# taz.de -- Psychoanalytikerin über Dreiergruppen: „Es ist immer einer ausge… | |
> In Dreiergruppen ist das Konfliktpotenzial höher, aber die Räume werden | |
> weiter, sagt die Psychoanalytikerin Almut Rudolf. | |
Bild: Können nicht alle, ist aber von Vorteil: Leben in der Triade | |
taz: Frau Rudolf, warum gelten Dreierbeziehungen als so instabil? | |
Almut Rudolf: Das Besondere zu dritt ist, dass tendenziell immer eine*r | |
ausgeschlossen ist, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Es gibt meistens | |
eine Dyade, also eine Zweierkonstellation, in der Triade. Das ist | |
potenziell kränkend für die dritte Person. Sie muss dann einen Moment des | |
Alleinseins, den Verlust der Exklusivität einer Zweierbeziehung verkraften. | |
Eine Viererkonstellation ist dagegen meist dyadisch: zwei und zwei, die | |
dann innerhalb der Viererkonstellation wechseln können. | |
Wechseln die Rollen in der Triade? | |
Das kann ganz schnell hin- und hergehen. Man merkt das, wenn man zwei | |
Freund*innen etwas erzählt. Dann schaut man vielleicht zuerst die eine an, | |
dann den anderen. Wenn das gar nicht wechselt, ist einer relativ stabil | |
ausgeschlossen. Dann können die drei formal zwar in einem Raum sitzen oder | |
in einem Haus wohnen, aber eigentlich ist es keine Triade im | |
psychologischen Sinn mehr. Dagegen kann auch eine Zweierbeziehung | |
triangulär sein. | |
Inwiefern? | |
Andere können eine Rolle spielen. Die dritte Person kann zum Beispiel | |
physisch nicht anwesend sein, die anderen beiden denken aber über sie nach. | |
Auch eine alleinerziehende Mutter kann triadisch sein. Sie kann auf andere | |
verweisen und dem Kind vermitteln, dass diese anderen, zum Beispiel der | |
Vater oder die Großeltern, auch wichtig sind. | |
Wann ist eine Dreierkonstellation besonders problematisch? | |
Wenn alle drei kränkbar sind, dann knallt es meistens sehr schnell. Triaden | |
sind stabil, wenn alle drei das sogenannte Triangulieren beherrschen, sich | |
also in die anderen hineinversetzen können. | |
Was bedeutet das? | |
Der Begriff spielt in der Entwicklungspsychologie eine große Rolle. Kinder | |
können erst ab dem Alter von etwa vier Jahren erkennen, dass andere | |
Menschen auch eigene Intentionen und Wünsche haben, die nichts mit dem Kind | |
zu tun haben. | |
Welche Voraussetzungen gibt es dafür? | |
Dazu braucht es eine kognitive Reife, aber natürlich auch eine emotionale. | |
Ein Kind muss so sicher gebunden sein, dass die Bindung auch nicht dadurch | |
gefährdet wird, dass das Kind mal ausgeschlossen ist. Es muss ertragen, | |
dass die Bezugsperson auch noch eine andere Beziehung hat. Ein unsicher | |
gebundenes Kind kann durch so eine Situation sehr wütend werden und | |
versucht, in die Beziehung einzubrechen, die sich da vor seiner Nase | |
abspielt. | |
Lässt sich das auf Erwachsene übertragen? | |
Man würde es dann wohl anders nennen. Aber es kann sein, dass sich jemand | |
sehr leicht gekränkt fühlt, weil er sich unsicher fühlt, vielleicht wegen | |
schlechter Erfahrungen in einer früheren Beziehung. Stellen wir uns eine | |
Situation im Lokal vor: Da sitzen drei und einer ist mal drei Minuten lang | |
nicht aktiv im Gespräch, kann gerade nicht viel beitragen oder ist müde. Es | |
ist sehr unterschiedlich, wie Menschen damit umgehen. Manche finden das | |
vielleicht entspannend, andere ärgern sich still, und wieder andere brechen | |
in das Gespräch ein. | |
Woran merkt man, dass Erwachsene nicht triangulieren können? | |
Im Alltag erkennt man es an dem Versuch, eine kurzfristige, situativ | |
entstandene Dyade zu stören, also nicht still sein zu können, wenn zwei | |
andere reden. Eine andere Reaktion kann sein, sich gekränkt zurückzuziehen | |
und gar nicht mehr zu versuchen, ins Spiel zu kommen. Mental versuchen | |
diese Menschen, andere zu diskreditieren und abzuwerten, vielleicht auch | |
solche, die gar keine Rolle spielen. | |
Was muss passieren, damit die Triade wieder funktioniert? | |
