| # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Jämmerliche Bankrotterklärung | |
| > Beim Chemnitzer FC muss dringend über Neonazis gesprochen werden. Der | |
| > Verein will die Debatte jedoch lieber ersticken. | |
| Bild: Leere Worte: Dass der Chemnitzer FC voriges Jahr „Toleranz“ zelebrier… | |
| Zurück in die Normalität! Dieses katastrophale Signal setzte der Chemnitzer | |
| FC am Donnerstag. Jahrelang hat man beim Regionalligisten den Mantel des | |
| Schweigens über seine massiven Probleme mit der rechtsextremen Fanszene | |
| gelegt und deren Dominanz in der Kurve somit mitzuverantworten. Seit | |
| Samstag aber herrscht der Ausnahmezustand – in ganz Deutschland spricht man | |
| über das Naziproblem des Vereins, nachdem mit Hilfe von | |
| Klubverantwortlichen dem verstorbenen [1][Neonazi Thomas Haller], dem | |
| Begründer der Hoonara (Hooligan, Nazis, Rassisten), [2][im Stadion | |
| gehuldigt wurde]. | |
| Das soll nun endlich aufhören! Also diese Debatten über das Versagen des | |
| Vereins. Der den Chemnitzer FC derzeit führende Insolvenzverwalter Klaus | |
| Siemon hatte die Journalisten zusammengerufen, „weil wir ein Stück weit das | |
| Thema jetzt abschließen wollen, damit wir aus dem irrationalen Zustand | |
| herauskommen, und wieder normal ins operative Geschäft kommen“. | |
| Auch der Sportchef Thomas Sobotzik sprach sich für Mäßigung aus, weil seine | |
| Spieler allerorten damit konfrontiert seien, bei einem Naziverein zu | |
| spielen. Ein Appell, der an alle gerichtet war, denen etwas an der Region | |
| Chemnitz liegt. Für all diejenigen in Chemnitz, denen etwas an der | |
| Auseinandersetzung des Klubs mit seiner dominanten rechten Fanszene liegt, | |
| war es eine jämmerliche Bankrotterklärung. | |
| Der Klub hält weiter an seiner [3][Opfererzählung] fest, nach welcher der | |
| mittlerweile zurückgetretene Veranstaltungsleiter allein die Verantwortung | |
| für alles zu tragen habe, weil er sich erpressen ließ. Andere Aufgaben darf | |
| er für den Klub im Unterschied zu drei Angestellten, denen die Kündigung | |
| ausgesprochen wurde, weiter ausüben. Die Klubführung des Chemnitzer FC | |
| drückt sich mit ihrer Opferhaltung und individuellen Schuldzuweisungen um | |
| die Aufarbeitung struktureller Probleme. | |
| ## Der Verein begibt sich in die Opferrolle, statt zu handeln | |
| Mittlerweile öffentlich gewordene Chatprotokolle weisen daraufhin, dass der | |
| Hooligan und Neonazi Thomas Haller im Verein eine verbreitete Wertschätzung | |
| genoss. Der Sicherheitsbeauftragte etwa schrieb: „Ich bin dafür. Wir finden | |
| eine Lösung für die Außendarstellung. Hoonara ist 20 Jahre her. Er hat sich | |
| seitdem mehr als stark gemacht für den Verein.“ | |
| Sechs Tage nach dem Nazigedenkveranstaltung im eigenen Stadion hätte man | |
| sich das Startsignal für eine offene Debatte gewünscht, statt eines | |
| Versuchs, Diskussionen zu ersticken. Es wäre an der Zeit gewesen, einen | |
| Maßnahmenkatalog vorzustellen, wie der Chemnitzer FC sich künftig aus dem | |
| Klammergriff von Rechtsextremisten lösen möchte. Denkbar wäre etwa gewesen, | |
| unabhängige Experten mit der Aufarbeitung der Geschehnisse zu beauftragen, | |
| eine Evaluierung der bisherigen Arbeit des Fanprojekts anzukündigen und | |
| neue Impulse, etwa die Zusammenarbeit mit antirassistischen | |
| Netzwerkpartnern, zu setzen. | |
| Es hätten hoffnungsvolle Zeichen für alte und mögliche neue Sponsoren sein | |
| können. Stattdessen beklagte die Vereinsführung, man fühle sich von nun | |
| abwandernden Sponsoren im Kampf gegen rechts im Stich gelassen. Der | |
| Chemnitzer FC ist es, der all jene im Stich lässt, die sich von | |
| Rechtsextremen nicht vereinnahmen und einschüchtern lassen wollen. | |
| In einem Fanforum des Vereins werden diejenigen für verrückt erklärt, die | |
| vorschlagen, aus eigener Initiative ein Zeichen zu setzen. Es heißt, man | |
| wolle lieber nicht auf offener Straße angegriffen werden oder Hausbesuche | |
| erhalten. Von einem Verein, der vor allem wieder normal ins operative | |
| Geschäft kommen möchte, können sie sich nicht geschützt fühlen. Die im | |
| Chemnitzer Stadion ausgehängten Bekenntnisse zur Toleranz wirken seit | |
| diesem Donnerstag hohler denn je. | |
| 15 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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