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# taz.de -- Reaktionen auf Wahl in Russland: Nur die AfD gratuliert Putin
> Bundeskanzler Olaf Scholz sendet Wladimir Putin keine Glückwünsche.
> Deutschland und die EU halten seine Wiederwahl nicht für rechtmäßig.
Bild: Keine Überraschung: Vladimir Putin vor einer weiteren sechsjährigen Amt…
BERLIN taz | Die Bundesregierung erkennt den [1][Wahlsieg von Amtsinhaber
Wladimir Putin] bei der russischen Präsidentschaftswahl „nicht als
rechtmäßig“ an. Die Bundesregierung sehe die Wahl als „weder frei noch
fair“ an, sagte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in
Berlin. „Es ist keine demokratische Wahl gewesen.“ Das Ergebnis habe
eindeutig bereits vorher festgestanden und der Wahlkampf sei von einem
„Klima der Einschüchterung“ geprägt gewesen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe Putin „nicht gratuliert“, sagte die
stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann weiter. Auch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Putin – anders, als in
solchen Fällen eigentlich üblich – nicht zu seiner weiteren Amtszeit. Das
Auswärtige Amt will ebenfalls nicht gratulieren, wie ein Sprecher am Montag
sagte.
Die [2][russische Präsidentschaftswahl vom Wochenende] wird von massiven
Manipulationsvorwürfen überschattet. Nach der Auszählung von 98 Prozent der
Stimmzettel erhielt Russlands Präsident Wladimir Putin laut der staatlichen
Wahlkommission mehr als 87 Prozent der Stimmen – ein Rekordergebnis, das
Beobachtern zufolge allerdings nur durch Repression, Zwang und Betrug
erreicht worden sein soll. Putin ist mittlerweile seit rund einem
Vierteljahrhundert in Russland an der Macht und steht damit vor einer
weiteren sechsjährigen Amtszeit.
## Wahlbüros in besetzten Gebieten
Die Bundesregierung verurteilt nach Angaben von Regierungssprecherin
Hoffmann auch, dass Russland die Wahl in den [3][besetzten Gebieten in der
Ukraine] abgehalten hat. Die Wahl sei „äußerst problematisch“, hieß es.
„Wir erkennen das natürlich in keiner Weise an, und nur die Ukraine hätte
das Recht, auf diesem Territorium auch Wahlen durchzuführen. Das ist unsere
Beurteilung dieser sogenannten Wahl, und deshalb hat der Bundeskanzler auch
nicht gratuliert“, sagte Hoffmann.
Einem Sprecher des Auswärtigen Amts zufolge hat die Bundesregierung auch
nicht vor, in irgendeiner anderen Form Putin zu gratulieren. Die
„Scheinwahlen“, die Russland abgehalten habe, beschränkten sich nicht nur
auf die Ukraine. Auch in Transnistrien sowie in den georgischen Gebieten
Abchasien und Südossetien habe Russland völkerrechtswidrig Wahlbüros
organisiert, erklärte der Sprecher. Hier werde versucht, über Abstimmungen
die Integrität der jeweils betroffenen Länder zu untergraben. „Wir werden
die Ergebnisse solcher Schein-Wahlen nicht anerkennen“, bekräftigte er.
Zur Frage, ob die Bundesregierung Putin dennoch als Präsident ansprechen
wolle, sagte Hoffmann, die Frage stelle sich derzeit nicht. Die Kontakte zu
Russland seien „sehr heruntergefahren“, auch wenn von deutscher Seite
grundsätzlich Gesprächsbereitschaft bestehe. Der Außenamtssprecher sagte,
der Kreml-Herrscher sei schon bisher von deutscher Seite nur „als Putin“
ohne Amtsbezeichnung genannt worden. Somit ändere sich nichts.
## Kritik und Spott aus der EU
Auch die EU will das Ergebnis der Abstimmung in Russland nicht anerkennen.
Sie sei weder frei noch fair gewesen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep
Borrell bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister am Montag in Brüssel.
Die Minister verabschiedeten eine Erklärung, in der sie große
Einschränkungen und die Abwesenheit von internationalen Wahlbeobachter
beklagen. Damit sei eine unabhängige Bewertung des Votums verweigert
worden. Die Wahlergebnisse in den von Russland besetzten ukrainischen
Gebieten seien unwirksam, so die EU weiter.
Offizielle Gratulationen an Präsident Waldimir Putin, wie sie sonst
international üblich sind, blieben aus. Der EU-Ratsvorsitzende Charles
Michel hatte sich bereits vor der Bekanntgabe der Ergebnisse über die
Abstimmung lustig gemacht. „Ich würde Wladimir Putin gerne zu seinem
Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren“, schrieb der
Belgier am vergangenen Freitag im Onlinedienst X. „Keine Opposition. Keine
Freiheit. Keine Auswahl“, fügte Michel hinzu.
