| # taz.de -- Nach Trauerfeier um Neonazi: Chemnitzer FC zieht die Notbremse | |
| > Erst trauert der Fußballclub bei einem Ligaspiel um einen verstorbenen | |
| > Neonazi. Nun rudert der Verein zurück – und stellt sich als Opfer dar. | |
| Bild: Nähe von Spielern und Szene: Ein Spieler des FC ehrt den verstorbenen Ne… | |
| Die Kehrtwende am Montagmorgen wirkte sehr brüsk. Der Chemnitzer FC | |
| erklärte in einer Pressemitteilung, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen | |
| „wegen aller in Betracht kommenden Delikte“. | |
| Sinngemäß sagte Klaus Siemon, der Insolvenzverwalter des Vereins, im | |
| Vergleich zu den sonstigen Regionalligaspielen sei alles so anders gelaufen | |
| an diesem Samstag, dass man nun klären müsste, wie das passieren konnte. | |
| Zuständige Mitarbeiter im Verein hätten von Drohungen durch die eigenen | |
| Fans gesprochen. Es liege der Anfangsverdacht einer „schwerwiegenden | |
| Nötigung“ vor. | |
| Einem verstorbenen Neonazi wird in der Tat nicht jeden Spieltag im | |
| Chemnitzer Stadion an der Gellertstraße mit Hilfe der | |
| Vereinsverantwortlichen gehuldigt. Dieser Vorgang ist einmalig in der | |
| Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Vor der Partie gegen den VSG | |
| Altglienicke gedachte man beim Chemnitzer FC des kurz zuvor verstorbenen | |
| Thomas Haller, der in den 90-er Jahren die Vereinigung „Hoonara“ | |
| ([1][Hooligans Nazis Rassisten]) mit begründete, bis er 2007 mit seiner | |
| Sicherheitsfirma den Ordnungsdienst beim Chemnitzer FC organisierte und bis | |
| zuletzt als leidenschaftlicher Fan des Vereins galt. | |
| Für die Trauer um Haller hatte der Chemnitzer FC den Fans eine Choreografie | |
| genehmigt. Ein schwarzes Transparent mit einem weißen Kreuz wurde | |
| präsentiert, begleitet von einer Pyro-Show. Auf der Videowand wurde ein | |
| Foto von Haller eingeblendet, in einer Rede gedachte man seiner Verdienste. | |
| Und in der ersten Stellungnahme des Vereins am Sonntag war noch nichts zu | |
| hören von möglichen Nötigungen durch die Chemnitzer Fanszene. Im Gegenteil, | |
| der Klub [2][verteidigte das Geschehene] und sprach von einem „Gebot der | |
| Mitmenschlichkeit“, den Fans und Hinterbliebenen „die gemeinsame Trauer zu | |
| ermöglichen“. | |
| ## Es drohen massive Sanktionen | |
| Nun betrachtet der Verein sich also als Opfer. In der Pressemitteilung von | |
| Montag hieß es, es lägen Erkenntnisse vor, „dass einschlägig bekannte | |
| Personen aus der rechtsextremen Szene“ außerhalb von Chemnitz angereist | |
| seien. Die vom Juristen Siemon eingeleitete Kehrtwende macht natürlich | |
| Sinn. Der Chemnitzer FC fürchtet um seine Existenz. Finanziell hat sich der | |
| Klub unter Insolvenzverwalter Siemon gerade mühselig konsolidiert und ist | |
| als unangefochtener Tabellenführer auf dem Weg in die Dritte Liga. | |
| Nach den Ereignissen von Samstag hat der Nordostdeutsche Fußballverband | |
| (NOFV) Ermittlungen angekündigt. Es drohen massive Sanktionen. | |
| Geschäftsführer Holger Fuchs sagte zwar am Montag der taz, er wolle keine | |
| Bewertungen vornehmen und die Ermittlungen abwarten, beim Deutschen | |
| Fußball-Bund ist man indes deutlicher. Vizepräsident Rainer Koch sagte: | |
| „Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von den Vorkommnissen.“ | |
| Man vertraue darauf, dass der NOFV die richtigen Maßnahmen einleiten werde. | |
| Die Sparkasse Chemnitz, der Brustsponsor des Vereins, kündigte eine Prüfung | |
| an, ob man seine Leistungen mit sofortiger Wirkung einstellen werde. Der | |
| Ausstieg war bereits vorher beschlossen. | |
