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# taz.de -- Frankreich wird von Fitch „abgewertet“: 50 Jahre Defizit – un…
> Wie erwartet hat die US-Ratingagentur Fitch Frankreichs Kreditwürdigkeit
> von AA- auf A+ herabgestuft. Die Finanzmärkte setzen so Frankreichs
> Regierung und ihre Haushaltspolitik unter Druck.
Bild: Der frisch berufene französischen Premierminister Sébastien Lecornu sol…
PARIS taz | Wird Frankreich demnächst mangels ernsthafter Anstrengungen zum
Schuldenabbau unter die Fuchtel des Internationalen Währungsfonds oder der
EZB geraten wie [1][unlängst Griechenland und Portugal]? Laut Experten ist
dies unwahrscheinlich. Die internationalen Finanzmärkte schätzen die
[2][politische Krise und die gegenwärtige Ungewissheit in Frankreich]
jedoch nicht. Bezeichnend dafür ist die Herabstufung des Landes als
Kreditnehmer durch die US-amerikanische Ratingagentur Fitch von der
bisherigen Note AA- auf A+.
Die Botschaft der Kritik ist unmissverständlich: Frankreich könne sich
seinen sozialen Wohlfahrtsstaat nicht leisten.
Vor allem aber stört es die Finanzmärkte, dass mit dem [3][Rücktritt von
Premierminister François Bayrou] auch der Versuch, mit Einsparungen von 44
Milliarden Euro eine Tendenzwende in Richtung Schuldenabbau einzuleiten,
vom Tisch ist.
Vielleicht hat Bayrou mit seiner Schwarzmalerei übertrieben, doch die
Zahlen sind nicht anzufechten. Frankreichs Schuldenberg wird bis Ende des
Jahres auf mehr als 3400 Milliarden Euro angewachsen sein. Das entspricht
115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Kosten für den Schuldendienst
steigen. Schon jetzt muss Frankreich ebenso viel oder mehr an Zinsen für
neue 10-jährige Anleihen berappen wie Spanien, Portugal, Italien und
Griechenland. Im laufenden Jahr geht dafür eine Summe von 65 Milliarden
Euro über den Tisch. Das ist mehr als der jährliche Etat für die Erziehung
oder die Verteidigung.
Die Frage ist legitim, wie es zu dieser Schuldenkrise kommen konnte und wer
eventuell daran schuld sein könnte. Laut Bayrou lebt die Generation der
„Boomer“ auf Kosten der Nachgeborenen, statt für die Zukunft vorzusorgen.
Das ist kein sehr nettes Urteil über die heutigen Rentner. Sie werden für
die großzügige Finanzpolitik der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich
gemacht. Die offizielle Statistik bestätigt, dass seit 1974 kein
Staatshaushalt mehr ausgeglichen war. Das heißt, jedes Jahr hat Frankreich
mehr ausgegeben als eingenommen.
Es ist in Frankreich – wohl nicht zuletzt wegen einer an Revolten und
Revolutionen reichen Geschichte – eine lange Tradition, Ruhe und Ordnung
mit sozialen Zulagen und einem ausgebauten Dienstleistungssektor zu
erkaufen. Auf der Anklagebank sitzen darum alle Regierungen, linke wie
rechte, die es auch in guten Jahren vorgezogen haben, sich die Gunst des
Volkes zu erhalten. Bayrou sprach darum kurzerhand auch von einer
kollektiven Verantwortung der Nation: „Die Verschuldung – das ist jeder von
uns.“ Alle schuld und letztlich keiner?
Es wäre aber eine Vereinfachung, einseitig die Sozialausgaben oder die Zahl
der Beamten anzuprangern, wie dies die neoliberalen Kritiker gern machen.
Das französische Wirtschaftsmodell basiert auch nach der Privatisierung der
meisten Staatsunternehmen auf öffentlichen Investitionen und
Interventionen. Diese sind mal mehr, mal weniger sinnvoll. Und vor allem
werden die Ergebnisse der staatlichen Hilfe für die Wettbewerbsfähigkeit
ebenso wenig kontrolliert wie aufwändige Programme zum Abbau der
Arbeitslosigkeit.
Der jetzige [4][Staatschef Emmanuel Macron rangiert klar an erster Stelle
der präsidialen Schuldenmacher]: Von Juni 2017, als er an die Macht kam,
bis März 2025 sind Frankreichs Schulden von 2281 Mrd. auf 3345 Mrd. Euro
angestiegen. Für die Opposition ist er damit „Monsieur 1000 milliards“,
also der Hauptverantwortliche dafür, dass das Minus immer dicker geworden
ist. Umgerechnet auf den BIP-Anteil der Schulden sieht das allerdings etwas
weniger dramatisch aus: Der sprang von 101 auf 114 Prozent. Macron hat auch
eine Ausrede: Er musste 2020-2021 in der Corona-Epidemie dafür sorgen, dass
die Unternehmen und Haushalte nicht zu sehr litten.
Die finanzielle Unterstützung zum Ausgleich der Verluste wegen der
Epidemiebekämpfung kam dem Staat allerdings durch Macrons Griff zur
Gießkanne getreu dem Motto „Koste es, was es kosten muss“ (Quoi qu’il en
coûte) teuer zu stehen. Das Budgetdefizit betrug 2020 8,9 und im Jahr
darauf 6,6 Prozent. Und gleich danach folgte die Inflation im Zuge der
Energiekrise und der russische Krieg gegen die Ukraine. Zudem wurde (teils
unter dem Druck der „Gelbwesten“-Bürgerproteste) auf eine Erhöhung der
CO2-Treibstoff-Abgaben verzichtet, die öffentliche TV- und Rundfunkgebühr
und die Wohnsteuer Taxe d’Habitation abgeschafft. Addiert macht dies bis
2025 rund 200 Milliarden Euro weniger Einnahmen aus.
Der [5][neue Premierminister Sébastien Lecornu] soll sich nun mit den
Oppositionsparteien arrangieren, die Bayrou gestürzt haben, damit
Frankreich noch fristgemäß überhaupt einen Staatshaushalt für 2026 erhält.
Das hat zwangsläufig Konzessionen, weniger unpopuläre Einsparungen oder gar
zusätzliche Ausgaben zur Folge. Und das gefällt den neoliberalen Kritikern
und den Finanzmärkten offenbar gar nicht.
13 Sep 2025
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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