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# taz.de -- Reform der Staatlichen Museen in Berlin: Weiter in der Schwebe
> Der Hamburger Bahnhof, das Museum für Gegenwart in Berlin, steckt in
> einem schwierigen Strukturwandel. Auch abseits von Corona.
Bild: Der Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwartskunst in Berlin
Seit Mitte Dezember hat der [1][Hamburger Bahnhof, das Berliner
Gegenwartsmuseum], coronabedingt seine Türen geschlossen. Im Inneren warten
drei Sonderausstellungen auf ihr Publikum. In der Haupthalle hat die
Video-Installationskünstlerin Pauline Curnier Jardin, die Gewinnerin des
„Preises der Nationalgalerie“ 2019, einen raumgreifenden Aufbau realisiert,
der entweder einer übergroßen Geburtstagstorte oder einem Mini-Kolosseum
ähnelt.
Schon seit Dezember verharrt die Ausstellung der in Paris lebenden
chinesischen Malerin Xinyi Cheng in Wartestellung. Auch die Schau „Self
Portrait as Clone of Jeanne D’Arc“ mit Arbeiten der in Berlin lebenden
US-Amerikanerin Bunny Rodgers haben aufgrund des zweiten Lockdowns bislang
nur wenige Besucher*innen gesehen.
Doch der gefährliche Schwebezustand, in dem sich das Berliner Museum
derzeit befindet, geht über coronabedingte Restriktionen weit hinaus. In
diesem Herbst steht der [2][endgültige Leihgaben-Abzug der Friedrich
Christian Flick Collection] bevor. Sie wurde in den vergangenen siebzehn
Jahren vorwiegend in den weitläufigen Rieckhallen gezeigt. Diesen droht nun
– falls kein Wunder geschieht – der Abriss, weil der private Investor, dem
das gesamte Areal inklusive Hauptgebäude gehört, es eben so will.
Nicht nur der Verlust von beträchtlichen Ausstellungs- und Depotflächen
wäre die Folge. Auch die begehbare Bruce-Nauman-Skulptur „Room with My Soul
Left Out, Room That Does Not Care“ würde zerstört. Seit vielen Monaten wird
nun hinter den Kulissen um einen Erhalt dieser Hallen verhandelt, ebenso
soll das einst von Josef Paul Kleihues zum Museum umgebaute Hauptgebäude
möglichst in öffentliches Eigentum überführt werden, um es langfristig als
Kunstinstitution zu sichern.
## Dringlichkeit unterschätzt
Auf taz-Anfrage zum aktuellen Verhandlungsstand erklärt ein Sprecher der
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erneut, dass die Verhandlungen
zwischen der Bundesagentur für Immobilienaufgaben (BIMA) und der
Eigentümerin des Hamburger Bahnhofs, der österreichische
Immobiliengesellschaft CA Immo „auf einem guten Weg“ seien: „Wir erwarten
eine Entscheidung bis zum Herbst.“ Zur Zukunft der Rieckhallen liefen
„ebenfalls Gespräche, deren Ergebnis offen ist“. Das klingt seltsam
entspannt.
Unterschätzt der Bund womöglich die Dringlichkeit der Lage? Ein Scheitern
der Verhandlungen wäre nicht nur ein kulturpolitisches Desaster, sondern
brächte ein fast unlösbares Logistikproblem für die Museumsleute mit sich.
Für Hunderte Kunstwerke müssten de facto über Nacht neue Depots geschaffen
werden.
Misslingt die Sicherung der Rieckhallen, würde das eine „Halbierung“ des
Museums bedeuten, warnt Gabriele Knapstein, die kommissarische Direktorin
des Hamburger Bahnhofs. Ohnehin besteht beim Hauptgebäude Sanierungsbedarf.
Ohne die Rieckhallen, mit dem historischen Ausstellungsgebäude als
Baustelle droht das beim Publikum sehr beliebte Gegenwartsmuseum von der
Berliner Kunstlandkarte auf Jahre zu verschwinden.
Was die Lage noch zusätzlich kompliziert macht, ist der Reformprozess, in
dem sich die [3][Stiftung Preußischer Kulturbesitz] (SPK), die Trägerin des
Hamburger Bahnhofs als Teil der Nationalgalerie, aktuell befindet.
Angestoßen wurde er einst von Grütters, hat aber mittlerweile seine eigene
Dynamik entwickelt. Der bisher konkreteste Reformvorschlag kam im Februar
aus den Museen selbst, die für eine Entflechtung von Hierarchien und
Stärkung der einzelnen Einrichtungen kämpfen, welche im Unterverbund der
Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) organisiert sind.
