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# taz.de -- Putins rechte Ideologen: Parvenüs aus der Schmuddelecke
> Alle fragen sich, was Russlands Präsident Wladimir Putin eigentlich will.
> Ein Blick auf die Scharfmacher in der zweiten Reihe gibt Antworten.
Bild: Waffenfan Dmitri Rogosin.
MOSKAU taz | Dmitri Rogosin kann nichts für sich behalten. Bissig, militant
und rücksichtslos, eine Armada von 90.000 Anhängern schätzt die Tweets, die
der Supervisor der russischen Rüstungsindustrie mit der Treffsicherheit
eines Scharfschützen versendet: „Brüder, wenn ich es nur irgendwie könnte,
würde ich mit einer Kalaschnikow bei euch in den Schützengräben liegen“,
teilte er den Separatisten in der Ostukraine mit.
Die Separatisten in den Stellungen von Donezk und Slawjansk huldigen dem
russischen Rechtsaußen. In den provisorischen Unterkünften hängt sein
Porträt gleich neben dem Wladimir Putins. Mit dem Ukrainekrieg wurde der
Journalist und Doktor der Philosophie zu einer der schillerndsten Figuren
der russischen Politik. An seinem Aufstieg lässt sich der politische Wandel
Russlands seit Ende der 90er Jahre ablesen. Denn zu Beginn seiner Karriere
hatte der Patriot es schwer. Das politische Establishment versagte dem
rotbraunen Scharfmacher die Anerkennung.
In den 90er Jahren war die Verteufelung des Westens, die Beschwörung
imperialer Größe, die Angst vor Überfremdung und die Hetze gegen
Immigranten aus dem Kaukasus nicht hof- und hegemoniefähig. Die politische
Klasse belächelte die Eiferer und sah in ihnen eine zum Aussterben
verdammte Kaste.
Inzwischen ist Rogosin im Zentrum der Gesellschaft angekommen. Und er ist
nicht der einzige aus dem Kreis der ehemaligen „marginaly“ –
Randexistenzen, die den Aufstieg geschafft haben. Auch der Ideologe des
Eurasismus, Alexander Dugin, gehört in diesen Kreis der Parvenüs aus der
Schmuddelecke. Inzwischen ist der Obskurant, mit starkem Hang zu
faschistischem Gedankengut, Dekan an der soziologischen Fakultät der
Moskauer Staatlichen Universität. Dugin stieg zum Ideenspender des Kreml
auf, der die Abkehr vom Westen einleitete und sich anschickt, ein
eurasisches Großreich zu schaffen: von Lissabon bis Wladiwostok. Kaum eine
Talkshow im staatlichen Fernsehen will auf ihn verzichten.
## Bändiger des Imperiums
Dugin und Rogosin sind leidenschaftliche Gegner des westlichen
Zivilisationsmodells. Liberalität und Libertinage, Pluralismus, Vorzug des
Individuums gegenüber dem Staat, Freiheit und offene Gesellschaft sind
beiden ein Gräuel. Differenzen würden vielleicht auftauchen, wo es sich um
die Rolle der Russen dreht. Rogosin braucht den Moskowiter noch als
privilegierten Bändiger des Imperiums. An der ukrainischen Front und als
Sonderbeauftragter Putins für die sezessionistische Republik Transnistrien
nimmt er diese Funktion gerade selbst wahr.
Am 9. Mai war der Sohn eines Generals, der stolz auf den
militärisch-geheimdienstlichen Stammbaum der Familie ist und auch deren
aristokratische Herkunft aus dem polnischen Adel gerne betont, zur
Siegesfeier in der von Moldawien abtrünnigen Republik Transnistrien. Moskau
werde die Russen in der Republik nicht vergessen, sagte er. Kartonweise
ließ er dann Unterschriftenlisten für ein Unabhängigkeitsreferendum
einsammeln.
Auf dem Rückweg gab es Ärger. Sicherheitskräfte in Chisinau durchsuchten
Rogosins Flugzeug, die Ukraine sperrte den Luftraum und als auch die
Rumänen nachzogen, da Rogosin auf der EU-Sanktionsliste steht, musste der
Vizepremier mit einem Linienflug nach Hause reisen. „Gott sei Dank ist die
Ukraine nicht Russland, sonst hätten wir 20 Stunden drum herum fliegen
müssen“, twitterte er. Der Tweet für die Rumänen war kürzer: „Nächstes…
komme ich mit einer TU-160“. Moskaus Vizepremier drohte mit einem
strategischen Bomber. Ein Affront für Bukarest.
## Der Mann fürs Grobe
Seit der Mission als Nato-Gesandter in Brüssel ist Rogosin auch auf
internationalem Parkett bekannt für gezielt undiplomatische Auslassungen.
2008 wurde er vom Kreml nach Brüssel geschickt, um Russlands
Unzufriedenheit mit dem Bündnis deutlich zu machen. Der Mann fürs Grobe
füllte die Rolle als diplomatisches Enfant terrible glänzend aus. Die
Nato-Osterweiterung verglich der Botschafter mit Hitlers „Drang nach Osten“
und in den Wirren des Georgienkrieges 2008 nannte er fliehende Georgier
„Kakerlaken“.
Bei aller Bewunderung für Rogosins Effektivität und Verhandlungsgeschick
war dem Kreml sein Eifer dennoch immer noch ein bisschen zu viel. 2005 war
Rogosin deswegen aus dem Verkehr gezogen worden, weil er in einem Werbespot
für die Partei Rodina (Vaterland) den Kaukasiern befahl, „ihren Müll
wegzuräumen“. Der Clip, der mit dem Versprechen endete „Wir machen Moskau
sauber“, kam bei der Bevölkerung gut an.
Die Distanz des Kreml wurde erst aufgegeben als Rogosin 2012 seine
Unterstützer aus der radikalen Rechten in die allrussische Volksfront
einbrachte, die die Wiederwahl Putins garantieren sollte. Seit der
Krim-Offensive hat es der Waffennarr nun endgültig geschafft. Er ist zum
Sprachrohr des Kreml geworden. Nach dem Projekt Ukraine könnte das nächste
Kreml-Projekt ebenfalls aus Rogosins Feder kommen: Transnistrien.
Rogosins herzliche Kontakte zum Front National, zu Marine Le Pen und
anderen antieuropäischen Rechtsparteien hat der Kreml ohnehin schon
aufgegriffen. „Ein talentierter Politiker“, meinte US-Botschafter William
Burns laut Wikileaks. „Aber auch durch und durch unmoralisch“. So
unmoralisch wie Moskaus Terrorkommandos in der Ukraine, möchte man
ergänzen.
8 Jun 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Wladimir Putin
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NPD
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