# taz.de -- Reaktion des isolierten Golfstaates Katar: Truppenabzug mit Folgen | |
> Katar zieht seine Truppen zwischen Eritrea und Dschibuti ab. Die UN und | |
> die AU machen sich Sorgen wegen eines neu entfachten Grenzkonflikts. | |
Bild: Katar unterhält seit 2010 eine Truppe von nach eritreischen Angaben 450 … | |
BERLIN taz | Der Grenzkonflikt zwischen Dschibuti und Eritrea gehört zu den | |
obskureren der Welt. Die beiden Staaten am Roten Meer streiten sich um 165 | |
Quadratkilometer heiße Wüste, die die beiden einstigen Kolonialmächte | |
Frankreich (Dschibuti) und Italien (Eritrea) erst im Jahr 1900 zum | |
damaligen Französisch-Somaliland geschlagen hatten, dann aber 1935 zum | |
Afrikareich des Italieners Mussolini, in einem nie ratifizierten Abkommen. | |
Die Grenzziehung von 1900 gilt als die gültige, da 1954 ein neues | |
Grenzprotokoll zwischen Frankreich und Äthiopien – damals die | |
Besatzungsmacht in Eritrea – sie bestätigte. Aber sie wurde nie am Boden | |
vollständig demarkiert, sie teilt eine schmale Halbinsel in zwei, und seit | |
1900 ist ein Teil davon zu einer Insel geworden, deren Zugehörigkeit offen | |
ist. So gibt es viel Streitpotential. Nun erwacht dieses zu neuem Leben: | |
Eritrea hat den umstrittenen Grenzstreifen besetzt, nachdem eine dort | |
stationierte Überwachungstruppe aus Katar abzog. | |
Das ist eine kuriose Konsequenz der Golfkrise, die mit der Isolierung | |
Katars durch die anderen arabischen Staaten wegen angeblicher Unterstützung | |
des internationalen Terrorismus und des Iran aufgebrochen ist. Katar | |
unterhält seit 2010 eine Truppe von nach eritreischen Angaben 450 Soldaten | |
im umstrittenen Grenzgebiet, infolge einer erfolgreichen Vermittlung zur | |
Beendigung eines Grenzkrieges im Jahr 2008, als Eritrea die | |
Mussolini-Grenze in der Wüste militärisch durchzusetzen versuchte. | |
Am vergangenen Mittwoch verkündete Katar den Abzug dieser Truppe. Kurz | |
darauf erklärte Eritreas Vertretung bei der Afrikanischen Union (AU), | |
Eritrea habe die Pufferzone besetzt. Nun ist Dschibuti empört und am | |
Montagnachmittag sollte sich der UN-Sicherheitsrat mit der Lage befassen. | |
## Unklarheit über Militärbasen in Eritrea | |
Denn so klein das Streitobjekt erscheint, so groß ist seine Bedeutung. | |
Dschibuti ist ein wichtiger Verbündeter des Westens im Kampf gegen | |
islamistischen Terror am Horn von Afrika; es beherbergt Militärbasen | |
Frankreichs, der USA, Chinas, Japans und Saudi-Arabiens, und auch | |
Kriegsschiffe aus Deutschland und der EU zur Bekämpfung der Piraterie vor | |
Somalia machen hier Station. | |
Eritrea hingegen ist international ein Pariastaat – nicht nur, weil es eine | |
finstere Diktatur ist, aus der zahlreiche Menschen Richtung Europa fliehen, | |
sondern auch, weil es von UN-Experten verdächtigt wird, in Somalia | |
Islamisten zu unterstützen – als Gegengewicht zur somalischen Regierung, | |
die dem großen Nachbarn Äthiopien nahesteht, von dem sich Eritrea einst in | |
einem jahrzehntelangen Guerillakrieg freikämpfte. | |
Welche Länder alles in Eritrea Militärbasen unterhalten oder planen, vor | |
allem auf Inseln im Roten Meer, ist nicht völlig klar: genannt wurden in | |
den letzten fünf Jahren Iran, Israel, Ägypten, Saudi-Arabien und die | |
Vereinigten Arabischen Emirate. Von den Arabischen Emiraten ist bekannt, | |
dass sie am osteritreischen Hafen Assab eine große Marinebasis errichtet | |
haben, von der aus sie als Verbündeter Saudi-Arabiens Krieg in Jemen gegen | |
die dortigen proiranischen Huthi-Rebellen führen. | |
## Mehrheitlich Position für Saudi-Arabien bezogen | |
Doch Dschibuti ist ebenfalls mit der saudischen Koalition verbündet. | |
Nachdem Saudi-Arabien nun die Initiative ergriffen hat, Katar politisch und | |
ökonomisch zu isolieren, fühlen sich katarische Truppen offensichtlich | |
nicht wohl in einer Pufferzone zwischen zwei saudischen Freunden in Afrika. | |
Afrikanische Staaten haben mehrheitlich Position für Saudi-Arabien im | |
Streit mit Katar bezogen. Lediglich Sudan hat die Blockade gegen Katar | |
„bedauert“. Als neutral gilt auch Äthiopien, das zwar 2008 seine | |
Beziehungen zu Katar wegen dessen Freundschaft mit Eritrea abbrach, aber | |
2016 neue Partnerschaftsabkommen unterzeichnete und vor zwei Monaten den | |
Emir von Katar empfing. | |
Eine Konfrontation zwischen Eritrea und Dschibuti ist keine Übertragung des | |
saudisch-katarischen Konflikts auf Afrika, weil beide Länder in diesem auf | |
einer Seite stehen. Sie zeigt aber, was alles passieren kann, wenn Katar – | |
das über Investitionen und den TV-Sender al-Jazeera in Afrika sehr präsent | |
ist – sich zurückzieht. Und ein Konflikt zwischen Eritrea und Dschibuti hat | |
das Potential, mehr militärisch bereits präsente Verbündete der beiden | |
Länder auf den Plan zu rufen als so ziemlich jeder andere Grenzkonflikt der | |
Welt. | |
20 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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