| # taz.de -- Karlsruhe zu Böhmermanns Gedicht: Ende einer Affäre | |
| > Fernsehmoderator Jan Böhmermann hat mit seiner Klage gegen das Teilverbot | |
| > des „Ziegenficker“-Gedichts verloren. Das Urteil ist unbefriedigend. | |
| Bild: Das Gericht hat Jan Böhmermanns Klage faktisch ohne Begründung abgelehnt | |
| Wer erinnert sich noch? Vor sechs Jahren stellte ZDF-Satiriker Jan | |
| Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Schmähgedicht auf | |
| den türkischen Präsidenten Erdoğan vor. Es ging um Ziegenficken, | |
| Kinderpornos und „Schrumpelklöten“, also Hoden. [1][Mit einer Sammlung | |
| pubertärer, auch rassistischer Stereotype] wollte Böhmermann angeblich dem | |
| autokratischen Sensibelchen Erdoğan die wirklich berechtigten Grenzen der | |
| Meinungsfreiheit erläutern. | |
| Erdoğan regte sich dann erwartungsgemäß auf, Böhmermann landete in Hamburg | |
| vor Gericht. Am Ende wurden 18 von 24 Zeilen des Gedichts verboten. Das | |
| Bundesverfassungsgericht hat nun [2][eine Klage Böhmermanns gegen das | |
| Hamburger Urteil abgelehnt]. Es bleibt also beim Dreiviertel-Verbot des | |
| Schmähgedichts. | |
| Auf den ersten Blick wirkt das wie ein vernünftiger Kompromiss. Einerseits | |
| bleiben die übelsten Beleidigungen des türkischen Präsidenten verboten. | |
| Zugleich sind aber einige Verse des Schmähgedichts weiter zulässig, die man | |
| gerade noch als politische Kritik durchgehen lassen kann. | |
| Dennoch ist dieser Ausgang unbefriedigend. Man kann doch ein Gedicht nicht | |
| Vers für Vers sezieren und am Ende von 24 Zeilen 6 übrig lassen. | |
| Böhmermanns Performance war ein Gesamtkunstwerk, das man entweder ganz oder | |
| gar nicht rechtlich akzeptiert. Allerdings – das muss man auch klar sehen – | |
| hätte ein Alles-oder-nichts-Urteil dann wohl zum Totalverbot geführt. Die | |
| Sache ist vertrackt: Was macht man mit einem, der die abscheulichsten | |
| Sachen sagt – angeblich nur, um zu zeigen, was in Deutschland zu Recht | |
| verboten ist? | |
| ## Justiz muss Maßstäbe bieten | |
| Einem Filou wie Böhmermann lässt man das vielleicht noch durchgehen, vor | |
| allem wenn es einen Politiker trifft, der sich immer mehr zum Despoten | |
| entwickelt. Doch die Justiz darf nicht nach Sympathie und Antipathie | |
| entscheiden. Sie muss Maßstäbe entwickeln, die auch dann brauchbare | |
| Ergebnisse liefern, wenn zum Beispiel ein rechter Künstler diese Methode | |
| auf den israelischen Staatschef anwendet. | |
| Die großen Erwartungen an das Bundesverfassungsgericht wurden enttäuscht, | |
| das Gericht hat Böhmermanns Klage faktisch ohne Begründung abgelehnt. | |
| Konnten sich die RichterInnen nicht einigen? Wollten sie einen neuen | |
| diplomatischen oder kulturpolitischen Eklat vermeiden? Oder wollten sie | |
| keine Gebrauchsanweisung liefern, wie man gerade noch legal möglichst viele | |
| Beleidigungen als Machtkritik ausgeben kann? Man weiß es nicht. | |
| Die Affäre ist nun beendet. Produktiv war sie nicht. Vielleicht sieht das | |
| inzwischen sogar Jan Böhmermann so. | |
| 10 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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