# taz.de -- Rechte-Abbau in der Türkei: Erdoğan verhängt Ausnahmezustand | |
> Erst Putschversuch, dann Verhaftungen und Entlassungen. Nun regiert | |
> Erdoğan per Dekret – will aber die Demokratie beibehalten. | |
Bild: Starker Mann der Türkei nun noch stärker: Recep Tayyip Erdoğan | |
Istanbul dpa | Nach dem gescheiterten Putsch hat der türkische Präsident | |
Erdoğan den Ausnahmezustand verhängt. Das verkündete er in der Nacht zum | |
Donnerstag nach einer Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrates sowie | |
des Kabinetts in Ankara. Unter dem Ausnahmezustand kann Erdoğan weitgehend | |
per Dekret regieren. Grundrechte wie die Versammlungs- und die | |
Pressefreiheit können nach dem Gesetz zum Ausnahmezustand ausgesetzt oder | |
eingeschränkt werden. | |
Mögliche Bedenken versuchte Erdoğan gleich in mehreren nächtlichen | |
Ansprachen ans Volk zu zerstreuen. „Habt keine Sorge“, sagte er. „Es wird | |
im Ausnahmezustand definitiv keine Einschränkungen geben. Dafür garantieren | |
wir.“ Der Ausnahmezustand sei zum Schutz der Bevölkerung und „definitiv | |
nicht gegen Rechte und Freiheiten“ gerichtet. Ziel sei es, die Demokratie | |
und den Rechtsstaat wiederherzustellen. „Wir werden von der Demokratie | |
keinen Schritt abweichen.“ | |
Sorgen von Investoren versuchte der Präsident entgegenzutreten. | |
Wirtschaftsreformen würden „ohne Unterbrechung“ weitergeführt. | |
Finanzaktivitäten würden nicht eingeschränkt. Die türkische Lira stürzte | |
nach der Verhängung des Ausnahmezustands weiter ab. | |
Erdoğan wies Kritik aus der EU an seinem Kurs zurück. Mit Blick auf | |
Frankreich sagte er, auch europäische Länder hätten bereits bei weniger | |
gravierenden Anlässen den Ausnahmezustand verhängt. „Sie haben definitiv | |
nicht das Recht, die Türkei zu kritisieren.“ Zur Niederschlagung des | |
Putsches sagte Erdoğan: „Wir als türkisches Volk haben ein Heldenepos | |
geschrieben.“ | |
## Drohungen gegen Gülen | |
Über die Anhänger des Predigers Fethullah Gülen sagte Erdoğan: „Egal wohin | |
sie fliehen, wir sind ihnen auf den Fersen.“ Der Präsident forderte von den | |
USA erneut die Auslieferung Gülens, den Erdoğan für den Drahtzieher des | |
Putschversuches hält. | |
Erdoğan begründete den Ausnahmezustand mit Artikel 120 der Verfassung. | |
Dieser erlaubt den Schritt bei „weit verbreiteten Gewaltakten zur | |
Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Ordnung“ oder bei einem | |
„gravierenden Verfall der öffentlichen Ordnung“. Der Beschluss muss nun im | |
Amtsanzeiger veröffentlicht und ans Parlament übermittelt werden. Das | |
Parlament kann die Dauer des Ausnahmezustands verändern, ihn aufheben oder | |
ihn auf Bitte des Kabinetts verlängern. | |
Erstmals seit dem Putschversuch war am Mittwoch der Nationale | |
Sicherheitsrat unter Erdoğan zusammengekommen. Anschließend tagte das | |
Kabinett unter dem Vorsitz des Präsidenten, um über neue Maßnahmen im Kampf | |
gegen die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Gülen zu beraten. | |
Erdoğan macht Gülen für den Umsturzversuch aus den Reihen des Militärs mit | |
mehr als 260 Toten verantwortlich. | |
## Mit harter Hand gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger | |
Seit dem Putschversuch geht die Regierung mit harter Hand gegen mutmaßliche | |
Gülen-Anhänger vor. Zehntausende Staatsbedienstete wurden suspendiert, mehr | |
als 8.500 Menschen festgenommen. | |
Unter dem Ausnahmezustand können die Behörden beispielsweise | |
Ausgangssperren verhängen, Versammlungen untersagen und | |
Medien-Berichterstattung kontrollieren oder verbieten. Jahrelangen | |
Ausnahmezustand gab es früher in mehrheitlich kurdischen Provinzen im | |
Südosten des Landes. Dieser war zuletzt Ende 2002 in den Provinzen | |
Diyarbakir und Sirnak aufgehoben worden. | |
Im Nationalen Sicherheitsrat sind neben Erdoğan und Ministerpräsident | |
Binali Yildirim auch Kabinettsmitglieder und Militärführer vertreten, | |
darunter Armeechef Hulusi Akar. Akar war von den Putschisten aus den Reihen | |
des Militärs gefangen genommen und später befreit worden. | |
21 Jul 2016 | |
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