. Nur ab und an gibt | |
Baracetti seinen Spielern Hinweise. | |
Bevor seine Schützlinge nach dem Training zu sprechen sind, hat er noch | |
einen heißen Tipp. „Fragen Sie die beiden nur nicht, wo sie herkommen.“ | |
Warum? Der Argentinier muss lachen und sagt noch: „Versuchen Sie es doch.“ | |
Die Herkunftsfrage drängt sich im Fall von Katar auf. Auf der Suche nach | |
Nationalhelden in den Sportarenen setzt kein anderes Land so sehr auf | |
Importe. Dreizehn Männer und zwei Frauen geben bei diesen Olympischen | |
Spielen ihr Bestes für Katar. Davon sind lediglich vier im Emirat am | |
Persischen Golf geboren. Mutaz Essa Barshim etwa, der am Sonntag im | |
Hochsprungwettbewerb die zweite Goldmedaille in Tokio für Katar gewann. | |
Migrationshintergrund hat allerdings auch er. Seine Eltern stammen aus dem | |
Sudan. | |
Geredet wird also unter Katars Sportelite nicht gern über die Herkunft. | |
Dabei stellen sich gerade im Fall von Cherif Younousse einige Fragen. Im | |
Informationssystem für Medienschaffende bei diesen Spielen ist hinterlegt, | |
dass er in Katars Hauptstadt Doha geboren sei, obwohl alle anderen Quellen | |
Dakar im Senegal als seine Geburtsstadt ausweisen. | |
Lesen kann man dort auch, wie er am Meer von Dakar im Einstiegsalter von | |
acht Jahren im Zusammenspiel mit seinen Brüdern zu einem guten | |
Beachvolleyballer heranreifte. Nur wann genau sein Agent ihm über das | |
Angebot aus Katar berichtete, das findet sich nirgends. Ebenso wenig ist | |
nachvollziehbar, wann genau sein Teamkollege Ahmed Tijan aus Gambia von den | |
katarischen Talentsuchern aufgespürt und verpflichtet wurde. | |
## Mann ohne Vergangenheit | |
Younousse kann und möchte selbst in seinem Fall nicht weiterhelfen. Er | |
sagt: „Ich spiele für Katar, seitdem ich mit dem Beachvolleyball angefangen | |
habe. Ich spiele für Katar, ich habe keinen anderen Verband.“ Das Wort | |
Senegal nimmt er nicht einmal in den Mund. Noch ein Versuch. Was hat es mit | |
dessen Geschichte aus dem Senegal auf sich? | |
Doch Cherif Younousse will sich sein Recht auf Vergangenheitsverdrängung | |
nicht nehmen lassen. „Ich bin aus Katar. Meine Familie lebt dort. Es ist | |
besser, wir wenden uns wieder dem Beachvolleyball zu und vergessen das mit | |
meinem Hintergrund.“ Wäre sein Trainer noch da, er müsste wahrscheinlich | |
über seinen waschechten Katarer herzlich lachen. | |
Allerdings will Younousse nicht immer nur über seinen Sport reden. Über die | |
Atmosphäre im katarischen Team hat er zuvor gern Auskunft gegeben. „Die | |
Stimmung ist sehr gut. Wir sitzen jeden Tag in so einem kleinen Salon | |
zusammen, reden, trinken Tee, entspannen uns.“ Die Goldmedaille seines | |
Teamkollegen im Hochsprung hat ihn besonders begeistert: „Ich bin so | |
glücklich und stolz auf ihn, das ist der größte Wettbewerb, den Katar | |
bislang gewonnen hat.“ | |
Wo sonst auf dieser Welt vollzieht sich die Integration von Sportmigranten | |
so rasant, dass diese sich kaum noch an ihre Geburtsländer erinnern können? | |
Bei der Eingliederung der Arbeitsmigranten ist Katar dagegen weltweit eher | |
Schlusslicht. In der „Qatar National Vision 2030“ hat man jedenfalls bei | |
der Frage, wie das Erdöl- und Erdgas-Emirat bei versiegenden Quellen | |
weiterhin eine Sonderstellung einnehmen kann, [1][dem Sport eine besondere | |
Rolle eingeräumt]. | |
So wird nicht nur in [2][die Ausrichtung von Sportveranstaltungen], sondern | |
auch in den Aufbau einer nationalen Sportelite so viel Geld investiert, | |
dass man von den Nutznießer:innen eine gewisse Dankbarkeit, | |
Verbundenheit und Erinnerungslücken schon einfordern kann. Die ehrgeizigen | |
Pläne sind auf lange Sicht hin angelegt. | |
So ist das auch im Fall des Beachvolleyball-Duos Ahmed Tijan und Cherif | |
Younousse. Letzterer sagt. „Wir haben ein langfristiges Projekt, es geht | |
nicht nur um Tokio.“ Bei diesem Turnier habe man ein neue Niveaustufe | |
erreicht. Nun gelte es, diese zu halten. Erst zwei Sätze hat das Duo in den | |
vier Spielen in Tokio verloren. Im Viertelfinale treffen die Katarer nun | |
auf die Italiener Paolo Nicolai und Daniele Lupo. „Alle noch verbliebenen | |
Teams sind ähnlich stark. Das ist eine Fifty-fifty-Geschichte. Es gibt | |
keinen Favoriten hier“, erklärt Younousse. Nach dieser Rechnung ist gar die | |
Chance auf die Goldmedaille nicht gering. Die beiden Katarer ohne | |
Vergangenheit könnten für eine glänzende Zukunft sorgen. | |
3 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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