# taz.de -- Katja Kipping über Olaf Scholz: „Wir schenken der SPD nichts“ | |
> Linken-Chefin Katja Kipping will die SPD zwar weiter kritisieren, aber | |
> nicht für die Fehler der Vergangenheit. Sie strebt ein rot-rot-grünes | |
> Bündnis an. | |
Bild: „Ich klinge immer freundlich.“ Katja Kipping, Parteivorsitzende der L… | |
taz: Frau Kipping, was halten Sie vom [1][SPD-Kanzlerkandidaten Olaf | |
Scholz]? | |
Katja Kipping: Ich bin nicht die Zielgruppe, ich wähle die Linke und nicht | |
die SPD. Mich muss er also nicht überzeugen, sondern potenzielle | |
SPD-WählerInnen und am besten auch noch Wechselwähler von der CDU. Aber was | |
ich beeindruckend finde, ist die Einigkeit, mit der SPD-Spitze und | |
-Vorstand in diesen Prozess gegangen sind. Diese Einigkeit strahlt | |
Entschiedenheit aus. | |
Wir hätten mehr Kritik erwartet. Ihre Partei, die Linke, ist die | |
entschiedenste GegnerIn der Hartz-IV-Politik und Olaf Scholz steht wie kein | |
anderer für die Politik der Agenda 2010 und war an dieser beteiligt. | |
Wenn sich Olaf Scholz jetzt für Dinge einsetzt, die in diese Richtung | |
gehen, wird er von uns heftige Kritik einstecken müssen. So wie auch | |
Hubertus Heil, der SPD-Sozialminister, dessen Verarmungspolitik bei den | |
Hartz-IV-Regelsätzen bei uns auf erbitterten Widerstand stößt. Wir schenken | |
der SPD als Linke nichts. Der Wahlkampf wird kein Kuschelkurs. Aber es ist | |
dennoch wichtig, immer mal wieder daran zu erinnern, dass es darauf | |
ankommt, die Union und die hinter ihr stehenden Lobbygruppen in die | |
Opposition zu schicken. Und dazu müssen wir deutlich machen, was wir | |
zusammen, Linke und SPD, an sozialem Fortschritt und an Abrüstung bewirken | |
können. | |
Es gehörte zum Ritual bei der Linken, sich stets kräftig an der SPD | |
abzuarbeiten. Das ist nun passé? | |
Wo Kritik notwendig ist, wird es die in voller Schärfe geben. Aber SPD und | |
Linke haben in der Vergangenheit sehr viel Energie darauf verwendet, | |
jeweils zu sagen, was sie am anderen stört. Ich glaube, viele Menschen im | |
Land sind davon genervt und sagen, dieses Ritual haben wir lange genug | |
erlebt. Die Leidenschaft bei mir zielt daher auf Inhalte und darauf, welche | |
sozialen Veränderungen und welchen sozialökologischen Fortschritt wir in | |
die Wege leiten können. Das ist für mich der Maßstab und nicht die Fehler | |
der Vergangenheit. | |
Sie klingen wirklich sehr freundlich … | |
Ich klinge immer freundlich. Aber meine Höflichkeit sollte man nicht mit | |
mangelnder Durchsetzungskraft verwechseln. | |
… in Sachen Scholz. Ist es für die Linke nicht auch einfacher, gegen einen | |
rechten SPDler anzutreten, anstatt gegen eine SPD mit einer [2][linken | |
SpitzenkandidatIn]? | |
Aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Menschen, die unter Hartz IV leiden, | |
weiß ich, dass ihnen das permanente Schimpfen allein nicht weiterhilft. Sie | |
brauchen Veränderungen, sie brauchen Sanktionsfreiheit, gute Arbeit und | |
garantierten Schutz vor Armut. Solche Veränderungen bekommen wir nur hin, | |
wenn wir soziale Mehrheiten links der Union schaffen. Mein Maßstab an die | |
SPD und Olaf Scholz ist: Sind sie bereit, mit uns diesen Kurswechsel | |
einzuleiten. | |
Noch mal: Macht es ein rechter SPD-Spitzenkandidat der [3][Linken im | |
Wahlkampf leichter], sich zu profilieren? | |
Ob der Wahlkampf dadurch leichter wird, weiß ich nicht. Mein Wahlkampf wird | |
darauf ausgerichtet sein, die Linke zu stärken. Ich finde die klare | |
Entschiedenheit der SPD-Spitze wichtiger, die gesagt hat, wir brauchen ein | |
progressives Lager. In diesem Zusammenspiel kann es uns gelingen, die | |
Grünen stärker unter Druck zu setzen und Leute dafür zu begeistern, dass | |
ein sozialökologischer Systemwechsel tatsächlich durchsetzbar ist. | |
In der Großen Koalition hegt die SPD immer große Sympathie für | |
Rot-Rot-Grün, die umso kleiner wird, je näher die Wahl rückt. Wird es 2021 | |
anders sein? | |
Wer auf Nummer sicher gehen will, dass nicht doch wieder die CDU den | |
Kanzler stellt, sollte die Linke wählen. Ich stelle keinen Garantiescheck | |
auf die SPD aus. Aber mein Eindruck aus persönlichen Gesprächen ist, dass | |
die beiden SPD-Vorsitzenden glaubwürdig eine inhaltliche Neuausrichtung | |
anstreben. | |
Sie werben seit einiger Zeit beharrlich für eine Regierungsmehrheit links | |
der Union, also mit Linken, Grünen und SPD. Wird ein solches Bündnis mit | |
Scholz einfacher oder noch schwieriger? | |
Dieses Ziel gebe ich nicht wegen einer Personalie auf. Für neue linke | |
Mehrheiten braucht es Leute, die dafür brennen, es braucht Bewegungen, die | |
Druck machen für soziale Sicherheit, Klimaschutz und Friedenspolitik. Und | |
es muss natürlich am Ende auch numerisch stimmen. | |
Können Sie persönlich mit Olaf Scholz? | |
SpitzenpolitikerInnen sollten immer in der Lage sein, professionell | |
miteinander zu agieren. Als Parteivorsitzende hatte ich bisher eher einen | |
guten kommunikativen Draht zu den beiden SPD-Vorsitzenden Norbert | |
Walter-Borjans und Saskia Esken. | |
12 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Stefan Reinecke | |
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