# taz.de -- Robotik und Gesellschaft: Revolution der Maschinenwesen | |
> Autonom agierende Maschinen werden in vielen Bereichen den Menschen | |
> ersetzen. Sie sollen Pflegedienste übernehmen und Kampfroboter sein. | |
Bild: Türkische und deutsche Roboter beim „Robogol 2014“. | |
„Er fühlt weder Mitleid noch Reue noch Schmerz, und er wird vor nichts | |
haltmachen, vor gar nichts, solange Sie nicht tot sind“, hörte das | |
staunende Kinopublikum 1984 Michael Biehn alias Kyle Reese in dem | |
Kult-Science-Fiction-Film „Terminator“ sagen. Die Rede war vom | |
„Terminator“, einem von dem Computernetzwerk Skynet konstruierten Cyborg, | |
dessen Aufgabe – nomen est omen – darin bestand, zu „terminate“, sprich… | |
beenden. Was in den 1980er Jahren als spinnerte Kopfgeburt von Sci-Fi-Geeks | |
galt, kommt der Realität inzwischen näher, als Otto Normalverbraucher lieb | |
sein dürfte. | |
Schon jetzt werden Roboter zum Entschärfen von Minenfeldern, als Wachleute | |
oder als Helfer im Haushalt eingesetzt. Die japanische Regierung will bis | |
zum Jahr 2020 eine „Roboter-Revolution“ initiieren: Die Bots sollen in | |
Hotels, Pflegeheimen und für Lieferdienste eingesetzt werden. Amerikanische | |
und japanische Unternehmen wie Boston Dynamics und Schaft stellen heute | |
bereits leistungsfähige und geschickte Roboter her, die im Vergleich zum | |
Schweißbot an der Fertigungsstraße eines Automobilherstellers durchaus als | |
Tausendsassas gelten dürfen. Die Maschinenwesen steigen Treppen, räumen | |
Geröll beiseite, machen Kniebeugen, rennen schneller als Menschen und | |
schleppen Hunderte von Kilo durch unwegsames Terrain. | |
Mit dem technologischen Fortschritt erwacht aber auch das Interesse von | |
Wirtschaft und Industrie an den vielseitig einsetzbaren Blechdroiden. | |
Anfang des Jahres ging der Internetkonzern Google nach der Präsentation des | |
„Google Driverless Car“ (fahrerloses bzw. autonom fahrendes Auto) einen | |
weiteren Schritt in Richtung Roboter-Revolution „Made in America“: Der | |
Internetgigant erwarb die im US-amerikanischen Waltham beheimatete | |
Robotikfirma Boston Dynamics, deren geschickte Roboter mit klangvollen | |
Namen wie Big Dog, Petman, Cheetah und Atlas bereits auf YouTube Furore | |
gemacht haben. | |
Das 1992 als Ableger des Massachusetts Institute of Technology von | |
Professor Marc Raibert gegründete Forschungsunternehmen bildet die | |
technologische Speerspitze bei der Herstellung von autonomen | |
Robotiksystemen. Finanziert wurden die Forschungstätigkeiten von Boston | |
Dynamics bislang in erster Linie von den amerikanischen Streitkräften, | |
genauer gesagt der US Defence Advanced Research Projects Agency (Darpa), | |
der US-Armee, der US-Marine und der US-Marineinfanterie. Als eines der | |
technologisch innovativsten Produkte aus dem Hause Boston Dynamics dürfte | |
der 2005 entwickelte „BigDog“ gelten. Wie der Name bereits nahelegt, | |
handelt es sich hier um einen vierbeinigen, hundeartigen Laufroboter, der | |
ohne fremde Hilfe und mit bis zu 155 Kilogramm beladen Steigungen von bis | |
zu 35 Grad hinaufklettern kann. | |
## Google kauft Roboterhersteller | |
„BigDog“ ist mit einem Verbrennungsmotor, einem hochentwickelten | |
Computersystem und zahlreichen Sensoren ausgestattet, die es der Maschine | |
ermöglichen, sich auch in unwegsamem Gelände mit Geschwindigkeiten von bis | |
zu 6 Stundenkilometern autonom fortzubewegen. Wem das zu langsam ist, für | |
den haben die Roboter-Geeks aus Massachusetts „Cheetah“ im Programm. Der | |
einem Geparden nachempfundene Laufroboter erreicht Geschwindigkeiten bis 46 | |
Stundenkilometer und gilt als schnellster Blechdroide der Welt. | |
Aber Boston Dynamics macht nicht bei vierbeinigen Maschinenwesen halt. 2012 | |
