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# taz.de -- Russische Kriegspropaganda: Indoktrination im Museum
> Im Moskauer Siegespark wird der blühende ukrainische Faschismus
> ausgestellt. Halbwahrheiten und Lügen formen das Narrativ, Russland würde
> bedroht.
Bild: Zwei kleine russische Pioniere auf einer Ausstellungseröffnung im Moskau…
Moskau taz | Draußen im Wind weht die russische Trikolore. Zwei Jugendliche
bleiben mit ihren Fahrrädern am Ewigen Feuer stehen. Der [1][Siegespark im
Westen Moskaus] ist eine monumentale Angelegenheit. Der damalige russische
Präsident Boris Jelzin hat die riesige Anlage in den 1990er Jahren
eröffnet. Sie soll den Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im Zweiten
Weltkrieg symbolisieren, im Vaterländischen Krieg, wie die Russen sagen.
Der heutige russische Präsident Wladimir Putin hat diesen Sieg zur
Grundlage russischer „Einzigartigkeit“ erhoben und rechtfertigt durch ihn
auch seine „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine. Den Krieg, der
in Russland nicht Krieg genannt werden darf.
Seit März prangt hier im russischen Wort für „Museum“ ein Z: Das Zeichen,
das wie eine Art neues Swastika, Unterstützung für den russischen Überfall
im Nachbarland symbolisiert. In dem gigantischen Bau hat in einem Raum eine
neue Ausstellung eröffnet. Hier soll gezeigt werden, wie sehr die Ukraine
mit dem nazistischen Deutschland verwoben wäre.
Mehr als 200 Exponate sollen nach den Worten von Museumsleiter Alexander
Schkolnik, der auf britischen Sanktionslisten steht, „von den Gräueltaten
ukrainischer Nationalisten während des Zweiten Weltkrieges“ erzählen – und
von „dem Terror moderner Neonazis gegen die Einwohner der Ukraine in den
vergangenen acht Jahren“. Eine Propaganda-Ecke mehr in Moskau.
## „Gewöhnlicher Nazismus“
Wer die Ausstellung mit dem Namen „Gewöhnlicher Nazismus“ kuratiert hat und
woher die Exponate stammen, teilt das Museum nicht mit. An einem Wochentag
ist nicht viel los zwischen den grauen Stellwänden, durch die sich mehrere
rote Z wie eine Linie ziehen. Zwei Männer laufen leise nebeneinander her,
eine Frau bleibt mit ihrer Teenager-Tochter an den Soldatenmänteln der
ukrainischen Armee stehen und sagt: „Das sehen wir doch eh jeden Tag im
Fernsehen, komm, es gibt hier nichts Neues.“. Ein Junge hat sich aus seiner
Exkursionsgruppe zum Thema „Sowjetische Feldherren“ gelöst, schaut kurz
hinein und wird sogleich zurückgehalten: „Ab 18“, herrscht ihn ein
Museumsmitarbeiter an.
Der Raum ist zweigeteilt: Rechts Bildmaterial über die Gräuel der
Bataillone „Nachtigall“ und „Roland“ der Organisation Ukrainischer
Nationalisten (OUN), die auf Seiten der SS Dörfer in der damals
sowjetischen Ukraine niederbrannten und massenhaft Menschen ermordeten. Es
sind historisch belegte Fakten. Die Exponate sind gekennzeichnet, welches
Jahr, wessen Sammlung.
Links die Geschichte der Ukraine ab 2014, [2][wie Russland sie sieht]: als
Staatsstreich, nach dem „Nazis an die Macht kamen und eine aktive
russophobe Politik begannen“. So steht es an der Stellwand, überschrieben
mit „Die Rückkehr des Bösen“, gleich neben „Gedächtnisverlust“: „I…
Ukraine wurden die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges revidiert, der Kult
der OUN wurde wiederbelebt.“
Ein Kinderbuch liegt aufgeklappt in der Vitrine: „Wir sind Ukrainer“, steht
da in krakeliger Kinderschrift auf Ukrainisch. Militärmützen der
Ukrainischen Nationalgarde liegen daneben, samt Keksen der ukrainischen
Armee und einem grünen Päckchen, auf dem „Nato-Patronen“ steht. In der
Mitte findet sich eine alte Schaukel, rostig, die hölzernen Beine
angebrannt, neue Stofftiere liegen verstreut drum herum, bunte Würfel, ein
Kinder-Lackschuh. Darüber schweben weiße Plastikengel: Daria, 3 Jahre,
Artjom, 7 Jahre, Sergei, 6 Jahre, steht darauf. Sie sollen wohl an die
getöteten Kinder im Donbass erinnern – erklärt wird es aber nicht.
In der Ecke laufen Bilder über einen Bildschirm: Eine ältere Frau hält ein
Foto eines Jungen in die Kamera, man sieht einen Friedhof, Menschen werfen
Erde in ein Grab, Militärfahrzeuge mit einem weißen Z rollen über eine
Grenzanlage. „Ukraine“ steht auf dem Verkehrsschild. Wie die Installation
heißt, was sie zeigt, wann und wo die Bilder entstanden sind, bleibt im
Dunkeln. Sie sind wie die Ausstellung an sich: Bilder, Bücher, Aufnahmen,
Texte sind hier wahllos zusammengeworfen, in Zusammenhang gestellt sind sie
nicht.
## Fakten, Lügen und Halbwahrheiten mischen sich
Damit funktioniert die Ausstellung wie jede Nachrichtensendung im
russischen Staatsfernsehen: Fakten finden sich neben Halbwahrheiten, neben
Lügen und ergeben ein bestimmtes Narrativ von der Bedrohung Russlands durch
äußere Mächte. Überschrieben mit Putins „erzwungener Maßnahme zur
Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine“.
Mit einem solchen Ziel hat der russische Präsident seinen Marschbefehl zur
in Invasion der Ukraine bezeichnet und dem Land das Existenzrecht
abgesprochen. Im Museum will niemand über die Ukraine sprechen. „Steht ja
schon alles da, und bald gibt es hier noch mehr Exponate“, sagt der
Museumsmitarbeiter, der einige Kisten anschleppen lässt.
Im Souvenirshop voller Spielzeugpanzer, Z-Freundschaftsbänder samt
Ich-bin-stolz-Sprüchen und Stalin-Porträts debattiert eine Familie über
Mitbringsel. „Ich will eine Pistole“, sagt der Junge. „Nimm doch besser d…
Gewehr, das ist größer“, meint der Großvater. „Ich will die Pistole, sie
ist bunter, und das Messer“, erwidert der Enkel. „Messer ist gut, da ist
der Kampf unmittelbarer.“ Die Verkäuferin schließt den Glasschrank auf.
„Kannst du denn überhaupt schießen, Junge? Soll ich’s dir zeigen? Solche
Spiele machen viel Spaß“, sagt sie. Keine 1.000 Kilometer von ihr weg ist
Krieg.
21 Jun 2022
## LINKS
[1] /Eindruecke-aus-Moskau/!5837392
[2] /Vom-Kult-des-Sieges-zum-Kult-des-Krieges/!5851531
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Propaganda
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Rechte Szene
Schwerpunkt Tag der Befreiung
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