# taz.de -- R2G oder Schwarz-Grün im Bund: All die sozialen Fragen | |
> Die SPD hat mit Scholz den ersten Move zum Wahlkampf gemacht, von links | |
> kam milde Unterstützung. Kann der grüne Traum von Schwarz-Grün noch | |
> aufgehen? | |
Bild: Zumindest der erste an der Startlinie für den Wahlkampf: Scholz bei eine… | |
Dass der amtierende Bundesfinanzminister [1][Olaf Scholz pannenfrei zum | |
Kanzlerkandidaten der SPD gekürt werden konnte] und dies auch nach fünf | |
Tagen den Selbstzerstörungstrieb der Sozialdemokraten noch nicht aktiviert | |
hat, kann natürlich als Erfolg durchgehen. Tatsächlich pampte etwa CSU-Chef | |
Markus Söder, kein Mensch brauche jetzt schon Wahlkampf. | |
[2][Linkenchefin Katja Kipping war besser gerüstet]. Sie sagte zu Scholz’ | |
Ausrufung: „Ich bin nicht die Zielgruppe.“ Sollte heißen: Die SPD darf mit | |
diesem Ultra-Pragmatiker der Union gern Stimmen abjagen, solange er auch | |
pragmatisch genug für eine rot-rot-grüne Koalition ist. Was Scholz immerhin | |
nicht rundheraus verneinte. | |
In Kippings überraschender Milde tauchte ein Motiv auf, das bei den Grünen | |
vor Jahren den gedanklichen Weg von Rot-Grün nach Schwarz-Grün zu ebnen | |
half: Statt in einer „Projektkoalition“ gemeinsame Werte hochzuhalten (und | |
dadurch nur Enttäuschungen zu produzieren), muss man sich in einer | |
„Ergänzungskoalition“ bloß die Jobs aufteilen – jeder macht seins, quas… | |
Das wird der Linkenchefin in ihren Reihen noch Ärger machen. | |
Glückliche Grüne – sie müssen sich jetzt nur zurücklehnen, können den | |
rot-rot-grünen Verrenkungen von SPD und Linkspartei zusehen und sich die | |
Fingernägel lackieren, sollte man meinen. | |
## Farbenspiel frei | |
Denn: An den Grünen führt zur Regierungsbildung nach der Wahl im kommenden | |
Jahr sowieso kein Weg vorbei. Der Klimawandel schaufelt ihnen wie von | |
selbst Aufmerksamkeit und Wähler*innenstimmen zu – die Grünen-Spitze muss | |
bloß regelmäßig in die Kamera flöten, dass es „für Farbenspiele zu früh… | |
sei und den Grünen „Inhalte vor Koalitionsoptionen“ gingen. | |
Das wirkt natürlich sehr souverän, birgt aber auch ein paar Risiken. | |
Koalitionen werden nicht vor Kameras vorbereitet. Sondern unter anderem in | |
persönlichen Gesprächen zur Vertrauensbildung. In Konzepten, die auf | |
Anschlussfähigkeit hin gebürstet werden. In der Wortwahl, die von rituellen | |
Beschwörungsformeln befreit wird (etwa wenn eine Linke einen | |
Sozialdemokraten nicht mehr „Agenda-2010-Politiker“ nennen muss). Da gibt | |
es schon so etwas wie zarte Hinweise, mit wem eine Partei gern regieren | |
möchte. | |
Bei den Grünen ist derzeit vor allem zu erkennen, dass sie sich auf | |
Schwarz-Grün vorbereiten. | |
## Nicht mehr nach Corona | |
Je länger sie nun die Werbegesänge von SPD und Linkspartei ignorieren, | |
desto stärker könnte etwa der Eindruck werden, dass die Grünen auf eine | |
rot-rot-grüne Agenda mit all den Umverteilungsansprüchen von links und | |
halblinks schlichtweg keine Lust haben. Nun wäre das im Prinzip bis Tag | |
eins vor Corona vielleicht so grade noch gutgegangen – nicht aber | |
angesichts der sich nun mehrenden Nachrichten, was die Pandemie kurz- bis | |
langfristig auf dem Arbeitsmarkt anrichtet. Von der Frage, wer die vielen | |
Milliarden Corona-Staatshilfen am Ende bezahlt, einmal ganz abgesehen. | |
Je drängender die Sozialpolitik aktuell wieder wird, desto stärker wird an | |
dieser Stelle das altvertraute Glaubwürdigkeitsloch der Grünen auffallen: | |
Was mit der Union in einer Koalition möglich wäre, hat mit den eigenen so | |
liebevoll gestrickten Parteitagsprogrammen (Kindergrundsicherung! | |
Vermögensteuer!) nicht mehr viel zu tun. | |
Doch auch auf ihrem tatsächlich ureigenen Terrain, der Umwelt- und | |
Klimapolitik, wird es schwer für die Grünen, sich der Koalitionsfrage bis | |
zum Wahltag zu entziehen. Möglicherweise werden ihre wichtigsten | |
Verbündeten – die Fridays-for-Future-Bewegung – noch auf die Idee kommen, | |
dass R2G klimapolitisch mehr reißen würde als Schwarz-Grün. Ob die | |
FFF-Jugend ohne jede Richtungsansage da noch freiwillig Wahlkampf für die | |
Grünen macht? | |
Aktuell mögen auch die Grünen Koalitionsfragen noch schadlos als | |
Farbgeplänkel abtun; auf Dauer aber kostet auch das Glaubwürdigkeit. | |
14 Aug 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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