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# taz.de -- Proteste in Kirgisien: „Land ohne einen Khan!“
> Rund 1.000 Menschen gehen in Bischkek gegen eine geplante
> Verfassungsänderung auf die Straße. Sie soll die Machtposition des
> Präsidenten ausbauen.
Bild: War nur vorübergehend Regierungschef: Sadyr Japarow
Berlin taz | In der kirgisischen Hauptstadt Bischkek sind am vergangenen
Wochenende knapp tausend Demonstrant*innen auf die Straße gegangen. Unter
Rufen wie „Land ohne einen Khan!“, „Nein zu einer Diktatur!“ und „Ihr…
nicht die Verfassung ändern!“ zogen die Protestierenden zu dem zentralen
Ala-Too-Platz.
Die Proteste richteten sich gegen eine geplante Änderung der Verfassung,
die in der vergangenen Woche bekannt geworden war und Gegenstand eines
Referendums sein soll. Die Volksabstimmung soll am 10. Januar 2021 und
damit zeitgleich zu vorgezogenen Präsidentenwahlen stattfinden.
Die Änderungen, die angeblich von 80 Abgeordneten unterstützt worden sein
sollen, sehen weitere Vollmachten für den Präsidenten vor. So wird die
Regierung, der ein neues Organ, der Volkskongress, zur Seite gestellt wird,
künftig direkt vom Präsidenten und seiner Verwaltung kontrolliert. Zudem
darf der Präsident Mitglieder für Gerichte aller Ebenen ernennen – bis hin
zum Verfassungsgericht. Demgegenüber wird die Anzahl der
Parlamentsabgeordneten von 120 auf 90 reduziert.
Zudem könnte es auch für die Freiheit der Medien und der Kunst künftig
massive Einschränkungen geben. So sieht der neue Artikel 23 vor, dass
jegliche Medieninhalte oder öffentlichen Veranstaltungen, die in
Widerspruch zu den allgemein akzeptierten moralischen Werten sowie
Traditionen des kirgisischen Volkes stehen, verboten werden können. Was
genau unter diesen moralischen Werten zu verstehen ist, wird in dem
Dokument nicht weiter ausgeführt.
## Handschrift von Sadyr Japarow
Kritiker*innen sehen hinter den Verfassungsänderungen die Handschrift von
Sadyr Japarow. Er war [1][im Zuge von Protesten] nach der mittlerweile für
ungültig erklärten Parlamentswahl vom 4. Oktober aus der Haft befreit
worden und hatte kurze Zeit später das Amt des Regierungschefs und
vorübergehend auch die Präsidentschaft übernommen.
In dieser Eigenschaft hatte er [2][für den 10. Januar 2021 eine vorgezogene
Präsidentschaftswahl angesetzt]. Eine Wiederholung der Parlamentswahl, die
am 20. Dezember hätte stattfinden sollen, hatte er auf unbestimmte Zeit
verschoben. Laut einer Verordnung müsste die Abstimmung aber innerhalb von
zwei Monaten stattfinden.
Der ehemalige Regierungschef Felix Kulow sprach davon, dass es bei den
Verfassungsänderungen einzig und allein darum gehe, die absolute
Machtposition des Präsidenten auszubauen und abzusichern. Der Abgeordnete
Dastan Bekeschew sieht einen Rückfall in die finstersten Zeiten des
Autoritarismus unter dem damaligen Präsidenten Kurmanbeck Bakijew. Der war
2010 gestürzt worden.
Ivar Dale vom norwegischen Helsinki-Komitee verweist auf die unpräzise
Formulierung des Artikels 23. Die geplante Regelung könne die
Meinungsfreiheit aller Kirgis*innen empfindlich einschränken, sagte er dem
Sender Radio Free Europe.
Die Gruppe Baschtan Baschta („Benutze deinen Kopf!“), eine der
Mitorganisator*innen der Kundgebung vom Wochenende, hat bereits weitere
Proteste angekündigt. Sie wollen jede Woche marschieren – bis zum 10.
Januar.
23 Nov 2020
## LINKS
[1] /Machtkaempfe-in-Kirgistan/!5717327
[2] /Tom-Callaghan-ueber-Proteste-in-Kirgistan/!5726467
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
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