wurden die Robotik-Freaks von Darpa beauftragt, humanoide Roboter zu | |
entwickeln. 10,8 Millionen US-Dollar wendeten die US-Streitkräfte für das | |
Forschungsprojekt auf und die Erfolge können sich sehen lassen. Der | |
menschenähnliche Roboter „Petman“ (Protection Ensemble Test Mannequin, auf | |
Deutsch: Puppe zum Testen von Schutzkleidung) steht auf eigenen Füßen, kann | |
die Arme recken und Kniebeugen machen. Aus „Petman“ wurde 2013 „Atlas“,… | |
zwar nicht das Himmelsgewölbe auf den Schultern trägt, aber sehr wohl in | |
der Lage ist, freistehend durch unwegsames Terrain zu spazieren und zu | |
klettern. In naher Zukunft sollen die Hände des „künstlichen Menschen“ mit | |
Sensoren bestückt werden, die es ihm ermöglichen, für Menschenhand | |
entworfene Werkzeuge zu benutzen. | |
Neben Boston Dynamics hat sich Google bereits sechs weitere | |
Roboterhersteller einverleibt. Dazu gehören zum Beispiel das japanische | |
Unternehmen Schaft, dessen Bots Leitern hoch- und herunterklettern können, | |
Redwood Robotics, die einen vollfunktionsfähigen Roboterarm (inklusive | |
Daumen und Fingern) im Programm haben, und Industrial Perception, das es | |
sich zur Aufgabe gemacht hat, Robotern mithilfe eines Infrarotsystems | |
dreidimensionale, visuelle Wahrnehmung beizubringen. | |
## Angst und Schrecken | |
Will Google Roboter für den zivilen Einsatz als Massenprodukt vermarkten, | |
ähnlich wie Bill Gates dereinst den Personal Computer? Müssen wir uns auf | |
einen Blechkameraden in jedem Haushalt gefasst machen? Das japanische | |
Unternehmen Softbank hat bereits für 2015 angekündigt, seinen | |
Haushaltsroboter „Pepper“ in den USA auf den Markt zu bringen. Laut | |
Hersteller soll der humanoide Helfer in der Lage sein, Emotionen zu lesen. | |
Branchenkenner sind zwar skeptisch, weil „Peppers“ Funktionsumfang aufgrund | |
des geringen Verkaufspreises von 2.000 Dollar relativ gering sein dürfte, | |
aber es kommt Bewegung in den Markt der Haushaltsroboter – für Google | |
anscheinend Grund genug, massiv in den Bereich der Robotik zu investieren. | |
Angesichts der immensen Herstellungskosten dieser Maschinen dürfte bis | |
dahin noch eine Weile vergehen, aber die britische und amerikanische Presse | |
befindet sich bereits in Angst und Schrecken, was angesichts von | |
Schlagzeilen wie „I, Frankenstein“ (Slate), „Google‘s drive into roboti… | |
should concern us all“ (The Guardian) deutlich wird. | |
Die Argumente, die gegen einen weit verbreiteten Einsatz von halbwegs | |
intelligenten Bots sprechen, sind dabei nicht aus der Luft gegriffen: | |
Roboter geben hervorragende Befehlsempfänger und Untergebene ab – wie | |
bereits eindrücklich in den Terminator-Filmen oder Sci-Fi-Klassikern wie | |
Stanley Kubriks „2001: Odyssee im Weltraum“ thematisiert: die künstlichen | |
Menschen besitzen keine Gefühle, keinen eigenen Willen, kein Gewissen, | |
keine Skrupel, werden nicht krank und können repariert werden – sprich: die | |
perfekten Kontroll- und Tötungsmaschinen, und wer sie beherrscht, der | |
beherrscht vielleicht dereinst die Welt. | |
Was ebenfalls gegen Roboter im Alltagseinsatz, zum Beispiel als | |
Haushaltshilfe, spricht, ist die Frage, wer die Maschinen letzten Endes | |
kontrolliert bzw. was mit den Daten geschieht, die das Maschinenwesen im | |
Verlauf seiner Tätigkeit sammeln kann. Der beunruhigendste Gedanke gilt | |
vielleicht weniger den Blechdroiden, die eines Tages autonom die | |
Weltherrschaft an sich reißen könnten, als vielmehr den Strippenziehern, | |
die hinter der „Roboter-Revolution“ stecken. | |
2 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Frank Heinz Diebel | |
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