# taz.de -- Prozess um Böhmermanns Schmähgedicht: Nächste Runde | |
> Das Hamburger Oberlandesgericht muss erneut über das in großen Teilen | |
> verbotene Gedicht von Jan Böhmermann über Recep Tayyip Erdoğan urteilen. | |
Bild: Jan Böhmermann – Dichter und Denker? | |
HAMBURG taz | Dass ein überspitztes Schmähgedicht in einer ZDF-Abendsendung | |
automatisch unter Kunstfreiheit fällt, darauf will sich der Richter schon | |
einmal nicht festlegen. „Satire kann Kunst sein, muss aber nicht Kunst | |
sein“, sagt Andreas Buske beim Verhandlungsauftakt am Dienstag in Hamburg. | |
Es geht – erneut – um das Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann, in dem er | |
den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan einen „Ziegenficker“ nennt. | |
Die Kontrahenten sind nicht vor Ort. Sowohl der Satiriker Jan Böhmermann | |
wie auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan lassen sich am | |
Dienstag von ihren Anwälten vor dem Hamburger Oberlandesgericht vertreten. | |
Dessen Siebenter Zivilsenat muss unter Vorsitz von Richter Andreas Buske | |
noch einmal über ein Gedicht richten, das vor knapp zwei Jahren eine | |
Staatsaffäre zwischen der Bundesrepublik und der Türkei ausgelöst hat. | |
Im März 2016 hatte Böhmermann in der Sendung „Neo Magazin Royale“ ein | |
Gedicht über Erdoğan vorgetragen, das er als „Schmähkritik“ bezeichnete. | |
Erdoğan fühlte sich beleidigt und zeigte Böhmermann an. Die Türkei | |
bestellte den deutschen Botschafter ein. Die Kanzlerin gab ihre | |
Einwilligung, dass ein Strafverfahren gegen Böhmermann eröffnet werden | |
konnte – eine notwendige Formalie bei einer Anklage wegen | |
„Majestätsbeleidigung“, die der Kanzlerin aber heftige Kritik einbrachte. | |
Seit Dienstag gibt es nun ein erneutes Verfahren, weil beide Seiten das | |
erstinstanzliche Urteil im Zivilverfahren nicht akzeptiert und Berufung | |
eingelegt haben. Das Hamburger Landgericht hatte im Februar 2017 die | |
Verbreitung von 18 der 24 Zeilen des Schmähgedichts verboten. Es zensierte | |
vor allem die Passagen, die den türkischen Staatspräsidenten auf eine Stufe | |
mit Sexualstraftätern stellten. Als Staatsoberhaupt müsse sich Erdoğan zwar | |
deutliche Kritik, aber keine Beleidigungen gefallen lassen, auch wenn sie | |
satirisch ummäntelt seien, urteilten die Richter. Böhmermanns Satire | |
verletzte Erdoğans Persönlichkeitsrechte. So war in dem Gedicht von den | |
„Schrumpelklöten“ und dem „stinkenden Gelöt“ des Staatspräsidenten d… | |
Rede. | |
## Entscheidung für den 15. Mai angekündigt | |
Böhmermanns Anwalt, der Medienrechtler Christian Schertz, hatte | |
dagegengehalten, das Gedicht sei ein Kunstwerk und deshalb von der | |
Kunstfreiheit geschützt. Deshalb müsse es erlaubt bleiben, das Gedicht in | |
ganzer Länge weiter zu verbreiten. „Der Kontext des Gedichts und seine | |
Anmoderation sind eine unauflösliche Einheit“, sagte Schertz am Dienstag | |
vor Gericht. Außerdem seien die Schmähungen „nicht ernsthaft auf den Kläger | |
gemünzt“. Erdoğans Anwalt Mustafa Kaplan hingegen bekräftigte erneut, dass | |
sein Mandant sich in seiner Menschenwürde verletzt fühlt. Das Ziel der von | |
Erdoğan eingelegten Berufung ist es, sämtliche Äußerungen des Gedichts zu | |
untersagen. | |
Kaplan ist erst seit Neuestem Erdoğans Verteidiger. Sein früherer | |
Rechtsbeistand, der Münchner Jurist Michael Hubertus von Sprenger, hatte | |
das Mandat niedergelegt, nachdem Erdoğan deutschen Behörden im vergangenen | |
Jahr „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hatte. | |
Erdoğan hatte zudem 2016 Strafanzeige gegen Böhmermann gestellt und sich | |
dabei auf den damals noch gültigen § 103 des Strafgesetzbuches berufen, der | |
speziell eine Beleidigung ausländischer Staatschefs unter Strafe stellt. | |
Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Anklage verzichtet, weil Böhmermann | |
ein Vorsatz, Erdoğan zu beleidigen, nicht zu beweisen sei. Inzwischen ist | |
der Vorgang strafrechtlich verjährt. Der altertümliche | |
Majestätsbeleidigungsparagraf wurde infolge der Affäre abgeschafft. | |
Seine Entscheidung hat das Gericht für den 15. Mai angekündigt. Richter | |
Buske sagte am Dienstag, das erstinstanzliche Urteil sei „nachvollziehbar | |
und sorgfältig begründet“ – ließ allerdings nicht durchblicken, ob er si… | |
in allen Punkten anschließen wird. Gegen das Urteil des Gerichts könnten | |
die Parteien noch Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. | |
27 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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