## Glückwünsche aus Iran und Venezuela
So sarkastisch, wenn nicht zynisch hat die EU noch nie auf eine Wahl
reagiert. So wurde die Präsidentschaftswahl in der Türkei im Mai 2023 zwar
als unfair kritisiert, das Ergebnis jedoch nicht angezweifelt. Auch die
Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan am 7. Februar ging ohne ätzende
Kommentare aus Brüssel über die Bühne – obwohl Machthaber Ilham Alijew mit
angeblichen 92,5 Prozent der Stimmen noch „besser“ abschnitt als Putin.
Besonders scharfe Kritik kam aus dem Baltikum. „Recht kann nicht aus
Rechtlosigkeit entstehen“, erklärte Litauens Außenminister Gabrielius
Landsbergis am Montag in Vilnius. Er bezeichnete die Wahl als „eine
tragische Farce“. Auch die Außenministerien in Estland und Lettland
verurteilten die „sogenannten Wahlen in Russland“ scharf. „Putin fehlt
jegliche demokratische Legitimität, er ist ein Autokrat und das schon seit
langem“, teilte Estlands Außenminister Margus Tsahkna mit. Der Kremlchef
sollte vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung gezogen
werden. „Putins richtiger Platz ist in Den Haag.“
Die Vertreter westlicher Staaten sind sich in ihrer Kritik einig. Mit
Russland verbündete Staaten wie China gratulierten Putin hingegen zu seinem
Sieg. Auch der Iran, Venezuela, Nicaragua, Kuba und Bolivien gratulierten
dem russischen Staatschef. Am Donnerstag und am Freitag steht in Brüssel
das Gipfeltreffen des Europäischen Rates an – Kanzler Olaf Scholz (SPD)
will dazu am Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben.
## „Wahlbeobachter“ aus Deutschland
Kritik an Putins Wiederwahl kam indes auch aus der SPD: „Diese Fake-Wahl
war weder frei noch fair“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der
SPD-Bundestagsfraktion, Gabriela Heinrich: „Ernstzunehmende Gegenkandidaten
zu Putin wurden nicht zugelassen. Wichtige Oppositionelle,
Regimekritikerinnen und -kritiker sitzen in Straflagern, befinden sich im
Exil oder sind tot.“
Widerspruch kam aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht. „Es bringt nichts, die
Legitimität der russischen Wahl anzuzweifeln“, sagte Klaus Ernst,
stellvertretender Vorsitzender der BSW-Gruppe im Bundestag, bereits am
Freitag dem Tagesspiegel. „Damit beraubt man sich nur eines eigenen
Einflusses.“ Wagenknecht selbst bezeichnete die Wahl in Russland an anderer
Stelle als „Farce“.
Den ersten Preis im Wettkampf um Putins willfährigstes
Propaganda-Sprachrohr in der deutschen Politik dürfte an Hans-Thomas
Tillschneider von der AfD gehen. Der stellvertretende Landeschef
Sachsen-Anhalt, der auch in Kriegszeiten noch nach Russland reiste, gerne
bei Russia Today auftritt und bei Demos mit Russlandfahne herumläuft,
gratulierte „Wladimir Wladimirotisch Putin“ untertänigst auf Deutsch und
Russisch.
## Tillschneider wünscht sich deutschen Putin
Tillschneider wünschte sich zur Feier des Tages ein ähnliches Regime wie
Putins auch hierzulande: „Herzlichen Glückwunsch an ihn und an das
russische Volk. Ich wäre froh, wenn unsere Regierung unser Interesse so
wahren würde wie Putin das Interesse des russischen Volkes.“
Tillschneiders Positionen sind auch in der AfD nicht unumstritten. Drei
Landtagsabgeordnete aus Bayern hatten vor der Wahl angekündigt, als
„Wahlbeobachter“ nach Russland fahren zu wollen. [4][Sowohl die als
russlandfreundlich bekannte AfD-]Bayern als auch der Bundesvorstand
kritisierten das. (mit afp und dpa)
18 Mar 2024
## LINKS
[1] /Putins-verlaengerte-Praesidentschaft/!5996174
[2] /Wahlen-in-Russland/!5996064
[3] /Russisch-besetzte-Gebiete-der-Ukraine/!5958406
[4] /AfD-und-Russland/!5911068
## AUTOREN
Daniel Bax
Gareth Joswig
Eric Bonse
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Schwerpunkt AfD
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