# taz.de -- Rechtsextremer Trauermarsch in Köthen: Strafverfahren wegen Volksv… | |
> Bei dem Trauermarsch sind bis zu 500 Rechtsextreme aufmarschiert. Die | |
> Polizei sagt, sie habe genau zugehört, wollte aber nicht einschreiten. | |
Bild: Zuhören ohne einzugreifen: Polizisten am Rande der Kundgebung Sonntagabe… | |
BERLIN taz | Die sachsen-anhaltinische Justiz hat nach dem Trauermarsch am | |
Sonntag Abend in Köthen zehn Strafverfahren eingeleitet. In drei Fällen | |
ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung, dazu kämen drei | |
Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung, drei wegen Verstößen gegen das | |
Versammlungsgesetz und in einem Fall würde wegen einfacher Körperverletzung | |
ermittelt. Das gaben Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und die für die | |
Polizei zuständige Referatsleiterin Christiane Bergmann auf einer | |
Pressekonferenz am Montag bekannt. | |
Wegen Angriffen auf Medienvertreter ermittelt die Polizei in zwei Fällen. | |
Bergmann rief betroffene Journalisten dazu auf, sich weiterhin an die | |
Polizei zu wenden. | |
Am Sonntagabend waren nach Angaben des Innenministerium bis zu 2.500 | |
Menschen in Köthen [1][zu einem Trauermarsch zusammengekommen]. Unter den | |
Demonstranten seien 400 bis 500 Rechtsextreme gewesen, die zum Teil auch | |
aus anderen Bundesländer angereist seien, sagte Stahlknecht vor den | |
Journalisten. „Ein erheblicher Teil der Demonstranten kam auch aus Köthen | |
und hat aus eigener Betroffenheit teilgenommen“, ergänzte er. | |
Der Innenminister warnte davor jeden Teilnehmer unter den Generalverdacht | |
des Rechtsextremismus zu stellen. „Das führt dazu, dass wir Teile der | |
Bevölkerung abkoppeln. | |
Der Trauermarsch war als Reaktion auf den Tod eines jungen Mannes nach | |
Angaben der Polizei von einer Privatperson angemeldet worden. Dieser war in | |
der Nacht zuvor nach einem Streit mit zwei afghanischen Jugendlichen, an | |
akutem Herzversagen gestorben. | |
## Rechte Hetze am offenen Mikro | |
Am Ort der Auseinandersetzung, einem Spielplatz, hatten die Polizei dem | |
Veranstalter ein offenes Mikrofon genehmigt, welches vor allem von der | |
rechten Szene belegt worden sei, wie das Innenministerium bestätigte. So | |
sprach der Gründer der rechtsextremen Thügida-Bewegung David Köckert von | |
einem „Rassenkrieg gegen das deutsche Volk“ und forderte die Umstehenden | |
auf: „Wollt ihr weiterhin die Schafe bleiben, die blöken, oder wollt ihr zu | |
Wölfen werden und sie zerfetzen?“ | |
Auf die Frage, warum die Polizei nicht eingeschritten sei, verwies Bergmann | |
darauf, dass man sich zwischen Strafverfolgung und Beweissicherung bewege. | |
Die Polizei habe die Textbeiträge sehr genau angehört und habe in | |
bestimmten Sequenzen Strafverfahren eingeleitet. Außerdem müsse man | |
überlegen, ob eine Versammlung mit über 2.000 Teilnehmern überhaupt | |
aufgelöst werden könne. „Dabei werden auch viele Menschen geschädigt, die | |
überhaupt nicht betroffen sind“, sagte Bergmann. | |
Stahlknecht erklärte, man habe die Äußerungen sehr wohl wahrgenommen, aber | |
der Polizei sei es darum gegangen, die Gesamtlage zu beherrschen. Das habe | |
die Polizei professionell gemacht. „Wir können nie verhindern, dass Rechte | |
sich unter Demonstrationen mischen, wenn Bürger demonstrieren.“ | |
Nach Angaben des Innenministeriums war die Polizei mit einem Aufgebot im | |
„hohen dreistelligen Bereich“ vor Ort. Stahlknecht selbst hatte am | |
Sonntagvormittag mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) telefoniert und | |
Verstärkung der Bundespolizei sowie aus anderen Bundesländern angefordert. | |
Bei der für den heutigen Montag angemeldeten rechten Demonstration in Halle | |
werde die Polizei mit einem ähnlichen Aufgebot vor Ort sein, so | |
Stahlknecht. In Halle selbst rechnet die Polizeidirektion bisher nicht mit | |
tausenden Teilnehmern, wie eine Sprecherin auf Anfrage der taz mitteilte. | |
Üblicherweise kämen zu der seit einem Jahr stattfindenden Montagsdemo um | |
die 50 Personen. Heute sei vielleicht mit etwas mehr Zulauf zu rechnen, | |
