# taz.de -- Jan Böhmermanns erste Kunstaustellung: Das „t“ ist nach rechts… | |
> In Düsseldorf zeigt Jan Böhmermann seine Ausstellung „Deuscthland“. Eine | |
> Reise per Virtual-Reality-Brille durchs Führerhauptquartier. | |
Bild: Jan Böhmermann und William Cohn und ihre Interpretation des Lichtenhagen… | |
Viel interessanter als die Frage, was die Ausstellung „Deuscthland“ von Jan | |
Böhmermann und der bildundtonfabrik (btf) zeigt, ist eigentlich die Frage, | |
warum es sie überhaupt gibt. Warum versucht sich ein Satiriker, dem mit dem | |
„Neo Magazin Royale“ eine regelmäßige Fernsehsendung zur Verfügung steht | |
und dessen YouTube-Videos teils mehr als 25 Millionen Mal geklickt werden | |
([1][„Polizistensohn“]), an einem Format, das wesentlich weniger | |
publikumsträchtig ist? | |
Ein paar Journalisten, die im Vorfeld nach einem Interview gefragt oder | |
sonst wie genervt haben, dürfen es auf einer quasi geheimen Presserunde am | |
Eröffnungstag von Böhmermann selbst erfahren. Beim Rundgang turnt er im | |
blauen Kapuzenpulli mit seinem Museumspublikum im knapp bemessenen | |
Ausstellungsraum des Düsseldorfer NRW-Forums herum, stellt sich persönlich | |
vor („Ich bin der Jan“) und entschuldigt sich für Exponate, die noch nicht | |
richtig funktionieren: „Das Internet ist hier drin einfach zu schlecht.“ | |
Deshalb ist es zum Beispiel noch nicht möglich, im Meinungsautomaten seine | |
Stimme abzugeben: Schuldig oder unschuldig? Israel oder Palästina? Familie | |
oder Karriere? Drückt der Besucher einen Button, soll der Automat | |
eigentlich ein Foto von ihm machen und samt Entscheidung bei Twitter | |
posten. Tja, klappt noch nicht. Im Laufe des Donnerstags scheint das | |
allerdings behoben, zumindest spuckt der Twitter-Account [2][@deuscthland] | |
diverse solcher Fotos aus. | |
Mit dem Internet hapert es zu diesem Zeitpunkt auch noch im „Rechtsfreien | |
Raum“, wo Böhmermann und die btf das strafrechtliche Verfahren und die | |
öffentliche Diskussion um das Erdoğan-Gedicht zu Kunst gemacht haben. Der | |
Besucher soll hier unter anderem auf Monitoren die aktuelle Rechtslage des | |
Satirestreits auf der Internetseite des Landgerichts Hamburg einsehen | |
können und die Bundestagsdebatte vom 12. Mai 2016, in der ein Auszug von | |
Böhmermanns Moderationstext vorgetragen wurde. | |
## Ein Herz, eine erhobene Faust, ein Zwinker-Smiley | |
Dass zum Start das Internet streikt, gehört wohl nicht zur geplanten | |
Inszenierung der Ausstellung, berührt aber einen Kern ihres Konzepts: Eine | |
Vielzahl der Kunstwerke ist dem virtuellen Diskursraum entnommen, durch den | |
Jan Böhmermann und sein redaktionelles Team sich tagtäglich arbeiten, um | |
neue Absurditäten und Monstrositäten zutage zu fördern. Die Installation | |
„Neuland“ etwa besteht aus einem historischen Nadeldrucker, der auf | |
Endlospapier angeblich in Echtzeit die Tweets von 2.072 deutschen Amts- und | |
Mandatsträgern protokolliert. | |
Die jüngste Arbeit, ein „Wand-Tattoo“, ist ein Gedicht im erodierten | |
Sprachgestus der sozialen Medien, überschrieben mit „chris tall nacht 9-11 | |
in den drunterkommentaren“. Hiermit bezieht sich Böhmermann auf einen | |
Auftritt des Comedians Chris Tall, der sein Publikum in Köln anheizte mit | |
dem Satz: „Lasst uns die Bude abfackeln – jetzt ist Chris-Tall-Nacht!“, u… | |
inszeniert sich selbst als Künstler aus Dringlichkeit, der nachts mit | |
viereckigen Augen vor den Bildschirmen sitzt und nicht glauben kann, was er | |
liest und sieht. Sein kleinstes Ausstellungsstück heißt „Mantra“ und zeigt | |
