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# taz.de -- Roboter auf Weltraummission: Menschenähnliche Maschinen
> Roboter sollen fremde Planeten erkunden und Astronauten auf einer
> Raumstation unterstützen. Dafür müssen sie noch selbstständiger werden.
Bild: MIttels zahlreicher Sensoren nimmt die Roboterdame Aila ihre Umwelt wahr
BREMEN taz | Aila streckt den Arm aus. Mit ihrem weißen Stahlfinger drückt
sie bedächtig auf einen Knopf, rollt ein Stück weiter durch das Modell der
Internationalen Raumstation ISS und legt einen Hebel um. Routinearbeiten
für [1][die Roboter-Dame des Robotics Innovation Center (RIC)] des
Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen.
Dank einer Vielzahl von Sensoren nimmt Aila ihre Umgebung genau wahr. Das
ermöglicht die routinierten Handgriffe an der Bedieneinheit genauso wie
eine unfallfreie Interaktion mit Menschen. Beste Voraussetzungen für einen
zukünftigen Einsatz auf einer Raumstation. „Viele Arbeiten auf der ISS sind
nicht sonderlich anspruchsvoll. Sie könnte jeder irdische Hausmeister
übernehmen“, sagt José de Gea Fernández, Robotik-Experte am DFKI.
Oft gehe es darum, Schrauben anzuziehen, Messdaten abzulesen oder Schalter
für einen Ofen umzulegen. Für solche Dinge sind die Astronauten eigentlich
überqualifiziert.
Für Aila und Co wären viele dieser Arbeiten ein Klacks. Dass Roboter im
Weltall als verlängerte Arme, Ohren und Augen wertvolle Dienste leisten
können, ist längst unbestritten. Ihr Potential sei trotz einiger
Fortschritte allerdings noch längst nicht ausgeschöpft, sagt Fernández.
Der [2][Robonaut 2] ist seit vier Jahren Crew-Mitglied auf der ISS –
testweise. Mittelfristig soll er die Astronauten bei ihrer alltäglichen
Arbeit unterstützen, sowohl in der Raumstation als auch bei Außeneinsätzen.
Sogar seine Mondlandung ist geplant. Ein weiteres Anwendungsszenario:
Mithilfe von kräftigen Roboterarmen könnten bald taumelnde Satelliten
wieder auf die richtige Umlaufbahn gebracht oder herumfliegender
Weltraumschrott eingesammelt werden.
Bei solchen hochkomplexen Arbeiten in der Erdumlaufbahn sind Roboter vor
allem Werkzeug, gesteuert vom Menschen per Joystick oder Exoskelett. Auch
Aila lässt sich per Exoskelett fernsteuern. Über mehrere Kontaktpunkte
werden dabei die Bewegungen des menschlichen Armes sehr genau erfasst und
auf den Roboter übertragen. Kräfte, die auf den Roboter einwirken, können
durch das Exoskelett auf den Bediener zurückgespielt werden. Hebt der
Roboter ein schweres Gewicht, fühlt es sich auch für den Menschen schwer
an. Das erhöht den Realismus für den „Steuermann“.
Die meisten erdnahen Anwendungsszenarien am DFKI sehen ein Hand in Hand der
Systeme vor. Der Mensch steuert Aila in die richtige Position, ihre
Roboterhand greift dann selbstständig und präzise zu. Einziger Harken:
Schon auf dem Mond wäre eine solche Steuerung aufgrund der
Signalverzögerung schwierig.
## Lange Übertragunsgwege
„Das ist so, als würde ich am Lenkrad meines Autos drehen und erst mehrere
Sekunden später reagiert der Wagen. Das macht das Fahren sehr schwierig“,
sagt Klaus Landzettel, Seniorwissenschaftler am [3][Institut für Robotik
und Mechatronik des Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)].
Was auf dem Mond schon anstrengend ist, ist auf dem Mars fast unmöglich. 15
Minuten braucht ein Signal von der Erde zum roten Planeten. Auf die Antwort
wartet man mindestens eine halbe Stunde. Die Lösung: [4][Marsrover
Curiosity] bekommt nur ungefähre und sehr vorsichtige Anweisungen. Fahre
zwei Meter weiter und melde dich dann noch mal, nimm eine Bodenprobe und
mache ein Foto, melde dich.
„Wir sprechen von einer überwachten Autonomie. Wir geben dem Roboter
Befehle und er führt sie weitgehend selbstständig aus“, sagt Landzettel.
Die Aufgaben, die Roboter autonom erledigen sollen, werden dabei immer
komplexer. Futuristische Pläne gehen längst über die Exploration und das
Sammeln von Daten auf fremden Planeten hinaus. Roboter könnten
beispielsweise Stationen auf dem Mond oder dem Mars errichten. Ihr Vorteil:
Sie sind in der Lage, in lebensfeindlicher Umgebung Gebäude zu errichten
und damit die Ankunft einer bemannten Mission vorzubereiten. Sie könnten
auch an den Einheiten stationiert werden, um die Anlage zu warten und
selbstständig Reparaturen durchzuführen.
