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# taz.de -- Rassistische Polizeigewalt in den USA: „Ich kann nicht atmen“
> Bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis wird ein Schwarzer Mann offenbar
> erstickt. Eine Zeugin filmt den Vorfall. Das Video löst Proteste aus.
Bild: Kundgebung für den getöteten George Floyd in Minneapolis
New York taz | „Fuck the police“ steht auf einem Stück Karton.
„Gerechtigkeit für George Floyd“ auf einem anderen. Die handgemalten
Transparente sind Teil einer Demonstration, bei der am Dienstagabend
Tausende mehrheitlich junge Leute zu der Polizeiwache auf der Südseite von
Minneapolis ziehen.
Alle haben das Video gesehen. Es zeigt einen mit Handschellen gefesselten
schwarzen Mann, der mit nacktem Oberkörper bäuchlings auf dem Asphalt liegt
und um sein Leben bettelt. Hinter ihm ist ein weißer Polizist zu sehen, der
sein Knie in den Nacken des Mannes drückt. „I can't breathe“, ächzt der am
Boden Liegende mehrfach.
Es sind seine letzten Worte. Als er verstummt, sich seine Augen schließen
und Blut von seiner Nase tropft, bleibt das polizeiliche Knie in seinem
Nacken. Wenig später wird der 46-jährige George Floyd in einem Krankenhaus
für tot erklärt.
Eine junge Frau hat die Szene gefilmt. Darnella Frazier war unterwegs zu
einem Treffen mit Freunden, als sie am Montagabend an der Chicago Avenue
unweit der 38. Straße den Polizisten sah, der auf dem Nacken von George
Floyd kniete. Sie zückt ihr Handy.
## Röcheln und Ächzen
Ihr mehr als zehnminütiges Video endet, als George Floyds lebloser Körper
in einen Krankenwagen geschoben wird. Auf dem Video sind neben dem Röcheln
und Ächzen von George Floyd auch die Stimmen von Menschen zu hören, die den
Polizisten auffordern, sein Knie von dem Nacken zu nehmen.
Sie beginnen höflich, allmählich werden sie lauter. „Er wehrt sich doch gar
nicht“, sagt ein Mann. Und: „Er kann nicht atmen.“ Eine Frau fragt: „Is…
tot?“ Die Passanten – darunter Darnella Frazier – sind maximal drei Meter
von dem Geschehen entfernt.
Auf eine ihrer Aufforderungen zur Mäßigung reagiert der Polizist mit einer
Drohgebärde ihnen gegenüber. Er zückt etwas aus seinem Gürtel, das wie eine
Waffe aussieht. Dabei drückt er weiterhin sein Knie in den fremden Nacken.
„Das ist Pfefferspray“, warnt ein Passant.
Etwas später versucht ein zweiter Polizist, die Passanten zurückzudrängen.
„Sie haben ihn direkt vor dem Cup-Foods-Laden getötet. Kein Mitgefühl.
Polizeibrutalität“, schreibt Darnella Frazier zu ihrem Video auf Facebook.
Dazu setzt sie zwei gebrochene Herzen. Den Namen des Opfers kennt sie
nicht. Sie weiß auch nicht, dass der 46-Jährige als Wachmann in einem
Restaurant gearbeitet hat.
## Wichtigste Zeugin
Bis Montag stellte die junge Afroamerikanerin Darnella Frazier
Lokalnachrichten, Witze, Schminktipps und Bilder von sich selbst und
anderen jungen Leuten auf ihre Facebookseite. Die brutale Szene verändert
ihr Leben. Sie ist jetzt die wichtigste Zeugin.
Am Dienstagabend, knapp 24 Stunden nach dem ersten Video, stellt sie ein
neues Video auf ihre Facebookseite, auf dem sie selbst zu sehen ist. Sie
ist ein Nervenbündel. Zigtausende Menschen haben ihr Video gesehen,
Dutzende Fernsehsender haben es übernommen, Wildfremde loben sie für ihren
Mut und vor der Polizeiwache auf der Südseite von Minneapolis toben
Straßenschlachten. Junge Leute werfen Flaschen und Steine. Die Polizei
schießt mit Gummikugeln.
„Es fallen Schüsse“, schluchzt die junge Frau in die Kamera. Am Montagabend
war die Polizei zu einem Einsatz auf die Südseite von Minneapolis gerufen
worden. Dabei ging es nicht um Gewalt, sondern um den Verdacht einer
„Fälschung“. Bei der Ankunft der Polizisten saß George Floyd auf einem
blauen Wagen. Er war unbewaffnet. Und er schien unter Drogen zu stehen. Die
Polizei behauptet, er habe sich gegen seine Festnahme gewehrt. Später
kommen neue Videos an die Öffentlichkeit, die das Geschehn seit dem Moment
von George Floyds Festnahme zeigen. Darauf ist kein Widerstand zu erkennen.
Die Polizisten legten ihm Handschellen an und zwangen ihn auf den Asphalt.
Als einer von ihnen sein Knie während mindestens fünf Minuten in seinen
Nacken drückte, sahen drei weiter Polizisten untätig zu. Sie griffen nicht
ein und sie sagten nichts.
## Den Tränen nah
Am Morgen nach George Floyds Tod ist der Bürgermeister von Minneapolis den
Tränen nah. Bei einer Pressekonferenz nennt er das, was er in dem Video
gesehen hat: „falsch auf jeder Ebene“. Bürgermeister Jacob Frey, ein
junger, weißer Mann, fügt hinzu: „In Amerika sollte schwarz sein kein
Todesurteil sein“.
Das FBI übernimmt die Ermittlungen. Anwalt Benjamin Crump, der schon die
Angehörigen [1][von anderen getöteten schwarzen Männern und Jungen]
vertreten hat – darunter Trayvon Martin, Michael Brown und Tamir Rice –
vertritt nun die Angehörigen von George Floyd.
Am Nachmittag werden in Minneapolis alle vier in den Tod von George Floyd
verwickelten Polizisten gefeuert. Vielen jungen Leuten in Minneapolis
genügt das nicht. Die letzten Worte von George Floyd erinnern sie an
[2][Eric Garner]. Der Zigarettenverkäufer starb im Sommer 2014 in einem
polizeilichen Würgegriff in Staten Island, in New York, nachdem er mehrmals
geröchelt hatte: „I can't breathe.“
Von den an der Tat beteiligten Polizisten ist kein einziger verurteilt
worden. In Minneapolis veröffentlichen junge Aktivisten am Dienstag, dem
Tag nach George Floyds Tod, die Namen und Fotos der beteiligten Polizisten.
Sie kündigen ihnen an: „Falls es niemand sonst tut, kommen wir zu euch und
nehmen euch fest. Als Citizen's Arrest“.
27 May 2020
## LINKS
[1] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5257673
[2] /Antira-Aktivistin-Erica-Garner-gestorben/!5471580
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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