# taz.de -- Razzia bei rechten Fans: Fußball, Kampfsport, Politik | |
> Im Umfeld der Hooligans von „Inferno Cottbus“ wird wegen Bildung einer | |
> kriminellen Vereinigung ermittelt. 20 Personen stehen unter Verdacht. | |
Bild: Viel zu lange geduldet: Inferno Cottbus zeigt sich im Stadion | |
BERLIN taz | Mit einer Razzia ist die Polizei am Mittwochmorgen in vier | |
Bundesländern gegen das rechtsextreme Hooligan-Milieu vorgegangen. Zentrum | |
der Aktion waren die Stadt Cottbus und die dort ansässige, angeblich | |
aufgelöste Hooligan-Gruppierung „Inferno Cottbus“. Ermittelt wird unter dem | |
Verdacht auf „Bildung einer kriminellen Vereinigung“; konkret richtet sich | |
die Aktion nach RBB-Informationen gegen zwanzig Personen. Sie stammen aus | |
der Neonazi-, Kampfsport- und Hooliganszene, die sich in den vergangenen | |
Jahren nicht nur in Cottbus stark vernetzt hat und zunehmend selbstbewusst | |
innerhalb und außerhalb der Stadien agiert. | |
Im konkreten Fall geht es unter anderem um Bedrohung, Körperverletzung und | |
illegalen Waffenbesitz. „Inferno Cottbus“ soll außerdem mittels | |
rechtsextremer Kampfsportevents gute Kontakte ins Ausland entwickelt haben, | |
unter anderem nach Polen, und dort mit der organisierten Kriminalität | |
vernetzt sein. Bei der Razzia wurden in Brandenburg etwa 30 Objekte | |
durchsucht, außerdem auch Gebäude in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und | |
Sachsen. Festnahmen gab es zunächst keine. | |
Die 1999 gegründete Gruppe „Inferno Cottbus“ hält die Fanszene beim | |
Drittligisten Energie Cottbus seit vielen Jahren fest im Griff. Sie gilt | |
spätestens seit der Spaltung 2002 als Sammelbecken für Neonazis, | |
Kampfsportler und Hooligans. Obwohl das Problem lange bekannt ist, hielt | |
sich der Verein die meiste Zeit gegen die rechtsextremen Anhänger höflich | |
zurück oder saß sogar offen mit ihnen zusammen. Schon früher gerieten Nazis | |
von „Inferno“ ins Visier von Ermittlungen und Berichterstattung, etwa als | |
Mitglieder der 2012 verbotenen Neonazi-Organisation „Widerstandsbewegung | |
Südbrandenburg“, mit Kontakten zur rechtsextremen Gruppe „Firma 18“, oder | |
mit Aufmärschen beim rassistischen Verein „Zukunft Heimat“. | |
Es gibt enge Überschneidungen zum Rechtsrocker- und Türstehermilieu. Nach | |
zunehmender bundesweiter Berichterstattung hat sich „Inferno“ 2017 zwar | |
offiziell aufgelöst, gilt aber hinter den Kulissen und auch im Stadion als | |
weiterhin unbenommen aktiv. Dazu gehören auch Drohungen und Angriffe, etwa | |
auf den alternativen Jugendclub „Chekov“ und gegen politisch neutrale | |
Ultragruppen wie die einst große „Ultima Raka“, die unter dem Druck ihre | |
Aktivitäten im September 2017 auf unbestimmte Zeit einstellte. | |
## Wohlwollende Duldung durch den Klub | |
Unter wohlwollender Duldung durch Verantwortliche bei Energie Cottbus soll | |
„Inferno“ in der Stadt ein mafiöses Netzwerk aufgebaut haben, zu dem | |
Rechtsrock-Label, Mode-Label, Tattoo-Studios, Kampfsportler und | |
Security-Unternehmen zählen; laut Rechtsextremismus-Forscher Robert Claus | |
ein „echter Wirtschaftsfaktor“ in Cottbus. | |
Erst in den letzten Jahren, im Nachgang personeller Wechsel in der | |
Vereinsführung, hat der Klub stärkere Versuche unternommen, sich gegen die | |
Rechten zur Wehr zu setzen. Bislang wenig erfolgreich: Schlagzeilen machten | |
etwa Vorfälle während des Ligaspiels beim SV Babelsberg 2017, wo | |
Energie-Fans unter anderem durch den Hitlergruß und den Spruch „Arbeit | |
macht frei: Babelsberg 03“ auffielen. | |
Eine Zaunfahne der neuen, unabhängigen Initiative „Energie Fans gegen | |
Nazis“ wurde bezeichnenderweise bei der Neuauflage des Babelsberg-Spiels | |
2018 wohl durch Rechtsextreme aus dem eigenen Block vom Zaun gerissen. Den | |
Aufstieg in die Dritte Liga im Sommer 2018 feierten einige Cottbus-Anhänger | |
mit einem Aufmarsch im Ku-Klux-Klan-Look. Und gute Kontakte hat „Inferno“ | |
auch zu anderen Rechtsextremen wie denen bei „Kaotic Chemnitz“, die | |
ebenfalls trotz Stadionverboten kräftig mobilisieren. | |
Die Razzia am Mittwochmorgen war nach Tagesspiegel-Informationen die Folge | |
von Ermittlungen, die bereits 2017 im Nachgang einer nächtlichen | |
Neonazi-Demo in Cottbus begannen. In diese Zeit fielen auch gewalttätige | |
Auseinandersetzungen in der Fanszene um die Vorherrschaft in der Kurve. Die | |
haben die Rechten vorerst für sich entschieden. | |
10 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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