# taz.de -- Nationalelf und PR-Video: „R? Ist nicht einfach“ | |
> Mit einem Filmchen beweist der DFB: Die Menschenrechts-Aktion der | |
> Nationalelf diente nur dem Image. Die Debatte über WM-Boykott geht | |
> weiter. | |
Bild: Elf Buchstaben sollt Ihr sein: Die Nationalelf am 25. März 2021 in Duisb… | |
Der DFB wollte am Freitagabend auf Twitter ganz groß rauskommen. Am Tag | |
zuvor hatte die Nationalelf zum Auftakt der Qualifikation zur WM 2022 in | |
Katar mit Hilfe selbst bemalter Trikots die Worte „Human Rights“ gezeigt. | |
Nun zog der DFB nach und veröffentlichte ein [1][„Making of“-Video]. Man | |
sieht, wie die Spieler mit einer Tapezierrolle und weißer Farbe ihre | |
Trikots bemalen. „Ich bin bisschen nervös“, verrät Leon Goretzka. Und aus | |
dem Hintergrund hört man Joshua Kimmich, der später das „R“ von „Rights… | |
trägt: „R, das ist nicht einfach. Sind wir uns einig.“ | |
In sozialen Medien hagelt es Kritik an dem Video: Es sei verlogen und stehe | |
für Doppelmoral. Bundestrainer Jogi Löw wies die Kritik zurück. Keiner | |
seiner Spieler habe sich „vor einen Karren spannen lassen“, sagte er vor | |
dem Spiel gegen Rumänien am Sonntagabend. | |
Am Donnerstagabend, vor dem 3:0-Sieg der Nationalelf über Island, war die | |
„Human Rights“-Aktion noch als eigenständige Maßnahme der Mannschaft | |
verkauft worden. Goretzka sagte: „Wir haben natürlich auch die WM vor uns, | |
da wird immer darüber diskutiert.“ Die Spieler wollten „ganz klar sagen, | |
was für Bedingungen da herrschen müssen“. | |
## Bayern und die Kontakte nach Katar | |
Uli Hoeneß hatte auf RTL gelobt: „Wir wollen ja die mündigen Spieler | |
haben.“ Er hatte sogar hinzugefügt, die Aktion sei „im Sinne des Vereins�… | |
Sein Klub, der FC Bayern München, unterhält seit Jahren freundschaftliche | |
Beziehungen zu dem Emirat: Die Wintertrainingslager finden dort statt, und | |
als Sponsor tritt Qatar Airways auf. Kritik, dass damit ein Regime, das die | |
Menschenrechte mit Füßen tritt, beworben wird, hat den deutschen | |
Rekordmeister bislang nicht allzu sehr tangiert. | |
Nun aber freut sich Hoeneß über die Kritik, und auch DFB-Präsident Fritz | |
Keller ist hochzufrieden: „Ich war begeistert, wie die Spieler ihre Trikots | |
bemalt haben“, teilt er in einem Interview auf der [2][Website des DFB] | |
mit. Endlich habe man wieder Spieler, „die sich engagieren und denen es | |
nicht egal ist, was auf der Welt passiert“. Zugleich wird in Kellers | |
Interview ausgeführt, dass die Aktion „gemeinsam mit dem DFB entwickelt und | |
umgesetzt“ wurde. Siehe Imagevideo. | |
Aber Fritz Keller geht auch auf die immer lauter werdenden Forderungen ein, | |
das Turnier in Katar zu boykottieren. Das Emirat stehe ja nur deswegen im | |
Fokus der Kritik, weil die WM dort stattfindet. „Das ist ein mächtiger | |
Hebel, um gemeinsam Verbesserungen zu erreichen“, sagt Keller. „Untragbare | |
Zustände in anderen Ländern finden diese öffentliche Aufmerksamkeit nicht.“ | |
Der DFB stehe im Austausch mit NGOs wie etwa Amnesty International. | |
Jüngst hatte die Katar-Expertin der Menschenrechtsorganisation, Regina | |
Spöttl, gesagt, sie setze auf „Sichtbarmachung der Missstände und den | |
Dialog mit allen Beteiligten“. Es gebe Reformen und Fortschritte – „und m… | |
einem Boykott würden diese um Jahre zurückgeworfen werden“. | |
## Menschenrechte mit Coca-Cola und adidas | |
Im Sinne von Keller und Spöttl äußerte sich auch Sylvia Schenk von | |
Transparency International. „Ein Boykott bringt nie etwas“, zitiert die | |
