# taz.de -- „FAZ“-Klage gegen Medienanwälte: Warnfaxe sind rechtens | |
> Anwaltliche Warnschreiben an Medien sind zulässig, sagt der | |
> Bundesgerichtshof. Sie müssen allerdings relevante Informationen | |
> enthalten. | |
Bild: Ein Warnfax alle paar Wochen ist keine Einschüchterung, sondern gehört … | |
Seit einigen Jahren verschicken Anwaltskanzleien, die sich auf den Schutz | |
der Persönlichkeitsrechte von Prominenten spezialisiert haben, ungefragt | |
„presserechtliche Informationsschreiben“ an Medien. Meist wollen die | |
Anwälte damit verhindern, dass Nachrichten über ihre Mandanten, die in | |
anderen Medien veröffentlicht wurden, von weiteren Zeitungen aufgegriffen | |
werden. | |
In den Schreiben wird dann vorsorglich behauptet, die Verbreitung der | |
Information sei rechtswidrig und es werden zivil- und strafrechtliche | |
Schritte angedroht. Die Kanzlei Schertz Bergmann in Berlin gehört zu den | |
führenden Kanzleien auf diesem Gebiet. Es ist die Kanzlei des Anwalts | |
Christian Schertz, der unter anderem den Moderator Jan Böhmermann in | |
[1][dessen „Schmähgedicht“-Streit gegen den türkischen Staatspräsidenten | |
Recep Tayyip Erdoğan] vertritt. | |
Der Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erklärte in einem | |
Rechtstreit, er habe in der Zeit von Mitte 2012 bis Mitte 2016 insgesamt 53 | |
derartige Warnschreiben von Schertz Bergmann erhalten. Der FAZ-Verlag hatte | |
die Kanzlei aufgefordert, solche Schreiben – jedenfalls per Fax – künftig | |
zu unterlassen. Denn hierdurch würden unnötig die Fax-Geräte blockiert. | |
Generell seien solche Schreiben geeignet, Redaktionen einzuschüchtern. | |
Zumindest führten sie in der Redaktion und im Justiziariat zu Mehrarbeit, | |
weil die Schreiben gelesen und juristisch bewertet werden müssen. | |
Zunächst bekam der Verlag Recht. Das Landgericht Frankfurt am Main | |
entschied im März 2017: Eine Zeitung könne die vorsorgliche Zusendung | |
solcher Informationsschreiben ablehnen, solange kein Anhaltspunkt besteht, | |
dass sie eine Berichterstattung über den jeweiligen Promi überhaupt plant. | |
## Ein Fax hin und wieder ist zumutbar | |
In der Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M hatte im Dezember | |
2017 dann jedoch die Kanzlei Schertz Bergmann Erfolg. Es sei „noch nicht | |
unzumutbar“, wenn die FAZ von der beklagten Kanzlei rund alle vier Wochen | |
ein Fax erhalte. Der Mehraufwand für die Lektüre solcher Schreiben sei | |
„gering“. | |
Mit solchen Informationen müsse sie sich die FAZ auch behelligen lassen, | |
wenn sie über einen dort angesprochenen Prominenten und eine bestimmte | |
zweifelhafte Information noch gar nicht berichtet hat. Denn die Frankfurter | |
Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) greife in ihrer Rubrik „Herzblatt“ oft | |
Themen aus Boulevardzeitungen auf und präsentiere diese mit Häme und in | |
süffisanter Weise. Deshalb sei es legitim, die FAZ/FAS vor Fehlern zu | |
warnen. Mit unverlangt zugesandter Werbung seien die Informationsschreiben | |
der Kanzlei nicht zu vergleichen, so das OLG. | |
Solche Schreiben führten auch nicht zur Einschüchterung von Journalisten, | |
denn die FAZ/FAS sei ein „seriöses“ Presseunternehmen „mit einem | |
hervorragenden Ruf“ und ohnehin gehalten, die Persönlichkeitsrechte zu | |
achten, betonten die OLG-Richter. | |
## „FAZ“ verbreitete irreführende Meldung | |
Diese Argumentation des OLG Frankfurt/M. hat nun der BGH in der Revision im | |
Kern gebilligt. Die Zusendung eines presserechtlichen | |
Informationsschreibens greife in der Regel nicht rechtswidrig in das „Recht | |
am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb eines Presseunternehmens“ | |
ein. Sie seien vielmehr durch ihr Ziel gerechtfertigt: Den effektiven – | |
möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden – Schutz des | |
Persönlichkeitsrechts der Mandanten. So könnten Rechtsverstöße von | |
vornherein verhindert oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung eingeschränkt | |
werden, betonte der BGH. | |
Gewonnen hat der FAZ-Verlag allerdings den konkreten Rechtstreit um ein | |
bestimmtes Schreiben. Dabei hatte sich die Kanzlei Schertz Bergmann für die | |
Interessen des Sängers Herbert Grönemeyer eingesetzt. Wie der BGH jetzt | |
feststellte, sind Informationsschreiben ungeeignet und damit rechtswidrig, | |
wenn sie keine Informationen enthalten, die dem Medium „die Beurteilung | |
erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung | |
verletzt werden“. | |
Über den Inhalt des BGH-Urteils gab es zunächst Verwirrung. Die FAZ | |
meldete: [2][“keine Drohbriefe mehr“], „das Faxen derartiger Schreiben ist | |
somit untersagt“. Dabei hat die FAZ den Prozess im Grundsätzlichen doch | |
verloren. Denn die vorsorglichen Warnschreiben sind gerade nicht untersagt. | |
Die Verwirrung ist auch auf die unglückliche Pressearbeit des BGH | |
zurückzuführen, der das interessante Verfahren nicht angekündigt hatte. | |
Nach vielen Medienanfragen veröffentlichte der BGH dann am Mittwoch | |
Nachmittag doch noch eine Pressemitteilung, um den entstandenen Irrtum | |
auszuräumen. | |
(Az.: VI ZR 506/17) | |
17 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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