| # taz.de -- Rassismus und Polizeigewalt in den USA: Trauma und Schmerz | |
| > Die Proteste nach der tödlichen Polizeigewalt gegen George Floyd in | |
| > Minneapolis ebben nicht ab. Die Beamten sind mangels Beweisen auf freiem | |
| > Fuß. | |
| Bild: Flammende Wut: Die Proteste in Minneapolis gehen weiter | |
| New York taz | In der dritten Nacht nach dem Tod von George Floyd geht am | |
| späten Donnerstagabend eine Polizeiwache in der US-Großstadt Minneapolis in | |
| Flammen auf. Hunderte von wütenden jungen Menschen, die das Gebäude | |
| belagert haben, stürmen hinein. | |
| Es war der Arbeitsplatz des weißen Polizisten, der am Montag Nachmittag | |
| sein Knie mehr als fünf Minuten lang in den Nacken des mit Handschellen | |
| gefesselten bäuchlings auf dem Asphalt liegenden schwarzen Mannes gedrückt | |
| hat. Mit seinen letzten Worten rief das Opfer nach seiner Mutter und | |
| röchelte: „[1][Ich kann nicht atmen]“. | |
| Passanten flehten um sein Leben. Eine junge Frau filmte die Szene. Doch der | |
| Polizist ließ nicht locker – bis die Krankentransporter kamen, die keinen | |
| Puls mehr feststellen konnten und den leblosen Körper des 46-Jährigen | |
| abtransportierten. | |
| Das brutale Video von George Floyds Tod ist um die Welt gegangen. Es hat | |
| für größere Proteste und für schnellere Reaktionen gesorgt, als jede andere | |
| vorausgegangene [2][polizeiliche Gewalttat gegen einen schwarzen Menschen]. | |
| ## Verständnis für die Wut | |
| Weniger als 24 Stunden nach der Tat werden der Polizist und seine drei | |
| Kollegen, die seinem Treiben untätig zugesehen hatten, entlassen. Der weiße | |
| Bürgermeister von Minneapolis und der schwarze der Nachbarstadt St. Paul, | |
| zwei junge Demokraten vom linken Flügel der Partei, äußern Verständnis für | |
| die Wut der jungen Leute. | |
| Dahinter stecken „nicht nur fünf Minuten Horror, sondern 400 Jahre | |
| Geschichte“, befindet Bürgermeister Jacob Frey in Minneapolis. Sein | |
| schwarzer Polizeichef Medaria Arradondo spricht von dem „Trauma und dem | |
| Schmerz“ in der Stadt. Das FBI ermittelt. | |
| Die weit rechts stehende Polizeigewerkschaft „Fraternal Order of Police“ | |
| erinnert an die Selbstverständlichkeit, dass Polizisten zu Hilfeleistungen | |
| für Menschen in Not verpflichtet sind. | |
| In Washington spricht die Chefin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, | |
| von einer „Exekution vor laufender Kamera“. Und Präsident Donald Trump | |
| nimmt am Donnerstag einen zweiten Anlauf zu einer Reaktion und sagt, dass | |
| er sich „sehr, sehr schlecht fühle“. Als wären seine Gefühle das | |
| Wichtigste. | |
| ## Nicht genug Beweise | |
| Aber der Polizist, der das Leben aus George Floyd herausgepresst hat und | |
| seine drei Komplizen sind weiterhin auf freiem Fuß. „Nicht genug Beweise“, | |
| erklärt der Bezirksstaatsanwalt, der ihre Verhaftung anordnen könnte, am | |
| Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Mike Freeman will sich Zeit für die | |
| Ermittlungen nehmen, „um es richtig zu machen“. | |
| George Floyd hat sein Leben wegen einer Bagatelle verloren. In einem | |
| Lebensmittelladen, der wenige Schritt von seinem Todesort entfernt ist, hat | |
| er mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt. Darauf hat die | |
| Kassiererin wie in solchen Fällen üblich die Polizei verständigt. | |
| Entgegen der ursprünglichen Behauptung der Polizei zeigt das Video einer | |
| Überwachungskamera, dass George Floyd keinen Widerstand gegen seine | |
| Festnahme geleistet hat. Der Besitzer des Lebensmittelladens kannte ihn als | |
| einen freundlichen Stammkunden. „Vielleicht wusste er gar nicht, dass der | |
| Schein gefälscht war“, fügt Mahmoud Abumayyaleh hinzu. | |
| Eine weiße Freundin des Toten sagt: „Wir haben einen Engel verloren“. | |
| Philonise Floyd, ein Bruder des Toten, schluchzt vor einer Kamera des | |
| Fernsehsenders CNN, als er über die Randale in Minneapolis sagt: „Natürlich | |
| möchte ich, dass die Leute friedlich bleiben. Aber ich verstehe sie. Sie | |
| haben es satt, dass schwarze Männer getötet werden. Da ist jede Menge | |
| Schmerz“. | |
| ## Quer durch die USA | |
| Trotz Pandemie finden bis Donnerstag Abend quer durch die USA | |
| Demonstrationen für George Floyd statt. Die größten, mit jeweils tausenden | |
| Menschen, sind in Minneapolis. Am Mittwoch und am Donnerstag waren es | |
| jeweils mehr als ein halbes Dutzend. | |
| Anders als sonst, wenn es um rassistische Polizeigewalt geht und schwarze | |
| Bürgerrechtler allein bleiben, sind dieses Mal viele Weiße dabei. Der | |
| Bundesstaat Minnesota ist eine Hochburg der Nachfahren von Einwanderern aus | |
| Skandinavien. Und auch in den Twin Cities, in denen 3.6 Millionen Menschen | |
| leben, sind nur knapp 19 Prozent der Bewohner schwarz. | |
| In den vergangenen Jahren haben neben den beiden jungen Bürgermeistern auch | |
| andere Linke ihre Karrieren in Minnesota gestartet. Darunter Ilhan Omar, | |
| die als Flüchtling aus Somalia in die USA gekommen ist und seit 2018 eine | |
| der progressiven Stimmen im Repräsentantenhaus ist. | |
| Und Andrea Jenkins, die als erste schwarze Transgender-Frau Vizepräsidentin | |
| in einem Stadtrat der USA wurde. Am Donnerstag tritt Jenkins in Minneapolis | |
| vor die Presse und singt ein Amazing Grace. Anschliessend verlangt sie, | |
| dass der Rassismus zu einer Frage der öffentlichen Gesundheit erklärt wird. | |
| „So lange wir die Krankheit nicht benennen“, sagt sie, „können wir sie | |
| nicht heilen“. | |
| 29 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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