| # taz.de -- Mailänder Museo delle Culture eröffnet: Wir sind nicht allein | |
| > Die Ausstellung „A Beautiful Confluence“ zeigt das Werk der | |
| > Bauhaus-Künstler Anni und Josef Albers im Kontext ihrer Reisen durch | |
| > Lateinamerika. | |
| Bild: Ausschnitt aus „Studie zu Camino Real“ von Anni Albers (Gouache auf B… | |
| Im Innenhof der ehemaligen Lokomotivwerke Ansaldo und in unmittelbarer Nähe | |
| zu den Werkstätten der berühmten Mailänder Scala wurde nach | |
| fünfzehnjähriger Planung nun das Museum der Kulturen (Museo delle Culture, | |
| MUDEC) in der norditalienischen Wirtschaftsmetropole fertiggestellt. | |
| Entworfen hat den sachlichen Museumsneubau, dessen Verkleidung aus | |
| Titanzink die industrielle Vergangenheit des Standorts aufgreift, der | |
| britische Stararchitekt David Chipperfield. Hinter den grau schimmernden | |
| Kuben ragt zentral platziert ein geschwungenen Glaskörper hervor, der im | |
| Inneren einen spektakulären Lichthof entstehen lässt. Über den erreicht man | |
| im oberen Stock die verschiedenen Ausstellungsbereiche des Hauses. | |
| „A Beautiful Confluence: Anni e Josef Albers e l’America Latina“ ist eine | |
| von vier Ausstellungen, mit denen das MUDEC sein Auftaktprogramm als | |
| interdisziplinäres Zentrum für die vielfältigen Kulturen der Welt eröffnet. | |
| Zwischen den abstrakt geometrischen Arbeiten des Künstlerpaares und der | |
| Formsprache präkolumbianischer Artefakte entwickelt diese Schau über zwei | |
| Säle einen spannenden Dialog. | |
| ## Lehrer am neu gegründeten Black Mountain College | |
| Anni (1899–1994) und Josef Albers (1888–1976) lernten sich Anfang der | |
| 1920er Jahre am Bauhaus in Weimar kennen. Josef Albers, der in Bottrop | |
| geborene Maler und Kunstpädagoge, war Leiter der Werkstatt für Glasmalerei | |
| am Bauhaus und unterrichtete dort zusammen mit Moholy-Nagy den Vorkurs für | |
| Design und Materialkunde. Anni Albers, geborene Fleischmann, stammte aus | |
| einer großbürgerlichen jüdischen Familie in Berlin. | |
| Sie kam 1922 nach Weimar und besuchte dort nach dem Vorkurs die | |
| Weberklasse. Als Nachfolgerin von Gunta Stölzl leitete die Textilkünstlerin | |
| zeitweilig die Weberei des Bauhauses. Nach der Machtübernahme der | |
| Nationalsozialisten und der endgültigen Schließung des Bauhauses 1933 | |
| nahmen Anni und Josef Albers die Einladung an, am neu gegründeten | |
| experimentellen „Black Mountain College“ in North Carolina zu lehren, und | |
| emigrierten in die USA. | |
| Schon bei Besuchen im damaligen „Museum für Völkerkunde“ in der | |
| Stresemannstraße in Berlin hatten Anni Albers die Muster und Strukturen der | |
| Textilien andiner Kulturen begeistert. Ende 1935 unternahmen Anni und Josef | |
| Albers im Auto von North Carolina aus ihre erste Reise nach Mexiko, der bis | |
| 1967 zwölf weitere folgen sollten. Auch besuchten sie Kuba, Chile und Peru. | |
| ## Die Geometrie präkolumbianischer Architektur | |
| Fasziniert von der Geometrie präkolumbianischer Architektur und | |
| archäologischer Artefakte hielt Josef Albers die Besichtigungen der | |
| Ausgrabungsorte auf systematisch arrangierten Kontaktabzügen fest, die ihm | |
| als eine Art Skizzenbuch für eigene abstrakte Bildkompositionen dienten. | |
| Die fotografischen Kollagen sind nun mit einer Auswahl ab 1940 entstandener | |
| Gemälde sowie Webarbeiten und Grafiken von Anni Albers in Mailand zu sehen. | |
| Im Zusammenspiel mit präkolumbianischer Keramik-, Schmuck- und Webkunst der | |
| auf den Reisen von den Künstlern zusammengetragenen Sammlung und ergänzt | |
| durch herausragende Exponate aus der ethnologischen Sammlung des MUDEC hat | |
| der US-amerikanische Kurator der Ausstellung und Leiter der [1][Josef and | |
| Anni Albers Foundation in Conneticut], Nicholas Fox Weber, versucht, Albers | |
| Gedanken eines künstlerischen Universalismus, eines geteilten Interesses in | |
| unterschiedlichen Welten anschaulich zu machen. „Wir sind nicht allein!“, | |
| riefen Anni und Josef Albers bei ihrem Besuch im Museum für Archäologie | |
| 1953 in Lima begeistert aus. | |
| Während des Presserundgangs bleibt der Kurator vor „Epitaph“ (1968), einer | |
| gold glänzenden Textilarbeit von Anni Albers stehen. In den | |
| präkolumbianischen Kulturen wurde Gold besonders wegen seiner Eigenschaft | |
| geschätzt Licht zu reflektieren, erläutert er und fügt hinzu „sie hat | |
| geschafft, mich das sehen zu lassen.“ Auch für Josef Albers künstlerisches | |
| Schaffen war das Thema Wahrnehmung zentral. So macht die in Mailand | |
| präsentierte „Variante“ (1948–1952) aus seiner Adobe-Serie in Dunkelrot, | |
| Orange und Rosa eindrücklich sichtbar, wie durch Farbe die Illusion | |
| ungleicher Flächenaufteilungen entstehen kann. | |
| ## Verzicht auf erläuternde Informationen | |
| Daneben zeigt eine Fotografie Josef Albers aus Oaxaca ein Fenster in einer | |
| Hausfassade, dessen Anordnung auf überraschende Weise mit dem benachbarten | |
| Adobe-Gemälde korrespondiert. Um Raum zu schaffen für solche und andere | |
| visuellen Erkundungen verzichtet „A Beautiful Confluence“ in den | |
| Ausstellungsräumen weitgehend auf erläuternde Informationen zu Kontext und | |
| Provenienz der Exponate. | |
| Leider erfährt man somit nur sehr wenig über die zahlreichen anregenden | |
| Künstlerkontakte, die Anni und Josef Albers in Lateinamerika knüpften – | |
| etwa zu der kubanischen Designerin Clara Porset, deren „Butaque“-Sessel | |
| Josef Albers zu dem in Mailand ebenfalls gezeigten „Mexican Chair B“ (1940) | |
| inspirierte. | |
| Doch besonders Anni Albers’ kleinformatige „Studie zu Camino Real“ (1967), | |
| ein Entwurf für einen 1968 realisierten Wandteppich im gleichnamigen Hotel | |
| in Mexiko-Stadt, zeigt im Museo delle Culture deutlich auf, wie gekonnt die | |
| Künstlerin das jahrhundertealte Wissen der andinen Weberinnen mit den | |
| Gestaltungsprinzipien ihres ehemaligen Bauhaus-Lehrers Paul Klee auf | |
| wunderbare Weise zu verbinden verstand – nicht zuletzt, weil sie deren | |
| Verwandtschaft erkannte. | |
| 29 Oct 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.albersfoundation.org | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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