# taz.de -- Prozess zu VW-Dieselbetrug: Richter verschärft Anklage | |
> In Braunschweig hat der Prozess zum VW-Abgasskandal begonnen. Manager | |
> sollen eine „Bande zur fortgesetzten Begehung von Straftaten“ gegründet | |
> haben. | |
Bild: Oberstaatsanwältin Elke Hoppenworth erhebt schwere Vorwürfe | |
BRAUNSCHWEIG rtr | Mit dem Prozess gegen mehrere Volkswagen-Mitarbeiter hat | |
vor dem Landgericht Braunschweig die [1][strafrechtliche Aufarbeitung eines | |
der größten deutschen Wirtschaftsskandale] begonnen. Oberstaatsanwältin | |
Elke Hoppenworth warf den vier teils ehemaligen Managern und Ingenieuren | |
bei der Verlesung der Anklage (Az: 6 KLs 23/19) zu Prozessbeginn am | |
Donnerstag die Bildung einer „Bande zur fortgesetzten Begehung von | |
Straftaten“ vor. | |
„Als Führungskräfte sind sie dafür verantwortlich, dass die Behörden mit | |
einer Software über die Einhaltung der Abgas-Grenzwerte von | |
VW-Dieselmotoren getäuscht wurden.“ Richter Christian Schütze verschärfte | |
im Anschluss überraschend einige Anklagepunkte. Die Angeklagten hätten | |
nicht als Mittäter, sondern als Nebentäter gehandelt. Damit käme ihnen bei | |
der Begehung von Straftaten eine größere Eigenverantwortung zu. | |
Das Verfahren gegen den früheren Konzernchef [2][Martin Winterkorn], der | |
wenige Tage nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 zurücktrat, | |
wurde wegen seines Gesundheitszustands abgetrennt. Der 74-Jährige ist nach | |
einer Hüftoperation noch nicht verhandlungsfähig. Gegen die gesonderte | |
Verhandlung hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Oberlandesgericht | |
eingelegt. Ursprünglich hatte der Prozess bereits im Februar 2021 beginnen | |
sollen, musste aber wegen der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden. | |
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten von der | |
millionenfachen Dieselmanipulation gewusst, die illegale | |
Abschalteinrichtung mit entwickelt haben beziehungsweise nicht dagegen | |
eingeschritten sein. Ihr Ziel sei gewesen, dem Unternehmen möglichst hohe | |
Gewinne zu verschaffen, um von hohen Bonuszahlungen zu profitierten. | |
## VW-Chef war seit Mai 2014 informiert | |
Winterkorn sei spätestens im Mai 2014 über der Existenz der | |
Abgasmanipulation in den USA informiert gewesen, sagte Hoppenworth. Dennoch | |
habe er den Verkauf der Fahrzeuge nicht gestoppt und die unlautere Werbung | |
mit dem angeblich sauberen Diesel nicht eingestellt. | |
Das Gericht hatte den Betrugsvorwurf der Ermittler bei der Zulassung der | |
Anklage vor einem Jahr durch den Gesichtspunkt der Bandenbildung ergänzt. | |
Im äußersten Fall drohen den Angeklagten damit Gefängnisstrafen von bis zu | |
zehn Jahren. Eine Behandlung als Nebentäter statt Mittäter könnte ebenfalls | |
Auswirkungen auf ein Strafmaß haben. Richter Schütze erweiterte zudem den | |
Tatzeitraum. Die Verteidiger kündigten Anträge und Stellungnahmen ihrer | |
Mandanten für den ersten Verhandlungstag an. | |
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat bei der Aufarbeitung des | |
Dieselskandals nach eigenen Angaben bisher mehr als 30 VW-Manager und | |
-Ingenieure wegen verschiedener Delikte angeklagt. Gegen weitere bis zu 80 | |
Personen wird noch ermittelt. In einem ähnlichen Verfahren vor dem | |
Landgericht München müssen sich seit einem Jahr der frühere Audi-Chef | |
Rupert Stadler und drei weitere Manager der Ingolstädter VW-Tochter | |
verantworten. | |
Wenige Tage vor Beginn des Braunschweiger Prozesses hatte sich ein | |
Ex-Manager erstmals in einem TV-Interview über seine Verstrickung in die | |
Affäre geäußert. Dem NDR sagte der ehemalige Leiter des Umweltbüros von VW | |
in den USA: „Ich habe den US-Behörden nicht alles gesagt, was ich wusste. | |
Das wurde mir zum Verhängnis.“ | |
## „Defeat Device“ nicht verwenden | |
Er habe im Sommer 2015 den Auftrag erhalten, mit den US-Umweltbehörden zu | |
verhandeln. Dabei sollte er bestimmte Worte wie „Defeat Device“ zur | |
Beschreibung der Softwarefunktion bei der Abgasbehandlung nicht verwenden. | |
Der Ingenieur wurde Anfang 2017 auf dem Weg in den Urlaub am Flughafen | |
Miami von US-Fahndern verhaftet und zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe | |
verurteilt. Er wurde im vergangenen Jahr an Deutschland ausgeliefert. Seine | |
Festnahme galt für andere Manager, die von den USA Behörden wegen | |
„Dieselgate“ gesucht werden, als Mahnung, nicht ins Ausland zu reisen. | |
Aufgeflogen war der Skandal am 18. September 2015 durch die amerikanische | |
Umweltbehörde EPA. Die Behörde drohte dem deutschen Konzern wegen Verstößen | |
gegen US-Umweltgesetze eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar an. | |
Vorausgegangen waren langwierige Untersuchungen und Tests mit | |
VW-Dieselautos in den USA, bis Experten schließlich auf die Spur der | |
Betrugssoftware in der Motorsteuerung kamen. | |
Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem | |
Prüfstand einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen | |
Abgase ausstießen. Für Volkswagen ist der Dieselskandal ein finanzielles | |
Desaster. Die Wiedergutmachung kostete Volkswagen bislang mehr als 32 | |
Milliarden Euro, vor allem Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA. | |
Ein Ende der finanziellen Belastungen ist für den Konzern nicht abzusehen. | |
Weltweit sind noch Schadensersatzklagen von Dieselhaltern anhängig. | |
Außerdem wollen Anleger vor dem Oberlandesgericht Braunschweig einen | |
Schadensersatz für erlittene Kursverluste durch den Dieselskandal | |
durchsetzen. Die Summe der Forderungen beläuft sich auf rund neun | |
Milliarden Euro. | |
16 Sep 2021 | |
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