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# taz.de -- Zwei Ausstellungen im Ruhrgebiet: Wie die Farbe selbstständig wurde
> Das Museum Quadrat in Bottrop und das Museum unter Tage in Bochum
> untersuchen die Rolle der Farbe in der Gegenwartskunst.
Bild: Rolf Julius (1939–2011), Grün Gelb, 1987/2015
Wer lernen will, welche Rolle Farben in der Kunst spielen, wie stark sie
wirken und unsere Wahrnehmung beeinflussen, der muss ins Ruhrgebiet fahren.
Zwei erstaunliche Ausstellungen beschäftigen sich dort mit diesem Thema.
Verbindung stiften berühmte Quadrate.
[1][Josef Albers] hat zwischen 1950 und 1976 über 2.000 Bilder seiner
Studie „Hommage to the Square“ gemalt: Die Bilder ineinander
verschachtelter, verschiedenfarbiger Quadrate stellten den Gipfelpunkt
seiner künstlerischen Entwicklung dar, die man in der Ausstellung „Der
junge Josef Albers. Aufbruch in die Moderne“ im Museum Quadrat in seiner
Heimatstadt Bottrop ab den ersten Tuschezeichnungen nachverfolgen kann.
Die wundervolle Architektur des Hauses verneigt sich mit großen Glaskuben
vor der wunderschönen Natur des Stadtparks – und tatsächlich ist das ein
wichtiger Faktor für die Betrachtung der Bilder. Albers wollte mit seinen
Quadraten zeigen: Die Farben an sich, ihre Wechselwirkung, ihre Umgebung –
alles spielt in die Wahrnehmung mit hinein. Plötzlich entsteht in den nur
scheinbar statischen, zweidimensionalen Gemälden Bewegung, entsteht Tiefe,
entstehen Räume, beginnen die Formen kraft ihrer Farben um Vorherrschaft im
Bild zu kämpfen, Blicke zu lenken.
Auch im Bochumer Museum unter Tage sind aktuell zwei Bilder aus Albers’
„Hommage to the Square“ zu sehen. Dort untersuchen die Kuratoren der Schau
„Farbanstöße – Farbe in der neuen Kunst“ wie sich der künstlerische Um…
mit Farbe Anfang des 20. Jahrhunderts enorm ausdifferenziert – und wie
diese Entwicklung seit den 1960ern noch einen weiteren Schub bekam.
Auch das Museum unter Tage liegt in einem schönen Park, dem Bochumer
Schlosspark Weitmar, der in diesen Tagen von den Grünschattierungen des
Sommers in die ausufernde Farbigkeit des Herbstes umschlägt. So wird der
Spaziergänger, der sich in der Natur an den sterbenden Blättern nicht
sattsehen kann, in der Ausstellung noch weiter euphorisiert.
Im ersten Raum zeigt sie noch eher klassische Gemälde, Landschaftsmalerei
der Moderne: Erich Heckel etwa hat 1914 den „Park von Dilborn“ gemalt,
eigentlich eine niederrheinische Idylle, die ihm angenehmer Rückzugsort
war. Doch das drohende Unheil des Ersten Weltkriegs war in seinem
künstlerischen Blick offenbar schon so präsent, dass er Landschaft als
Angstraum darstellte – und dabei spielt die Farbigkeit die größte Rolle.
Der Himmel ist gewittergelb und schwarz, die Wiese giftgrün, die Bäume
Schatten, Wege führen in die Dunkelheit.
## Farbe, die mit der Zeit verändert
In den weiteren Räumen scheinen Farben und künstlerische Formen regelrecht
zu explodieren. Die 85 Werke stammen von 59 teils sehr namhaften Künstlern:
Nam June Paik hat 1988 eine Staffelei mit eingearbeitetem Fernsehmonitor in
Testbildfarben bemalt und „Das erste Gemälde des 21. Jahrhunderts“ genannt,
Sigmar Polke 1990 ein großformatiges Bild mit einer Farbmischung aus Öl und
Harz bemalt, die sich mit der Zeit verändert.
Wer eine Vorstellung eines alles verschlingenden schwarzen Lochs entwickeln
will und bei dem unscharfen Foto, das im Frühjahr ein Netzwerk von
Astronomen um die Welt schickte, eher schmunzeln musste, sollte es mit der
Betrachtung von Gotthard Graubners „Nänia III, Farbraumkörper“ versuchen:
Das sogenannte Kissenbild wölbt sich tatsächlich wie ein weiches Kissen in
den Raum hinein, seine ungemein starke Sogwirkung entwickelt es allerdings
vor allem durch seine dunkle Farbigkeit. Es scheint den Blick zu fangen und
nicht mehr freigeben zu wollen.
Als die Kuratoren des an die Ruhr-Universität Bochum angeschlossenen
Museums Kunstprofessor Tobias Vogt um einen Beitrag baten, fragte dieser
sofort nach der Farbe Rosa. Bisher war sie in der Ausstellung kaum
vertreten. Im spannenden Beitrag „Rosa. Geschlechter einer Farbe“ erzählt
er jetzt im Ausstellungskatalog, wie die Hautfarbe der traditionellen
europäischen Malerei erst zur empfohlenen Kleidungsfarbe für Jungen und
dann für Mädchen wurde, wie sie als Kennzeichnung für homosexuelle
KZ-Häftlinge missbraucht und heute stolz als Farbe der Queer Culture
getragen wird.
Auch in die Schau hat das Rosa gefunden: Mario Nigro malte 1983 einen
schwarzen Strich auf rosa Untergrund. Ein Horizont, der plötzlich abbricht.
Eine Landschaft, die unser Erkenntnisapparat mit Formen, Erinnerungen,
vielleicht mit einem milden, warmen Gefühl füllt – das allein die Farbe
hervorruft.
10 Nov 2019
## LINKS
[1] /Mailaender-Museo-delle-Culture-eroeffnet/!5245598
## AUTOREN
Max Florian Kühlem​
## TAGS
zeitgenössische Kunst
Museum unter Tage
Josef Albers Museum Quadrat Bottrop
Bildende Kunst
Algorithmen
Ausstellung
Theater
Jan Böhmermann
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