Man muss seine egozentrische Perspektive aufgeben und versuchen, sich auch | |
mit der Rivalin zu identifizieren. Es hilft, darüber nachzudenken, ob man | |
nicht negative Eigenschaften auf die dritte Person projiziert. Wir | |
projizieren alle unablässig das auf andere, was wir selbst nicht in uns | |
haben wollen, das ist ganz normal. Das kann man sich ein Stück weit bewusst | |
machen. Dann kann man erkennen, dass die andere Person nicht nur böse ist, | |
sondern dass man zusammenarbeiten kann. Das ist ein großer Fortschritt, | |
aber auch eine große Anstrengung. | |
Zu dritt müssen sich also alle mehr anstrengen? | |
Sie müssen mehr psychische Arbeit leisten, gewinnen dadurch aber auch einen | |
ganz anderen Raum und sind vielleicht weniger zugestellt von ihren | |
Projektionen. | |
Eine Dreiergruppe kann also auch sinnvoll sein? | |
Psychoanalytiker*innen sagen, dass so eine trianguläre Situation einen | |
Denkraum eröffnet. In so einer Konstellation ist mehr Platz für Ideen und | |
die Entwicklung aller Beteiligten, weil sie einem die Reflexion praktisch | |
auferlegt. Und drei Sichtweisen sind natürlich insgesamt differenzierter | |
als zwei. | |
Das klingt doch erstrebenswert. | |
Wir haben auf jeden Fall das Bedürfnis, unseren geistigen und emotionalen | |
Spielraum zu erweitern und andere Menschen zu bedeutsamen Objekten werden | |
zu lassen. Das heißt dann aber auch, sich Kränkungen auszusetzen und | |
Verluste zu erleiden, aber es hat natürlich auch viel Bereicherndes, man | |
erlebt Neues. | |
Den meisten Menschen ist das aber nicht bewusst, oder? | |
Das muss einem auch nicht bewusst sein. Vieles bewältigt man intuitiv. Es | |
wäre ja ganz furchtbar, wenn nur Leute triangulieren könnten, die über | |
Triangulierung nachdenken. Deshalb funktionieren aber auch manche Triaden | |
nicht, weil zu viele Konflikte da sind, derer man sich gar nicht bewusst | |
ist. | |
Es reicht also nicht, sich zu bemühen? | |
Das Bemühen ist ein bewusster Vorgang. Aber das Triangulieren ist | |
unbewusst, und wenn man das zu dem Zeitpunkt nicht kann, dann kann man sich | |
bemühen, wie man will. Es geht dann trotzdem nicht, weil es über die | |
eigenen Möglichkeiten hinausgeht. Den Konflikt kann man dann nicht aus | |
eigenem Willen aufheben, da ist man dem eigenen Inneren gegenüber | |
ohnmächtig. | |
Wie kann man Menschen in dieser Situation helfen? | |
Man kann versuchen die Kränkungen, die man ganz automatisch in jeder | |
Dreierkonstellation erlebt, abzumildern. Indem man zum Beispiel jemanden | |
aktiver wieder einbezieht oder darüber nachdenkt, was passiert ist, wenn | |
sich jemand ausgeschlossen gefühlt hat. Wenn jemand nicht triangulieren | |
kann, beeinflusst das aber auch das Denken. Wenn so viel projiziert wird | |
und keine anderen Perspektiven eingenommen werden, macht das ja auch eine | |
Enge des Denkens. Wenn das zu einer starken Beeinflussung der psychischen | |
Gesundheit führt, ist meist die Psychotherapie der richtige Weg. | |
9 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Jana Hemmersmeier | |
## TAGS | |
Koalitionen | |
Psychoanalyse | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Wahlen | |
Koalition | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Bremen | |
SPD | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trend zur Dreier-Koalition: Ménage-à-trois | |
Weil sich die Parteienlandschaft verändert, werden Koalitionen zu dritt | |
häufiger. Sie bringen eine neue Dynamik mit sich. | |
Wahlen in Brandenburg und Sachsen: Sieben grüne Gebote | |
Die Grünen haben in Sachsen und Brandenburg glamouröse Prozentzahlen | |
verpasst. Aber entscheidender ist, was sie daraus machen. | |
Rot-Rot-Grün in Bremen: Zu arm für Ambitionen | |
In Bremen unterzeichnen SPD, Grüne und Linke den Koalitionsvertrag. Ein | |
Signal für die Bundespolitik will darin keiner sehen. Es fehlt an Geld. | |
SPD in der Krise: Banges Warten auf die Grünen | |
Die Zukunft der SPD ist unklar. Manche Genossen wollen „für Rot-Rot-Grün | |
kämpfen“ – aber dort würden Grüne den Ton angeben. |