aber man habe bisher keine größere Mobilisierung weder von rechts noch von | |
links wahrgenommen. | |
## Tod nicht durch Schläge oder Schritte | |
Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) äußerte sich bei | |
der Pressekonferenz auch zum Tod des 22-jährigen Kötheners Markus B.: | |
Dieser sei mit hoher Wahrscheinlichkeit an akutem Herzversagen gestorben. | |
Das gehe aus dem telefonisch übermittelten vorläufigen Obduktionsbericht | |
hervor. „Tödliche Verletzungen durch Schläge oder Tritte konnten nicht | |
festgestellt werden.“ Damit widerspricht Keding der These, B. sei am Boden | |
liegend gegen den Kopf getreten worden und infolge dessen gestorben. Es | |
heißt jedoch nicht, dass bei der Obduktion gar keine Tritt- oder | |
Schlagverletzungen festgestellt wurden. | |
Nach den bisherigen Ermittlungen kam es am Samstag gegen 22 Uhr zu einem | |
Streit zwischen mindestens zwei Deutschen und mindestens zwei Afghanen. Den | |
genauen Ablauf des Geschehens ließen die Behörden weiter offen. Die Tat sei | |
noch keine 48 Stunden her und man sei mitten in den Ermittlungen, sagte der | |
Leitende Oberstaatsanwalt aus Dessau-Roßlau, Horst Nopens. „Wir können nur | |
wiedergeben, was wir sicher wissen.“ | |
Die beiden festgenommenen 18 und 20 Jahre alten Afghanen sitzen wegen des | |
Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in Untersuchungshaft. | |
Der 18-Jährige besitzt eine Aufenthaltserlaubnis, der 20-Jährige lebt nur | |
geduldet in Deutschland und sollte eigentlich abgeschoben werden. Der | |
Landkreis hatte bereits im April seine Abschiebung beantragt, doch die | |
Staatsanwaltschaft versagte die Genehmigung, weil damals noch wegen | |
mehrerer Verfahren, unter anderem gefährlicher Körperverletzung, gegen ihn | |
ermittelt wurde. | |
Als die Verfahren abgeschlossen, beziehungsweise eingestellt waren, | |
beantragte der Landkreis im August erneut den Mann abzuschieben. Am | |
Donnerstag willigte die Staatsanwaltschaft ein. Das sei nun jedoch wegen | |
der aktuellen Sachlage hinfällig, so Keding. Das heißt, beide Afghanen | |
bleiben in Deutschland und in Haft. | |
10 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Chemnitz/!5534202/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Köthen | |
Sachsen-Anhalt | |
Rechtstextreme | |
Thügida | |
Holger Stahlknecht | |
Polizei | |
Protest | |
Köthen | |
Schwerpunkt Antifa | |
Horst Seehofer | |
Köthen | |
Köthen | |
Köthen | |
Demonstrationen | |
Köthen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neonazi David Köckert festgenommen: Möchtegern-Wolf hinter Gittern | |
Bei der rechten Kundgebung in Köthen fiel er mit einer Hetzrede auf. Nun | |
wurde Köckert wegen Sozialbetrugs festgenommen. | |
Jugendarbeiter über Rechtsextremismus: „Wir sind nicht mehr“ | |
Tobias Burdukat kritisiert den Hashtag #wirsindmehr. Wer in linken | |
Projekten im ländlichen Raum unterwegs ist, wisse: So ganz stimmt das | |
nicht. | |
Kommentar Merkel und ihr Innenminister: Problempersonalie Horst Seehofer | |
Merkels Kalkül, den Innenminister durch ganz viel Arbeit politisch | |
einzuhegen, geht gerade voll nach hinten los. Ihr bleibt nur ein – jedoch | |
riskanter – Move. | |
Rechtsextreme Rede in Köthen: Ein klarer Fall von Volksverhetzung | |
Wer von „Rassenkrieg“ faselt, stachelt zu Hass auf. Und wer Menschen zu | |
zerfleischenden Wölfen machen will, fordert Gewalt und Willkür. | |
Kommentar Neonazi-Aufmarsch: Der Mob von Köthen | |
Ganz nüchtern und sachlich betrachtet waren die rechtsextremen Hetzer vor | |
allem eins: ein Mob. Oder sollen wir Maaßen mal fragen? | |
Reaktionen auf Köthen: „Kein Problem einer einzelnen Stadt“ | |
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff verspricht Aufklärung. Nach | |
einem tragischen Todesfall hatten Neonazis nach Köthen mobilisiert. | |
Nach Chemnitz: Auf Köthens Straßen | |
Nach einem Todesfall in Sachsen-Anhalt mobilisieren rechte bis | |
rechtsextreme Gruppen nach Köthen. Viele, die mitlaufen, sind organisierte | |
Nazis. | |
Nach Streit in Sachsen-Anhalt: 22-Jähriger stirbt in Köthen | |
Zwei Afghanen wurden wegen Tatverdachts vorläufig festgenommen. Linke und | |
Rechte kündigen Demonstrationen an. |