# taz.de -- Olaf Scholz wird SPD-Kanzlerkandidat: Ende des linken Flügels | |
> Der linke Flügel der SPD hat sich mit dem Ja zu Scholz selbst entmachtet. | |
> Mehr als eine sanfte Linkswende traut sich die Partei nicht zu. | |
Bild: Tradition statt Revolution: Saskia Esken, Norbert Walter Borjans, Olaf Sc… | |
Dass [1][Olaf Scholz SPD-Kanzlerkandidat] wird, liegt politisch im Trend: | |
Die Verwandlung der US-Demokraten und der britischen Labour Party in | |
entschieden linkssozialdemokratische Parteien, die den Finanzkapitalismus | |
nicht verwalten, sondern strikt reglementieren wollen, ist mit Corbyn und | |
Sanders gescheitert. Die SPD-Basis, die in der Groko schlicht Atemnot | |
bekam, hatte Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken an die Spitze gewählt. | |
Das war der bundesdeutsche, moderate Weg nach links. Denn beide sind, | |
anders als es viele mediale Zerrbilder suggerieren, keine Radikalen, | |
sondern traditionelle SozialdemokratInnen. Und Realos, wie die Kür von | |
Scholz nun zeigt. | |
Esken und Walter-Borjans haben sich mit dem Ja zu Scholz selbst entmachtet. | |
Ihre Interviewoffensive in den letzten Tagen [2][für ein grün-rot-rotes | |
Bündnis] war kein donnerndes Aufbruchs-, sondern ein Abschiedssignal. An | |
Scholz führte auch für diese Parteiführung nichts vorbei. Denn der linke | |
Flügel hat personell nichts anzubieten – was einiges über dessen Zustand | |
aussagt. Die SPD ist nun wieder im Normalmodus. Die Macht liegt von heute | |
an bei Scholz. | |
Scholz war einer der Ersten in der SPD-Spitze, der sich für 12 Euro | |
Mindestlohn starkmachte. Er hat in der Coronakrise entschlossen auf | |
Keynesianismus gesetzt. Aber er bleibt trotzdem ein SPD-Konservativer. Zwar | |
ist er pragmatisch genug, sich nicht gegen die sanfte [3][Linkswende der | |
SPD] zu stemmen. Aber die Schwarze Null ist nur kurzfristig aus seiner | |
Rhetorik verschwunden. Scholz verkörpert den Pragmatismus als Ideologie – | |
Merkelismus ohne Merkel. | |
Rechter Kandidat mit moderat linker Partei – das gab es schon mal. Doch der | |
Vergleich mit Peer Steinbrück weist in die falsche Richtung. Steinbrück war | |
2013 eigentlich Politrentner, Scholz ist Vizekanzler, hat die Fraktion und | |
weite Teile der Partei hinter sich. Und er ist disziplinierter als | |
Steinbrück, der mal den Stinkefinger in die Kamera hielt. | |
## Zäher Abschied von der Agendapolitik | |
Die SPD hat sich zäh von der Agendapolitik entfernt. Die war nicht nur ein | |
Einschnitt in das soziale Netz, sondern auch ein Symbol: Die SPD wollte für | |
die AufsteigerInnen im digitalen Kapitalismus da sein, nicht für die | |
VerliererInnen. Dass die Partei jetzt ausgerechnet den letzten aktiven | |
Agenda-Politiker zu ihrem Kanzlerkandidaten kürt, offenbart eine recht | |
komplizierte Dialektik. | |
Und doch ist Scholz derzeit die einzig realistische Wahl. Ob er auch der | |
Richtige ist, wird davon abhängen, ob er das Riff umschifft, an dem alle | |
SPD-Wahlkämpfe seit 2005 zerschellten – den Mangel an einer | |
Machtperspektive jenseits der Union. Die SPD hat nur eine Chance, wenn sie | |
glaubhaft macht, Teil eines grün-rot-roten Bündnisses zu sein. Kann Scholz | |
das? | |
10 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Entscheidung-der-SPD-Spitze/!5706089 | |
[2] /Koalitionsplaene-fuer-Bundestagswahl/!5706013 | |
[3] /Wahlen-um-den-SPD-Parteivorstand/!5648118 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
## TAGS | |
Wahlkampf | |
SPD | |
Schwarz-rote Koalition | |
Olaf Scholz | |
Rot-Rot-Grün | |
Kevin Kühnert | |
Kanzlerkandidatur | |
Kanzlerkandidatur | |
Gesine Schwan | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Kanzlerkandidatur | |
SPD | |
Kevin Kühnert | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Katja Kipping über Olaf Scholz: „Wir schenken der SPD nichts“ | |
Linken-Chefin Katja Kipping will die SPD zwar weiter kritisieren, aber | |
nicht für die Fehler der Vergangenheit. Sie strebt ein rot-rot-grünes | |
Bündnis an. | |
SPD streitet über Kanzlerkandidaten: Krisenbewältigung am Tag danach | |
Kevin Kühnert will den SPD-Kanzlerkandidaten Scholz vor „destruktiver | |
Kritik“ schützen. An der Basis gibt es Kritik an der Nominierung. | |
SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz: Eine Chance für Rot-Rot-Grün | |
Die Nominierung von Olaf Scholz bietet die einzige Möglichkeit für ein | |
linkes Bündnis nach der Wahl. Sie ist ein Steilpass für die Grünen. | |
SPD-Linke über Olaf Scholz' Kandidatur: „Nicht in Jubelorgien einsteigen“ | |
Scholz wird Kanzlerkandidat – und plötzlich scheinen auch die Parteilinken | |
zufrieden mit dem einstigen Intimfeind. Was ist da los, Hilde Mattheis? | |
Gesine Schwan über Olaf Scholz: „Aber dafür ist er solide“ | |
Dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz fehlt Charisma. Das könnten aber | |
andere in der SPD ausfüllen, sagt Parteikollegin Gesine Schwan. | |
Olaf Scholz wird SPD-Kanzlerkandidat: Der Mann mit der roten Krawatte | |
Olaf Scholz wird SPD-Kanzlerkandidat. Die Parteichefs betonen sein hohes | |
Ansehen in der Bevölkerung – und die Geschlossenheit in der Partei. | |
Entscheidung der SPD-Spitze: Olaf Scholz wird Kanzlerkandidat | |
Er schien schon gescheitert, dann verhalf ihm die Coronakrise zu neuer | |
Popularität: Finanzminister Olaf Scholz soll die SPD in die Bundestagswahl | |
2021 führen. | |
SPD im Vorwahlkampf: Mehr Kanten, bitte! | |
Die SPD braucht keinen Kanzlerkandidaten, wenn sie weiterhin bei 15 Prozent | |
verharrt. Die Partei sollte sich Gedanken machen, warum das so ist. | |
Zukunft der SPD: Verwalter des Status quo | |
Die SPD verharrt im Umfragetief. Das liegt an der Rolle als Juniorpartnerin | |
der Union. Doch ein Olaf Scholz als Kanzlerkandidat wird wenig helfen | |
können. |