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# taz.de -- Verfassungsgericht zu Schmähgedicht: Weiter großteils verboten
> Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Beschwerde von Jan Böhmermann
> gegen das Verbot seiner Erdoğan-Reime ab. Diese sei aussichtslos.
Bild: Jetzt kann Böhmermann nun nur noch den Europäischen Gerichtshof für Me…
Satiriker Jan Böhmermann ist mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das
weitgehende Verbot seines Erdoğan-Schmähgedichts gescheitert. Eine Kammer
des Bundesverfassungsgerichts nahm Böhmermanns Klage gar nicht erst an.
Diese sei aussichtslos, lautete die extrem kurze Begründung am Donnerstag.
Böhmermann hatte das Gedicht Ende März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin
Royale“ vorgetragen. Dort heißt es unter anderem, dass Erdoğan „Ziegen
fickt“ und „Kinderpornos schaut“. In der Rahmenhandlung behauptete
Böhmermann, dass er mit diesem Gedicht Erdoğan die Grenzen der
Meinungsfreiheit erklären wolle.
Die vulgären Reime führten zu diplomatischen Verwicklungen. Erdoğan sah
seine Menschenwürde verletzt und ging juristisch gegen Böhmermann vor.
Strafrechtlich hatte das Gedicht allerdings keine Folgen für Böhmermann.
Die Staatsanwaltschaft Mainz verneinte schon den Vorsatz einer Beleidigung
und stellte im Oktober 2016 die Ermittlungen ein.
Vor dem Bundesverfassungsgericht ging es nur noch um die zivilrechtliche
Frage, ob Böhmermann das Gedicht wiederholen darf. Erdoğan hatte auf
Unterlassung geklagt und war vor dem [1][Hamburger Oberlandesgericht (OLG)
im Februar 2017] weitgehend erfolgreich.
## Böhmermann kann Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen
Das OLG Hamburg prüfte das Gedicht Zeile für Zeile und wog dabei
Böhmermanns Meinungsfreiheit und Erdoğans Persönlichkeitsrecht ab. Am Ende
wurden [2][18 Zeilen verboten und nur 6 Zeilen blieben erlaubt]. Untersagt
sind seitdem Reime wie: „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein
Schweinefurz riecht schöner.“ Oder: „Pervers, verlaust und zoophil, Recep
Fritzl Priklopil.“ Damit werde Erdoğan auf eine Stufe mit zwei
österreichischen Sexualstraftätern gestellt. Erlaubt blieben dagegen
Zeilen, wie „Kurden treten, Christen hauen“, in denen es vor allem um
Machtkritik ging. Aber auch Böhmermanns einleitende Zusammenfassung wurde
nicht untersagt: „Sackdoof, feige und verklemmt ist Erdogan, der
Präsident.“
Nachdem der Bundesgerichtshof wegen angeblich fehlender grundsätzlicher
Bedeutung eine Befassung mit dem Fall ablehnte, erhob Böhmermann 2019
Verfassungsbeschwerde und rügte unter anderem eine Verletzung seiner
Kunstfreiheit. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte stets deutlich
gemacht, dass das Gedicht nur in seiner Gesamtheit korrekt bewertet werden
könne – und nicht Zeile für Zeile.
Der Fall wurde am Bundesverfassungsgericht zunächst als gewichtig
eingestuft und im Ersten Senat beraten. Der Senat holte auch Stellungnahmen
von gesellschaftlichen Gruppen ein, unter anderem von
Journalisten-Gewerkschaften. Aus Gründen, die dem Karlsruher
Beratungsgeheimnis unterliegen, kam es dann aber doch zu keiner
Entscheidung im achtköpfigen Senat. Vielmehr lehnte nun eine mit drei
Richter:innen besetzte Kammer die Verfassungsbeschwerde ab. Federführend
war der einst von der FDP nominierte Richter Andreas Paulus. Die Begründung
der Richter:innen gibt allerdings keinerlei Orientierung und besteht aus
nur einem nichtssagenden Satz: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.“ Der
Begründungsverzicht könnte ein Indiz dafür sein, dass die Richter:innen
sich im Ergebnis einig waren, nicht aber in der Begründung.
Jan Böhmermann kann nun nur noch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte in Straßburg anrufen. Ob dies geplant ist, beantwortete die
Kanzlei Schertz Bergmann bis Redaktionsschluss nicht.
10 Feb 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Meinungsfreiheit
Recep Tayyip Erdoğan
Satire
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