# taz.de -- Putins Krieg und Atom-Drohungen: Die Ukraine ist sein Schicksal | |
> Putin lässt Gebäude um ukrainische Atomkraftwerke beschießen. Und er hat | |
> Probleme an der Heimatfront. Wie rational handelt er? | |
Bild: Wladimir Putin während einer Sitzung des Sicherheitsrates per Videokonfe… | |
Die derzeitigen Kämpfe um die Atomkraftwerke in der Ukraine dürften einige | |
der Älteren an die schlechten Nachrichten aus dem Jahre 1986 erinnern. | |
Damals explodierte der Reaktor-Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl. Für | |
viele im Westen war die Nuklearkatastrophe ein Schock. Der „Eiserne | |
Vorhang“ existierte noch. Die radioaktive Wolke verseuchte weit über die | |
Ukraine hinaus Territorien in Europa. | |
Auch im Osten trugen das sich herumsprechende technologische Versagen sowie | |
der zynische Umgang mit der Katastrophe zum beschleunigten Untergang der | |
maroden Sowjetunion bei. Doch was sagen uns die Nachrichten über die nach | |
russischen Beschuss vorübergehend brennende Gebäude beim ukrainischen | |
Atomkraftwerk in Saporischschja heute? Was sollten sie uns sagen? | |
Vielleicht dieses: Der Krieg von Putins Invasionstruppen gegen die Ukraine | |
mit seinen Folgen rückt zusehends weiter auch an den Westen heran. | |
Putins strategisches Vorgehen ist schwer einzuschätzen. Hält der russische | |
Oberbefehlshaber die Nato, die baltischen Staaten und den Westen | |
tatsächlich für so schwach, dass er sie ebenfalls jederzeit angreifen | |
würde? | |
## Die Ukraine oder mehr? | |
Oder versucht er mit symbolischen Bedrohungen wie rund um die | |
Atomkraftwerke sowie der Drohung des Einsatzes von Nuklearwaffen die | |
Demokratien einzuschüchtern – damit sie am Ende etwa froh sein sollen, dass | |
der russische Tyrann seinen Angriff auf die Ukraine beschränkt und „nur“ | |
diese sich einverleibt? | |
Kenner der postsowjetischen Gesellschaften, aber auch Militärexperten | |
zweifeln allerdings daran, dass eine solche Rechnung Putins aufgehen | |
könnte. Die Zeiten, in denen eine große Koalition ausgemusterter | |
Regierungschefs – nicht nur der deutsche Schröder, auch österreichische | |
Altkanzler wie Schüssel (ÖVP) oder Kern (SPÖ) – in russischem Sold | |
Lobbyarbeit leisten oder es sich Oligarchen-Kumpels in London, Sankt Moritz | |
oder an der Côte d’Azur gut gehen lassen, während breite Schichten in | |
Russland leiden, sie sind auf lange Sicht vorbei. | |
Wie viel ist der Rohstoff-Rubel-Reichtum der Oligarchen noch wert, so er | |
nur hinter hohen Mauern im russischen Großreich selbst genossen werden kann | |
– oder bei seltsamen Freunden in Nordkorea und Syrien. Die Drohung mit der | |
Bombe, Isolation und Sanktionen, sie schaden auch Putins bisherigen | |
Freunden. | |
Ein großes, bevölkerungsreiches Land wie die Ukraine mit einer demokratisch | |
gesinnten Bevölkerung wird sich zudem allein mit militärischen Mitteln kaum | |
regieren lassen. Putins Invasionstruppen können viele Menschen töten und | |
die Infrastruktur der Ukraine zerstören. Aber sie zahlen bereits jetzt | |
selber einen hohen Preis dafür. Putin schwört die russische Gesellschaft | |
nun auf hohe Verluste ein. | |
## Vom Manöver in den Sarg? | |
Doch wie erklärt man einer ermüdeten Gesellschaft, dass ihre Söhne zu einem | |
„Manöver“ auszogen und nun in Zinksärgen heimkehren? Putin [1][kann die | |
Antikriegsdemos zerschlagen, Oppositionelle verhaften], kritische Medien | |
schließen und seine absurden Propagandalügen über die Staatsmedien | |
verbreiten. Doch wird dies alles nicht reichen, damit ihm die Menschen an | |
der Heimatfront dauerhaft in einem verlustreichen Angriffskrieg folgen. | |
Dass Putins Realitätssinn noch viel mit der Wirklichkeit zu tun hat, | |
bezweifelt auch der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch. „Aber | |
fest steht“, sagte er in der FAZ, „dass die Ukraine auf gewisse Weise zu | |
seinem Schicksal geworden ist.“ | |
Man möchte hoffen, dass Putin sie nicht zum Schicksal der ganzen Menschheit | |
macht. Und ihm zusätzlich zur Niederlage in der Ukraine wünschen, daß ihm | |
die Menschen an der Heimatfront in den Arm fallen werden. | |
5 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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