Diese Initiative griff die Kulturstaatsministerin auf, als sie sich Mitte
März in einer Pressemitteilung „deutlich mehr Autonomie, insbesondere in
Personal- und Budgetfragen“ für die einzelnen Häuser der Nationalgalerie
wünschte. Jetzt gelte es, „konkrete Modelle dafür zu entwickeln“, teilte
Grütters mit. Der Vorschlag der Museumsdirektor*innen wird nun, so
war es neulich in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, von der auf
öffentliche Verwaltungen und Infrastrukturprojekte spezialisierten
staatlichen Beratungsfirma PD („Partnerschaft Deutschland“) geprüft.
## Kleine Schritte
Seit dem [4][Abgang von Udo Kittelmann als Direktor der Nationalgalerie
Ende Oktober] – er hatte eine Art Intendanzfunktion für die Alte und Neue
Nationalgalerie sowie den Hamburger Bahnhof inne –, blieb die Stelle
unbesetzt. Stattdessen fungieren die bisherigen drei
Abteilungsleiter*innen nun als kommissarische Direktor*innen. Trotz
größerer Verantwortlichkeiten können sich Ralph Gleis (Alte
Nationalgalerie), Joachim Jäger (Neue Nationalgalerie) und Gabriele
Knapstein aber nicht so richtig autonom fühlen. Denn die
Direktor*innenstellen werden wohl demnächst ausgeschrieben.
Nach Mitteilung der SPK ist es „noch nicht endgültig absehbar, wann die
organisatorischen Voraussetzungen für die Neubestellungen der Direktorinnen
und Direktoren geschaffen sind“. Man rechne mit einer Klärung „bis
spätestens Ende des zweiten Quartals“. Grütters’ Amt hingegen erklärt, d…
Start der Ausschreibungen sei – Stand Anfang April – „für dieses Frühja…
geplant“.
Es sind dies kleine Reformschritte in einem ungleich größeren Prozess, bei
dessen Auftakt im Sommer letzten Jahres in der öffentlichen Diskussion
schnell von einer „Zerschlagung“ der Preußenstiftung die Rede war. Die
Staatlichen Museen und besonders die Häuser der Nationalgalerie standen
dabei von Anfang an im Zentrum. An ihnen wurden auch schon in der
Vergangenheit die Defizite am deutlichsten sichtbar, die das im Juni 2020
veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftsrats (WR) benannte.
Das Gutachten dient als Gesprächsgrundlage und Orientierungshilfe in dieser
Diskussion. Chronische personelle und finanzielle Mangelwirtschaft schlägt
auf die Qualität der Ausstellungs- und Vermittlungsprogramme der Museen
sichtbar durch, während die ebenfalls kritisierten überdimensionierten
Verwaltungs- und Leitungs-Strukturen („Governance“) der Stiftung unsichtbar
im Hintergrund bremsen. Diese „Dysfunktionalität“ hatte Kittelmann
seinerzeit als einen Hauptgrund für seinen freiwilligen Abgang angeführt.
Bei einem Pressetermin Ende März war das kommissarische
Direktor*innentrio Gleis, Jäger und Knapstein trotz der aktuell
verschärften Bedingungen bei der Vorstellung des Jahresprogramms der
Nationalgalerien um Optimismus bemüht. Immerhin: die Wiedereröffnung
[5][nach langjähriger Sanierung von Mies van der Rohes Neuer
Nationalgalerie] im August bietet Anlass zur Vorfreude. Gedämpft wird die
Feierlaune jedoch durch den enormen Reformdruck, der auf der SPK und ihren
Einrichtungen lastet.
Denn die Zeit drängt – nicht nur, was die Sicherstellung des laufenden
Betriebs der Museen, die Rettung der Rieckhallen und des Hamburger Bahnhofs
betrifft. Die erfolgreiche Reform der SPK insgesamt steht in diesem Sommer
auf dem Spiel. Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Wie sich
dann die kulturpolitischen Gewichte verteilen, ist völlig offen. Niemand
kann wissen, mit welcher Vehemenz die notwendigen Reformen der von Bund und
Ländern gemeinschaftlich getragenen Preußenstiftung dann zukünftig
vorangetrieben werden.
6 Apr 2021
## LINKS
[1] /Revision-einer-Sammlung/!5500554
[2] /Rueckschlag-fuer-Berliner-Museen/!5678415
[3] /Neue-Nationalgalerie-in-Berlin/!5723528
[4] /Neue-Nationalgalerie-in-Berlin/!5723528
[5] /Baustelle-Neue-Nationalgalerie-Berlin/!5461513
## AUTOREN
Hans-Jürgen Hafner
Kito Nedo
## TAGS
Museen in Berlin
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Monika Grütters
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Berlin
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