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# taz.de -- Studie zu Medienanwaltsstrategien: Drohgebärden gehen ins Leere
> Journalisten lassen sich von Rechtsanwälten meist nicht von brisanten
> Recherchen abhalten. Manchmal trifft sogar das Gegenteil zu.
Bild: Christian Schertz, der wohl bekannteste Anwalt für Presse- und Persönli…
Der Titel der Studie ist am dramatischsten: [1][„Wenn Sie das schreiben,
verklage ich Sie!“] Im Kern liefert die Untersuchung über „präventive
Anwaltsstrategien gegen Medien“ eher Entwarnung. Journalisten und Medien
lassen sich durch anwaltliche Drohgebärden nicht von Veröffentlichungen
abhalten.
Die Autoren der Studie, Medienrechtsprofessor Tobias Gostomzyk und der
freie Journalist Daniel Moßbrucker, stützen sich vor allem auf lange
Experteninterviews. Auf der einen Seite befragten Sie 42 Journalisten aller
Gattungen, unter anderem den taz-Öko-Redakteur Malte Kreutzfeldt. Vor allem
aber sprachen sie mit 20 der 22 wichtigsten Presserechtsanwälte in
Deutschland, unter anderem mit [2][Christian Schertz, dem wohl bekanntesten
Vertreter dieser Zunft.] Finanziert wurde die Studie von der
gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung sowie der Gesellschaft für
Freiheitsrechte.
Die Studie bestätigte, dass Anwälte zunehmend bereits im Vorfeld von
Medienberichten eingeschaltet werden. Als Grund wird die neue
digitalisierte Öffentlichkeit vermutet. Wenn Artikel im Internet quasi ewig
präsent bleiben und in sozialen Netzwerken unüberschaubar weiterverbreitet
werden, kann es für die Betroffenen wichtig sein, schon die
Veröffentlichung zu verhindern oder wenigstens zu beeinflussen.
Dass betroffene Unternehmen oder Prominente oft schon im Vorfeld von
geplanten Enthüllungen erfahren, ist eine Folge des Presserechts. Wenn über
einen Verdacht berichtet wird, müssen die Betroffenen vorab Gelegenheit zur
Stellungnahme bekommen. Allerdings ist es in aller Regel nicht möglich, mit
einer Klage schon vor der Veröffentlichung das Verbot eines vermeintlich
falschen oder ehrverletzenden Berichts durchzusetzen. Denn was konkret in
dem Artikel steht, ist eben erst nach der Veröffentlichung bekannt.
## Warnschreiben für zulässig erklärt
Vor rund 15 Jahren begannen Anwälte daher, Informations- und Warnschreiben
zu verschicken. Darin wird erläutert, was aus Sicht des Mandanten richtig
und was falsch ist. Oft wird dabei auf angeblich falsche Berichte anderer
Medien reagiert, die auf keinen Fall übernommen werden sollten. Zumindest
unterschwellig wird dabei auch mit rechtlichen Schritten gedroht, falls
Rechte der Mandanten verletzt würden. [3][Der Bundesgerichtshof hat solche
Schreiben Anfang dieses Jahres für zulässig erklärt], denn sie dienten dem
effektiven Schutz der Persönlichkeitsrechte.
Wie die Studie nun ergab, lassen sich Journalisten und Medien durch solche
Warnschreiben ohnehin nicht einschüchtern. Wer viel Arbeit in eine
Recherche gesteckt hat, kann in der Regel selbst gut abschätzen, ob seine
Informationen belastbar sind. Die Anwaltsschreiben werden zwar zum Anlass
genommen, die eigenen Ergebnisse noch einmal zu prüfen, aber je
sorgfältiger die Journalisten recherchiert haben, umso geringer der Effekt
der anwaltlichen Intervention, so die Studie.
Manche Journalisten fühlen sich durch solche Schreiben sogar geradezu
angespornt. Andere nehmen sie als Anregung, überhaupt Recherchen zu
beginnen. Auch unter den Anwälten verzichten viele auf dieses oft
kontraproduktive Mittel. Praktische Bedeutung haben solche
Informationsschreiben vor allem noch im Boulevardbereich, wo viele
Falschmeldungen unterwegs sind.
## Einfluss der Berichterstattung
Wenn Anwälte für Wirtschaftsunternehmen tätig werden, versuchen sie eher,
die Berichterstattung zu beeinflussen. Die Anwälte beantworten dann Fragen
von Journalisten, schreiben Pressemitteilungen, organisieren
Hintergrundgespräche, um die Sicht ihrer Mandanten zu verdeutlichen. Diese
Form der Öffentlichkeitsarbeit wird meist als Krisenkommunikation oder
Reputationsmanagement bezeichnet. Dabei arbeiten die Juristen oft mit
PR-Agenturen zusammen. Für Journalisten, die beide Seiten hören wollen,
sind solche Informationsangebote eher nützlich, auch um die eigenen
Recherche noch einmal zu überprüfen.
Die Studie fand auch keine Belege für die These, dass gerade freie
Journalisten nicht mehr wagen, heikle Recherchen gegen finanzstarke Akteure
anzupacken. Der Grund hierfür ist aber banal: Freie Journalisten werden in
der Regel so schlecht bezahlt, dass sie sich aufwendige investigative
Recherchen eh nicht leisten können.
9 Aug 2019
## LINKS
[1] https://freiheitsrechte.org/pk-studie-pressefreiheit/
[2] /Prozess-um-Boehmermanns-Schmaehgedicht/!5484837
[3] /FAZ-Klage-gegen-Medienanwaelte/!5566267
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Studie
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Anwalt
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Presserecht
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