| # taz.de -- Nach Tötung von George Floyd in Minneapolis: Anklage gegen Ex-Poli… | |
| > Vier Tage nach seiner Tat, ist Derek C. in Haft gekommen. Ihm wird Mord | |
| > dritten Grades zur Last gelegt. Doch die Proteste gegen Polizeigewalt | |
| > dauern an. | |
| Bild: Am Freitagabend brachten sich erneut Polizisten in Kampfmontur auf den St… | |
| NEW YORK taz | Vier Tage mussten vergehen. Erst am Freitag ist der | |
| 44-jährige weiße Ex-Polizist Derek C. in Minneapolis festgenommen worden. | |
| Acht Minuten und 46 Sekunden lang hatte er auf dem Nacken eines | |
| unbewaffneten schwarzen Mannes gekniet. In seinen letzten bewussten | |
| Momenten hatte [1][George Floyd] geröchelt: „Ich kann nicht atmen.“ Hatte | |
| nach seiner Mutter gerufen. | |
| Nun ist Derek C. wegen Mord dritten Grades und Totschlag angeklagt. Im | |
| Falle einer Verurteilung drohen ihm maximal 25 Jahre. Die drei anderen | |
| Polizisten, die an der Festnahme wegen eines gefälschten 20-Dollar-Scheins | |
| beteiligt waren und von denen keiner etwas unternahm, um das Leben von | |
| George Floyd zu retten, befinden sich weiterhin auf freiem Fuß. | |
| Staatsanwalt Mike Freeman, der noch einen Tag zuvor erklärt hatte, dass er | |
| nicht genügend Beweise für eine Anklage habe, verkündete am Freitag vor | |
| JournalistInnen in Minneapolis das Gegenteil. Unter anderem erwähnte | |
| Freeman das Handy-Video, das eine 17-jährige Passantin von der brutalen | |
| Szene auf der Südseite von Minneapolis gedreht hatte. Er kündigte an, dass | |
| weitere Anklagen gegen den Polizisten möglich sind. Dass dessen drei | |
| Komplizen weiterhin auf freiem Fuß sind, begründete Freeman damit, dass er | |
| sich zunächst auf den „gefährlichsten Täter“ konzentrieren wolle. | |
| Die [2][Proteste gegen rassistische Polizeigewalt], die sich wie ein | |
| Lauffeuer quer durch die USA ausgebreitet haben und jeden Tag dieser Woche | |
| stärker geworden sind, gingen auch nach der Anklageerhebung weiter. Nur | |
| Stunden später zog eine weitere Großdemonstration durch Minneapolis. Sie | |
| machte dem Ruf der Stadt als einer linken Hochburg alle Ehre. | |
| Tausende beteiligten sich, darunter junge und alte, weiße und schwarze | |
| Menschen, komplette Familien. Gemeinsam legten sie eine Schweigeminute für | |
| den toten George Floyd ein. Dabei knieten sie in derselben Position nieder, | |
| die [3][der American-Football-Spieler Colin Kaepernick] an vielen Sonntagen | |
| auf dem Spielfeld während der Nationalhymne eingenommen hatte, um gegen | |
| Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren. US-Präsident Donald Trump | |
| beschimpfte den Football-Star deswegen schon als „son of a bitch“ (einen | |
| Hurensohn). | |
| Am Freitag kündigte Kaepernick an, dass er die Anwaltskosten für | |
| DemonstrantInnen übernehmen will, die bei den Protesten in Minneapolis | |
| festgenommen werden. Auch zahlreiche andere Prominente – von Beyoncé bis | |
| Barack Obama – unterstützen die DemonstrantInnen in den „Sozialen Medien�… | |
| bei Demonstrationen und mit Geldspenden. | |
| ## „Wir können nicht atmen“ | |
| Am Freitagabend trat nach 20 Uhr erstmals das nächtliche Ausgangsverbot in | |
| Kraft, das der demokratische Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey für | |