drei mit Kuli auf zerknittertes Papier geschmierte Emojis: ein Herz, eine | |
erhobene Faust, ein Zwinker-Smiley. Man kann es als Selbstporträt lesen: | |
Böhmermann als Witzereißer, kämpferischer Aufklärer – und sein Herz schl�… | |
links. | |
Vom Internet, und damit der Welt des Teilens und Kommentierens, ist der | |
Ausstellungsbesucher allerdings abgeschnitten. Den Eingang bildet ein | |
Kontrollhäuschen, an dem er Smartphones, Kameras und Aufnahmegeräte abgeben | |
muss. „Das hat auch mit Eitelkeit zu tun“, sagt Böhmermann. „Wir wollten | |
der Ausstellung nicht das Neue nehmen, indem ihre Bilder auf allen Kanälen | |
geteilt werden.“ 250 Fächer für Smartphones gibt es – das sei die | |
„Obergrenze“ an Menschen, die die Ausstellung gleichzeitig besuchen können. | |
Am Kontrollhäuschen muss der Besucher außerdem entscheiden, ob er sich in | |
der linken Reihe für „Deutsche“ oder rechts als „Ausländer“ anstellt.… | |
Journalisten warten fast ausschließlich links – was ein diskussionswürdiges | |
Bild der deutschen Medienlandschaft zeichnet. Hier schafft die Schau also | |
schon in ihrer Eingangssituation, woran sich viele andere erfolglos | |
versuchen: Diskurse anzustoßen. | |
## Angela Merkels Outdoorkleidung | |
Ansonsten ist „Deuscthland“ (Zitat Böhmermann: „Das t ist nach rechts | |
gerückt“) weder der ganz große Wurf noch die schwere Provokation. | |
Böhmermann bezeichnet sie selbst als „Blick in den Maschinenraum“ der btf, | |
seiner Produktionsfirma. Sie versammle Ideen, die sich über Jahre | |
angesammelt und nicht ins Fernsehen gepasst hätten. | |
Einige Werke sind allerdings direkt mit den Arbeiten fürs Fernsehen | |
verknüpft: die virtuelle Fahrt durch den „Reichspark“ zum Beispiel, das | |
fiktive Projekt eines NS-Erlebnisparks, dem Böhmermann seine vorletzte | |
Sendung im Stil einer Dokumentation gewidmet hat. Der Ausstellungsbesucher | |
fährt mit Kopfhörern und einer Virtual-Reality-Brille durch | |
Führerhauptquartier und Führerbunker, erlebt die Schlacht um Stalingrad und | |
die Bombardierung Dresdens. „Das Reichspark-Projekt so auszuformulieren ist | |
hart an der ethischen Grenze“, sagt er, „deshalb haben wir es im | |
Ausstellungskontext gemacht und nicht im Fernsehen.“ | |
Auch die Ausstellung von Angela Merkels Outdoorkleidung – Karohemd, beige | |
Kappe, beige Hose, braune Wanderschuhe – spielt im Grenzbereich zwischen | |
Realität und Fiktion, den Böhmermann und die btf mit frisch verlängertem | |
Vertrag beim ZDF noch stärker beackern wollen: Ist das wirklich die | |
Kleidung der Kanzlerin, wie ein Dokument aus dem Kanzleramt beweisen soll? | |
Wird hier also wirklich Macht greifbar, fassbar gemacht? | |
Und um zurück zur eingangs gestellten Frage zu kommen: Warum überhaupt | |
diese Ausstellung? Jan Böhmermann erklärt es mit einem Vergleich: „Wenn | |
Fernsehen machen wie Bahnen schwimmen ist, dann ist das hier wie ein Sprung | |
ins Mittelmeer.“ Die Freiheit der Arbeit sei im musealen Kontext noch | |
größer, die Werke beständiger. Im Tagesgeschäft der TV-Produktion werde | |
eben vieles mit der heißen Nadel gestrickt und durch die Forderungen der | |
Aktualität begrenzt. „Außerdem macht es heute keinen Sinn mehr, sich auf | |
ein Medium zu begrenzen. Es macht Spaß, und ich habe Lust darauf, | |
rauszugehen.“ | |
24 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=PNjG22Gbo6U | |
[2] https://twitter.com/deuscthland | |
## AUTOREN | |
Max Florian Kühlem | |
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