## Die nächste Generation wird dazu lernen
Eine Voraussetzung dafür ist die größtmögliche Selbstständigkeit der
Maschinen. Ausgestattet mit einem ganzen Strauß an Fähigkeiten fliegen sie
ins All, in der Lage viele Arbeiten auf Befehl hin zu erledigen. Eine
wichtige Neuerung: Die nächste Generation der Androiden wird dazu lernen
und zwar nach menschlichen Vorbild. Die Maschinen lernen aus gemachten
Erfahrungen, indem sie die Verbindungen zwischen den programmierten
Handlungsanweisungen und dem stetig steigenden Wissen aus vielen
verschiedenen Daten immer wieder passgenau verändern.
Es gibt bereits erste, äußerst spannende Entwürfe für solche lernenden
Maschinen. Robotik-Guru [5][Rodney Brooks] vom Massachusetts Institute of
Technology (MIT) hat beispielsweise [6][Baxter] entworfen. Die
Besonderheit: Er muss nicht mehr aufwendig von Experten programmiert
werden. Der Nutzer ergreift einfach die Arme und macht Bewegungen vor. Die
Roboter-Augen folgen allen Abläufen, die Software prägt sich alles ein und
passt die Bewegungen im Laufe der Zeit immer besser an.
Genau diese Eigenschaften sollen auch im Weltraum eingesetzt werden. „Neue
Handlungen könnten auf der Erde als Anleitung entwickelt und an den Roboter
in einer passenden Form weitergeleitet werden“, erklärt José de Gea
Fernández. Mit jeder Wiederholung im All wird der Roboter sicherer und
verfeinert die Bewegung.
## Ersatz für den Menschen
Im Weltraum haben solche Entwicklungen ein klares Ziel: Sie könnten den
Menschen schon bald kostengünstig und effektiv ersetzen. Per se ist das
nicht nur negativ. Schließlich könnten die Roboter all die monotonen,
anstrengenden, lästigen oder gefährlichen Arbeiten übernehmen.
Zu große Gefahr und Anstrengung für die Astronauten sind längst nicht die
einzigen Argumente für den Einsatz von Robotern im All. Seit Jahren mehren
sich kritische Stimmen, die bemannte Raumfahrt für zu kostspielig halten.
Allein die Raumstation ISS wird bis zu ihrem geplanten Ende in fünf bis
sieben Jahren über 200 Milliarden Euro kosten – zum Großteil finanziert aus
Steuergeldern.
Kritiker wie der deutsche [7][Astrophysiker Wolfgang Hillebrandt] betonen,
dass die Experimente auf der ISS keine bahnbrechenden Erkenntnisse gebracht
hätten, und halten den Einsatz von Menschen im All für überflüssig. Auch
Roboter könnten entsprechende Proben nehmen und Experimente durchführen, so
Hillebrandt. Tatsächlich sind die Kosten für Roboter deutlich geringer. Sie
brauchen keine aufwendigen Lebenssysteme, Raumanzüge, Sauerstofftanks oder
Lebensmittel. Auch fliegen sie jahrelang durchs All ohne zu Murren. Ein
Verlust wäre zwar ärgerlich, aber zu verkraften.
## „Der Mensch wird zum Mars fliegen“
Von einer Abkehr vom Astronauten will man bei der US-Weltraumagentur NASA
nichts wissen. Über acht Milliarden US-Dollar fließen pro Jahr in die
Programme für bemannte Raumfahrt. Zurecht, sagt [8][Ellen Stofan,
Chefwissenschaftlerin der US-Raumfahrtbehörde], im Interview mit der
[9][Neuen Zürcher Zeitung]: „Als Geologin glaube ich, dass kein Roboter
mich ersetzen kann.“ [10][Mars-Rover „Opportunity“] habe in zehn Jahren
eine Strecke von 30 Kilometern zurückgelegt, ein Astronaut schaffe die
gleiche Strecke in einem oder zwei Tagen. Auch die Entscheidungseffizienz
und das flexible Denken spreche für die bemannte Raumfahrt, so Stofan
weiter.
Auch [11][Johann-Dietrich Wörner], der [12][künftige Chef der europäischen
Raumfahrtorganisation Esa], glaubt fest an das menschliche Streben nach
fernen Welten: „Der Mensch wird zum Mars fliegen – ganz klar. Der Mensch
macht das, wenn er dafür die richtige Technik hat.“
14 Jun 2015
## LINKS
[1] http://www.dfki.de/web/news/cebit2013/aila/index_html/view?searchterm=Aila
[2] http://www.nasa.gov/mission_pages/station/main/robonaut.html#.VXmHbuoU_yE
[3] http://www.dlr.de/rmc/rm/desktopdefault.aspx/tabid-8017/
[4] http://www.nasa.gov/mission_pages/msl/index.html
[5] http://people.csail.mit.edu/brooks/
[6] http://www.rethinkrobotics.com/
[7] http://www.mpg.de/378948/astrophysik_wissM
[8] http://www.nasa.gov/offices/ocs/stofan_bio.html
[9] http://www.nzz.ch/wissenschaft/astronomie/fuer-die-nasa-war-das-ein-kulturw…
[10] http://mars.nasa.gov/mer/home/
[11] http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10329/510_read-204
[12] http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Johann-Dietrich_Woerner…
## AUTOREN
Birk Grüling
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