| zwei Tage verhängt hat. Doch die Straßen der Stadt leerten sich nicht. | |
| Erneut gingen Schaufenster zu Bruch. Kurz vor Mitternacht berichtete | |
| CNN-Reporterin Sara Sidner vor dem Hintergrund von brennenden Autos live | |
| aus Minneapolis. Sie wunderte sich, dass weder die seit Donnerstag nach | |
| Minneapolis geschickten Nationalgardisten noch Polizisten zu sehen waren. | |
| „Sagt seinen Namen“ und „Wir können nicht atmen“, skandierten am Freit… | |
| auch Zigtausende Menschen in anderen Städten – vom kalifornischen San Jose | |
| über das texanische Dallas bis nach Atlanta und Boston. In New York kam es | |
| am Vorabend bei Protesten zu Dutzenden Festnahmen. | |
| Am Freitagabend fanden in New York gleich zwei Demonstrationen statt, die | |
| Gerechtigkeit für George Floyd forderten. In Manhattan erschienen die | |
| TeilnehmerInnen in Schwarz auf dem Foley Square. Sie trugen Schilder mit | |
| den Namen der Frauen und Männern, die in den vergangenen Jahren von | |
| Polizisten getötet wurden. Die meisten Opfer waren AfroamerikanerInnen. Die | |
| bekannteren Namen unter ihnen sind jene, von deren Tod es Videos gibt. Die | |
| meisten anderen sind in Vergessenheit geraten. | |
| Bei einer Großdemo in DesMoines in Iowa sagte am Freitag ein junger | |
| schwarzer Mann unter großem Jubel: „Dieses Mal dürfen wir uns nicht wieder | |
| zurücklehnen, wie wir es nach dem Tod von Mike Brown in Ferguson getan | |
| haben. Wir müssen auf der Straße sein. Jeden Tag“. In Louisville, Kentucky, | |
| wo am 13. März die 26-jährige Krankentechnikerin Breonna Taylor in ihrer | |
| eigenen Wohnung von Polizisten erschossen wurde, kam es am Donnerstagabend | |
| zu erbitterten Straßenschlachten. | |
| Die Angehörigen von George Floyd waren am Freitag erleichtert, dass der | |
| Polizist nun hinter Gittern ist. „Es ist ein willkommener, wenngleich | |
| überfälliger Schritt“, schrieb ihr Anwalt Benjamin Crump, der auch schon | |
| andere Opfer von rassistischer Polizeigewalt vertreten hat. Mit der Anklage | |
| „Mord dritten Grades“, die beinhaltet, dass es keine vorsätzliche Tat war, | |
| will der Anwalt sich nicht zufriedengeben. | |
| Der angeklagte Derek C. hat in der zurückliegenden Woche Einiges verloren. | |
| Am Dienstag feuerte ihn die Polizei fristlos. Dann reichte seine Frau die | |
| Scheidung ein. Als er am Freitag eingebuchtet wurde und sein Verbrecherbild | |
| in den „Sozialen Medien“ erscheint, fragten DemonstrantInnen: „Warum muss | |
| erst eine Polizeiwache in Flammen aufgehen, bis es zu einer Anklage kommt?“ | |
| Andere erinnerten an die bittere Erfahrung, dass Polizisten, wenn sie – was | |
| selten genug vorkommt – nach Gewalttaten angeklagt werden, am Ende immer | |
| freigesprochen werden. | |
| Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Fassung des Textes war in | |
| der Dachzeile von „Mord an George Flyod“ die Rede. Der Presserat hat nach | |
| seiner Sitzung im September 2020 deswegen der taz eine sogenannten | |
| „Hinweis“ ausgesprochen. Danach stelle die Bezeichnung „Mord“ eine | |
| Vorverurteilung dar, die gegen den Pressekodex verstoße. Die taz hat daher | |
| die Dachzeile entsprechend geändert. | |
| 30 May 2020 | |
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