Frankfurter Rundschau die Antikorruptionskämpferin. Schon zu früheren | |
Gelegenheiten hatte sich Schenk gegen einen Boykott ausgesprochen und dem | |
Weltfußballverband Fifa attestiert, beim Thema Menschenrechte vorangekommen | |
zu sein. Schenk sitzt zugleich seit 2017 im Menschenrechtsbeirat der Fifa – | |
ein Gremium, in dem auch Vertreter von Adidas und Coca-Cola vertreten sind. | |
In einer Antwort auf Schenk kritisieren die Sprecher der Kampagne | |
[3][#BoykottQatar2022], die Publizisten Bernd Beyer und Dietrich | |
Schulze-Marmeling, Schenk rutsche in eine „Beschönigung der Verhältnisse in | |
Katar und in eine Relativierung der Bedeutung von Menschenrechten“ ab. | |
Schenk hatte etwa an der vielfach zitierten Recherche des englischen | |
Guardian, in Katar seien bislang 6.500 Arbeitsmigranten zu Tode gekommen, | |
kritisiert, es fehlten Hintergründe, die Zahl habe sich zu einem „medialen | |
Stille-Post-Spiel“ entwickelt. | |
Beyer und Schulze-Marmeling antworten, dass der Guardian ja noch nicht | |
einmal alle Statistiken auswerten konnte, die Zahl vermutlich höher sei. | |
„Noch wichtiger: Dass sich die Diskussion aktuell auf die WM-Baustellen | |
fokussiert, wo lediglich 2 Prozent der Arbeitsmigrant*innen | |
beschäftigt sind, ist von der Fifa durchaus gewollt.“ | |
In diesem für die katarische Wirtschaft relativ kleinen Segment ließen sich | |
vielleicht Verbesserungen der Menschen- und Arbeitsrechte erreichen – was | |
nach jüngsten Berichten von Menschenrechtsgruppen allerdings fragwürdig sei | |
–, aber insgesamt könne Katar so sein hochgradig ausbeuterisches Regime | |
beibehalten. Zudem seien die wichtigsten Arbeiten in den WM-Stadien bereits | |
abgeschlossen. „Für die Fifa dürfte die Angelegenheit damit erledigt sein.�… | |
## Peitschenhiebe gegen Homosexualität | |
Kritiker vermuten indes, dass es gerade die Boykottforderung ist, die dafür | |
gesorgt hat, dass sich von Fifa über DFB bis Uli Hoeneß mittlerweile ganz | |
viele um die Menschenrechte in Katar sorgen. Als die Fifa im Dezember 2008 | |
die WM an das Emirat vergab, dominierte vor allem Kritik an den | |
klimatischen Bedingungen und dem Umstand, dass Katar keine Fußballtradition | |
besitze. | |
Auf Hinweise, dass dort etwa Homosexualität streng bestraft wird – 1996 | |
wurde ein US-Bürger zu 90 Peitschenhieben und sechs Monaten Haft verurteilt | |
–, hatte die Fifa damals durch ihren Präsidenten Sepp Blatter mitteilen | |
lassen, Schwule und Lesben sollten halt während der Dauer der WM keinen Sex | |
haben. | |
DFB-Präsident Fritz Keller sagt heute zur damaligen Vergabe: „Ich hätte mir | |
gewünscht, konkrete Verbesserungen einzufordern und dann erst nach | |
Umsetzung eine Weltmeisterschaft in ein Land wie Katar, wo sich noch so | |
viel ändern muss, zu vergeben.“ | |
Die Initiative #BoykottQatar2022 hält dagegen: „Dass Norwegens | |
Nationalmannschaft und die DFB-Elf ihre WM-Qualifikationsspiele für ein | |
Bekenntnis zu den Menschenrechten nutzen, war sicherlich kein Zufall, | |
sondern auch der Boykott-Debatte der letzten Wochen geschuldet.“ Zu diesem | |
Hintergrund erfährt man leider in dem „Making of“-Video des DFB nichts. | |
28 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=F6XXweUbG3U | |
[2] https://www.dfb.de/news/detail/keller-wir-muessen-und-werden-weiter-unsere-… | |
[3] https://www.boycott-qatar.de/ | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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