| # taz.de -- Pride-Verbot in Ungarn: Wenn Sichtbarkeit strafbar wird | |
| > Die Orbán-Regierung verbietet den CSD – auch um Kinder zu „schützen“. | |
| > Doch eher geht es um Einschüchterung und das Unsichtbarmachen queerer | |
| > Menschen. | |
| Bild: Künftig in Ungarn verboten: queere Sichtbarkeit, hier die Budapest Pride… | |
| Das ungarische Parlament unter Ministerpräsident Viktor Orbán hat am | |
| Dienstagnachmittag den Christopher Street Day (CSD) und andere | |
| Pride-Veranstaltungen in Ungarn verboten. Die Begründung für die Änderung | |
| des Versammlungsrechts, man wolle Kinder schützen, ist so alt wie | |
| Queerfeindlichkeit selbst. Neu hingegen sind die Methoden, mit denen die | |
| Teilnehmer*innen „überführt“ werden sollen. Pride-Paraden sind seit | |
| jeher ein Kampf für die politische und gesellschaftliche Anerkennung und | |
| Sichtbarkeit queerer Menschen. | |
| Wie jeder Einsatz für Menschenrechte ist die Teilnahme an einem CSD die | |
| Entscheidung zwischen der langfristigen Freiheit und der kurzfristigen | |
| Sicherheit. Schon die [1][Stonewall Riots] – die für die Pride-Märsche | |
| namensgebenden Aufstände in der New Yorker Christopher Street – endeten mit | |
| den Festnahmen von 13 Aktivist*innen, denen das Ausleben ihrer Wahrheit | |
| wichtiger war als ihre körperliche Unversehrtheit. | |
| [2][Festnahmen sind in Ungarn bisher nicht angekündigt, Strafen aber | |
| schon.] Trotz einer geplanten Geldbuße von umgerechnet rund 500 Euro für | |
| Organisator*innen und Teilnehmer*innen postete der links-grüne | |
| [3][Bürgermeister Budapests Gergely Karácsony auf Facebook], dass es einen | |
| Pride-Marsch geben würde – vielleicht den größten bisher. | |
| Leichter gesagt als getan, denn es droht nicht nur die Geldbuße in Höhe | |
| eines durchschnittlichen Monatslohns in Budapest. Die Teilnehmer*innen | |
| sollen mithilfe von Gesichtserkennungssoftware festgestellt werden. Einer | |
| Zuschreibung des Bilds einer Person mit ihrer sexuellen Orientierung, ihrer | |
| Geschlechtsidentität oder damit, dass sie sich ganz einfach für eine freie | |
| Gesellschaft einsetzt, steht dann nichts mehr im Weg. | |
| ## Keine Anonymität mehr | |
| Eigentlich bieten Großdemonstrationen wie Pride-Märsche eine gewisse | |
| Sicherheit – eine Person von vielen zu sein schafft Gemeinschaft wie | |
| Anonymität. In Budapest, wo seit 1997 CSDs stattfinden, wird das wohl bald | |
| nicht mehr der Fall sein. | |
| Die Begründung, „Schützt doch einer mal die Kinder“, ist nicht neu. Das w… | |
| sie auch 2023 nicht, als in den USA öffentliche Drag-Shows verboten werden | |
| sollten. Oder 2021, als Ungarn den Zugang zu queer-inklusiven Medien für | |
| Kinder und Jugendliche verbot. Oder 2020, als der angehende deutsche | |
| Kanzler Friedrich Merz auf die Frage zu einem schwulen Bundeskanzler | |
| antwortete: „Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es | |
| nicht Kinder betrifft.“ | |
| ## Solidarität wichtig | |
| Kinderschutz als Grundstock für Queerfeindlichkeit überrascht wirklich | |
| niemanden mehr – doch dass diese Angstmacherei immer und immer wieder so | |
| gut funktioniert, bleibt schockierend. Besonders, da das neue Gesetz die | |
| Existenz all jener Kinder negiert, die vielleicht in zehn oder zwanzig | |
| Jahren selbst für ihre Queerness auf die Straße gehen werden. | |
| Wenn sich also laut der Fidesz-Partei Kinder und Jugendliche ganz | |
| schrecklich vor queeren Menschen fürchten sollten und sich queere Menschen | |
| mehr und mehr vor der Orbán-Regierung fürchten müssen, wer kann dann noch | |
| Zuversicht schaffen? | |
| Neben Karácsony protestieren auch oppositionelle Abgeordnete und zündeten | |
| während der Abstimmung Rauchbomben im Plenarsaal. Die | |
| [4][Veranstalter*innen von Budapest Pride] kündigten an, die unter dem | |
| Motto „Wir sind (zu Hause)“ geplante Demo stattfinden zu lassen: „Sie hab… | |
| unzählige Male versucht, unseren Marsch zu verbieten – und sind | |
| gescheitert. Sie werden auch jetzt keinen Erfolg haben.“ Dabei ist es im | |
| Falle Einzelner natürlich denkbar – ja, auch verständlich –, dass sie ihre | |
| Teilnahme am CSD dieses Jahr aussetzen. Umso wichtiger, dass weiter nach | |
| Ungarn geschaut und sich solidarisiert wird. [5][Vienna Pride hat bereits | |
| eine Solidarisierungsdemo angekündigt]. | |
| 18 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/509879/die-stonewall-… | |
| [2] /Ungarn-auf-Abwegen/!6076711 | |
| [3] https://www.facebook.com/photo/?fbid=1233352878153381&set=a.44730258675… | |
| [4] https://budapestpride.hu/en/news/we-will-not-let-hungarys-largest-regular-h… | |
| [5] https://www.facebook.com/photo/?fbid=1058712782948057&set=a.45485126333… | |
| ## AUTOREN | |
| Jonathan Gerbig | |
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