# taz.de -- US-Sportler protestieren gegen Rassismus: Neue Stimmen voller Zorn | |
> Die Politisierung des Profisports in den USA nimmt eine neue Dimension | |
> an. Selbst Michael Jordan äußert sich. | |
Bild: Seine Stimme hat Gewicht: Michael Jordan auf einer Gedenkveranstaltung f�… | |
Michael Jordan meldet sich nicht oft zu Wort. Der einstige | |
Basketball-Superstar schätzt seine Privatsphäre. Jordan twittert nicht, | |
Medieninterviews gibt er nur selten – wie jüngst für den Dokumentarfilm | |
über seine Karriere, der [1][in der spielfreien Zeit die Quotenrekorde | |
gebrochen hat.] | |
Umso mehr Gewicht hat es, wenn der GOAT – der Größte aller Zeiten – dann | |
doch einmal spricht. So wie in dieser Woche, als er über seinen Agenten ein | |
Statement zum Tod von George Floyd und zur Polizeigewalt in den USA | |
verbreiten ließ. „Ich bin in tiefer Trauer und voller Schmerz und Zorn. Ich | |
reihe mich mit denjenigen ein, die den tiefsitzenden Rassismus und die | |
Gewalt gegen farbige Menschen in diesem Land anklagen. Wir haben genug.“ | |
Das Statement von Jordan war nicht zuletzt deshalb so bedeutsam, weil er | |
sich stets geweigert hat, politisch Farbe zu bekennen. Als er seinerzeit | |
darauf angesprochen wurde, warum er seine Popularität nicht dazu nutzt, | |
politisch etwas zu bewirken, sagte er, dass „Republikaner auch Turnschuhe | |
kaufen“. Erst in der vergangenen Woche wieder verteidigte er in der | |
Dokumentation über die große Zeit der Chicago Bulls den berühmten Ausspruch | |
mit den Worten: „Ich war dazu da, die Leute zu inspirieren. Wenn sie etwas | |
anderes gesucht haben, mussten sie sich an jemand anders wenden.“ | |
Umso bemerkenswerter ist es, dass sogar Michael Jordan jetzt nicht mehr an | |
sich hält. Spätestens seit Colin Kaepernick mit seinem Kniefall im US | |
Profisport das Eis für politischen Protest gebrochen hat, melden sich immer | |
mehr Sportler regelmäßig zu Wort. Doch in der letzten Woche nahm die | |
Politisierung des amerikanischen Profisports eine neue Dimension an. | |
## „Kapiert ihr's jetzt?“ | |
Natürlich waren da diejenigen, die schon lange kein Blatt mehr vor den Mund | |
nehmen, wie etwa LeBron James. Noch am Tag von George Floyds Tod postete er | |
auf Twitter das Bild von Colin Kaepernick und fragte: „Kapiert ihr’s | |
jetzt?“ Am nächsten Tag war er beim Training mit einem Sweatshirt zu sehen, | |
auf dem die letzten Worte von George Floyd und Eric Garner standen: „I | |
can’t breathe“. | |
Auch Michael Jordans ehemaliger Mannschaftskamerad Steve Kerr zeigte einmal | |
mehr, dass er keine Angst hat, sich mit den Mächtigen anzulegen. Als | |
US-Vizepräsident Mike Pence behauptete, er stehe für das Recht auf | |
friedlichen Protest aller Amerikaner, erwidert Kerr: „Das ist ein Witz, | |
oder?“ Pence hatte im Oktober 2017 beim Footballspiel zwischen den | |
Indianapolis Colts und den San Francisco 49ers das Stadion verlassen, weil | |
Spieler bei der Hymne niedergekniet waren. | |
Zu den üblichen Stimmen gesellten sich jedoch viele, von denen man sonst | |
nicht viel hört. So sagte Carson Wentz, der weiße Quarterback der | |
Philadelphia Eagles, „Ich verstehe eine Gesellschaft nicht, die nicht alles | |
menschliche Leben wertschätzt.“ Sogar die Ligaoberen der NFL, die sich bis | |
vor Kurzem verschworen hatten, [2][Colin Kaepernick keinen Job mehr zu | |
geben], erklärten sich mit den Protesten solidarisch. „Auch wir spüren den | |
Schmerz und den Zorn. Es gibt einen dringenden Handlungsbedarf“, hieß es | |
vom Ligachef Roger Goodell. | |
Goodells Kommuniqué trug ihm indes einige Häme ein. „Wir glauben es, wenn | |
Kaepernick zurückkommt“, sagte Eric Reid, einer der Spieler, der mit | |
Kaepernick bei den San Francisco 49ers zur Hymne niedergekniet war. In | |
dieselbe Kerbe schlug der ehemalige PR-Chef der Liga, Jon Lockhart, in | |
einem Aufsatz für den Nachrichtensender CNN. Er sagte, jetzt sei der | |
richtige Zeitpunkt, Kaepernick einen Vertrag zu geben. Sein Nachfolger bei | |
der Liga erwiderte lapidar, den Teams stehe es nach dem Vergleich der Liga | |
mit Kaepernick frei, ihn anzuheuern. | |
So tut sich der Football noch immer schwer damit, sich eindeutig zu | |
positionieren. Dem Basketball, dessen Fanbasis urbaner ist und von viel | |
mehr Schwarzen getragen wird, fiel das schon immer leichter. So rief Greg | |
Popovich, der legendäre Trainer der San Antonio Spurs, am Sonntag einfach | |
mal den Journalisten Dave Zirin an und sagte ihm, er müsse etwas loswerden. | |
Dann zog „Pop“ eine Stunde lang vom Leder. „Es widert mich an, dass wir | |
einen Präsidenten haben, der nicht die einfachen Worte über die Lippen | |
bringt, dass Schwarze Leben zählen. Er schafft eine Situation und dann | |
versteckt er sich im Keller. Er ist ein Feigling. Am besten er verschwindet | |
einfach. Er ist ein gestörter Idiot.“ | |
3 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Moll | |
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