# taz.de -- Proteste in Frankreich: In Wut vereint | |
> Überall in Frankreich protestieren Menschen gegen die Regierung. Die | |
> Polizei verhindert jedoch geplante Blockaden durch teils rabiates | |
> Vorgehen. | |
Bild: Die französische Polizei geht wie gehabt brutal gegen Demonstrant*innen … | |
Paris taz | Während in Paris die aktuellen Regierungsmitglieder der | |
Amtsübergabe zwischen Ex-Premierminister François Bayrou und seinem [1][von | |
Präsident Emmanuel ernannten Nachfolger Sébastien Lecornu] beiwohnten, | |
demonstrierten an unzähligen Orten, vor Schulen und Unternehmen, auf | |
Straßen und Plätzen viele Tausende unzufriedene Bürger und Bürgerinnen, vor | |
allem gegen die Sparpolitik. Sie folgten dabei einem seit Wochen auf | |
sozialen Netzwerken zirkulierenden Appell, [2][an diesem 10. September das | |
Land zu „blockieren“.] | |
Eine erste Zwischenbilanz ist nicht einfach, da in den wichtigsten Medien | |
nur sehr begrenzt über die verschiedenen Aktionen außerhalb der Hauptstadt | |
informiert wurde, in den Netzwerken hingegen häuften sich im Verlauf des | |
Tages Meldungen und Kommentare zu unterschiedlichsten Protesten. Viele | |
dieser Aktionen waren in den Tagen zuvor bei lokalen Versammlungen | |
diskutiert und beschlossen worden, andere erfolgten improvisiert. | |
Die Ringautobahnen um Paris, Rennes und Toulouse wurden vorübergehend von | |
Demonstrant*innen gesperrt, ebenso eine Autobahn bei Poitiers sowie | |
eine Ausfahrt in Marseille. Die Zugänge zu rund 180 Mittelschulen wurden | |
ebenfalls blockiert, einige davon wurden dann nach Konfrontationen zwischen | |
Jugendlichen und der CRS-Ordnungspolizei geschlossen. | |
Aus Straßburg wurde von einer Fahrradkundgebung berichtet. Eine | |
Teilnehmerin, Chloé, sagte dazu: „Das erlaubt es uns, sichtbar zu sein und | |
den Verkehr zu behindern, ohne gleich schwere Repression zu riskieren.“ | |
Fast überall nämlich griffen die Ordnungskräfte so früh wie möglich ein. | |
Innenminister Bruno Retailleau hatte dazu 80.000 Angehörige der Polizei und | |
der Gendarmerie aufgeboten. Er befürchtete Aufruhr oder gar den Beginn | |
eines Aufstands, denn der Aufruf zu friedlichen Kundgebungen werde von | |
„linksextremen und ultralinken Gruppen konfisziert und umfunktioniert“, | |
welche die gewaltsame Auseinandersetzung suchten, so Retailleau. | |
## Besetzung eines Bahnhofs verhindert | |
Die Polizisten sollten vermeiden, dass neuralgische Einrichtungen von | |
„lebenswichtigem Interesse“ besetzt oder gelähmt würden. So wurden in Par… | |
rund 1000 zum Teil maskierte und mit Gasmasken ausgerüstete Demonstrierende | |
daran gehindert, in den Bahnhof Gare du Nord zu marschieren. Bei Lyon wurde | |
eine Aktion vor einer Erdölraffinerie gestoppt. Auch gelang es der Polizei | |
in Paris, an der Porte de la Chapelle die Errichtung einer Barrikade zu | |
vereiteln und so die wichtigste nördliche Zufahrt zum Pariser Zentrum offen | |
zu halten. | |
In Clermont-Ferrand versuchten Demonstrierende vergeblich, den Eingang | |
eines Einkaufszentrums zu sperren. Noch vor Mittag waren in Frankreich laut | |
Behördenangaben mehr als 200 Personen festgenommen worden. | |
Der öffentliche Schienen- und Flugverkehr musste wegen Streiks nur | |
reduziert werden. Wirklich stillgelegt wurde das wirtschaftliche und | |
öffentliche Leben in Frankreich nicht. Das verdankt die Staatsführung nicht | |
zuletzt den 80.000 Ordnungskräften, die neben 30 Hubschraubern und den | |
üblichen Wasserwerfern auch Drohnen einsetzten, um Ansammlungen schnell | |
unterbinden zu können. | |
Dass die Polizeibeamten bei ihrem Einsatz nicht immer die Nerven behielten, | |
beweist ein auf den Netzwerken [3][zirkulierendes Video, auf dem zu sehen | |
ist, wie die linke Abgeordnete Danielle Simonnet von Polizisten der | |
Eingreiftruppe BRAV mit unnötiger Brutalität aus einem Pariser Café auf die | |
Straße geworfen wird.] | |
Die Demonstrationen verteilten sich auf mehrere Städte: Tausende sammelten | |
sich auf den Pariser Plätzen La République und Le Chatelet, in Marseille, | |
Montpellier, Rennes, Toulouse und auch kleineren Städten. Im Zentrum der | |
Debatten stand dabei, wie die Proteste nach diesem ersten Tag weitergehen | |
sollen. | |
Ein Programm oder einen gemeinsamen Forderungskatalog gibt es nicht. Geeint | |
scheint die Bewegung nur von der Wut, dem „ras-le-bol“, auf die Staatsmacht | |
und generell die Eliten und Privilegierten zu sein. Sie wird von linken | |
Parteien und Organisationen und Gewerkschaften unterstützt, sie bleibt aber | |
weitgehend unkontrollierbar und auch unberechenbar, wie vor 7 Jahren die | |
Gelbwesten. Für den 18. September rufen die Gewerkschaften zu landesweiten | |
Streiks auf. | |
10 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Sebastien-Lecornu-soll-Regierung-bilden/!6113188 | |
[2] /Generalstreik-in-Frankreich/!6109074 | |
[3] https://www.instagram.com/reel/DOaz627CBAn/ | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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