| Die Opfererzählung der Vereinsführung stehen jedoch einige Fakten entgegen. | |
| Die Polizei Chemnitz erklärte, in Sicherheitsbesprechungen vor der | |
| Durchführung des Traueraktes gewarnt zu haben. Wenn dieser tatsächlich | |
| wegen massiver Gewaltandrohungen aus der Fanszene dennoch abgehalten wurde, | |
| stellt sich die Frage, warum die Partie nicht abgesagt wurde. | |
| ## Persönliche Nähe zur rechten Szene | |
| Und die vom Chemnitzer FC ausgesprochenen Kündigungen des Pressesprecher | |
| Maximilian Glös, des Stadionsprechers Olaf Kadner und der Fanbeauftragten | |
| Peggy Schellenberger müssen als Eingeständnis eigener Fehlleistungen | |
| gelesen werden. Mit seinem Rücktritt hatte zudem der kaufmännische | |
| Geschäftsführer Thomas Uhlig bereits Verantwortung für die Vorkommnisse im | |
| Stadion übernommen. | |
| Insbesondere die Personalie Peggy Schellenberger weist auf ein Grundproblem | |
| beim Chemnitzer FC hin. Die persönliche Nähe vieler Verantwortungsträger im | |
| Verein zur rechtsextremen Fanszene ist zu groß. Via Facebook hatte | |
| Schellenberger, die für die SPD im Stadtrat von Chemnitz sitzt, dem Neonazi | |
| Thomas Haller schon am Samstagmorgen nachgerufen: „Wir waren immer fair, | |
| straight, unpolitisch und herzlich zueinander.“ Mittlerweile wurde der Post | |
| gelöscht. Der große Einfluss der rechtsextremen Szene beim Chemnitzer FC | |
| hat mit der Überzeugung vieler Klubmitarbeiter zu tun, man könne Politik | |
| und Sport so einfach trennen. | |
| Am Samstag demonstrierte etwa der Spieler Daniel Frahn bei seinem Torjubel | |
| seine Nähe zum verstorbenen Thomas Haller. Der Präsident des Vereins, | |
| Andreas Georgi, der schon im Dezember seinen baldigen Rückzug ankündigte, | |
| stand jahrelang bei den Ultras auf der Südtribüne. Als Anwalt hat er einige | |
| Anhänger auch „wegen Ordnungswidrigkeiten“, wie er einst gegenüber der taz | |
| einräumte, vertreten. | |
| Die Ankündigung des Insolvenzverwalters Siemon, den Chemnitzer FC [3][zum | |
| Bollwerk gegen Rechtsradikalismus] zu machen, klangen bereits September | |
| reichlich realitätsfern. Dies war damals eine Reaktion auf eine | |
| rechtsextreme Demonstration in Chemnitz, zu der die verbotene | |
| Fangruppierung Kaotic Chemnitz wegen eines Mordes auf einem Stadtfest | |
| aufgerufen hatte. Dabei wurden Ausländer durch die Straßen gejagt. | |
| ## Nachfragen in der Südtribüne unerwünscht | |
| Beim ersten Heimspiel danach warb der Verein damals plakativ für Toleranz | |
| und Demokratie. Der Versuch der taz, mit Zuschauern vor der Südtribüne ins | |
| Gespräch zu kommen, wurde mit einem Platzverweis sofort unterbunden. Ein | |
| Fan hatte mit dem Pressesprecher und einem szenekundigen Polizeibeamten im | |
| Schlepptau ein Gespräch mit bereitwilligen Anhängern unterbunden. Die | |
| beidem Amtsträger verhielten sich wie seine Lakaien. | |
| Übrigens kam es auch in Cottbus zu einer Würdigung des Neonazis Haller. | |
| Beim Drittligaspiel am Samstag gegen Preußen Münster hing im Innenraum ein | |
| Banner mit der Aufschrift „Ruhe in Frieden Tommy“. Der Pressesprecher des | |
| Vereins, Stefan Scharfenberg-Hecht, sagte: „Den Verantwortlichen war zu | |
| diesem Zeitpunkt nicht bekannt, um welche Person es sich hierbei handelte.“ | |
| Auch in Cottbus dominieren Rechtsextreme die Fanszene. Die verbotene | |
| Gruppierung Inferno unterhält seit vielen Jahren beste Beziehungen nach | |
| Chemnitz. | |
| NaN NaN | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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