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# taz.de -- Politische Gewalt in Mexiko: Wahlkampf ist, wenn Blut fließt
> In Mexiko sind vor den Regionwahlen allein 35 Kandidaten und
> Kandidatinnen getötet worden. Die Kartelle kämpfen um Einfluss in den
> Rathäusern.
Bild: Alma Barragán kandidierte für das Bürgermeisteramt in Moroleón
Oaxaca taz | Alma Barragán war guter Dinge, als sie in einer
Onlineübertragung zur Teilnahme an ihrer Wahlveranstaltung aufrief: „Kommt
vorbei und hört meine Vorschläge, lasst uns einen Moment zusammen
verbringen“, sagte die Kandidatin für das Bürgermeisteramt der
zentralmexikanischen Stadt Moroleón. Wenige Minuten später war sie tot.
Bewaffnete Männer erschossen die 61-Jährige aus einem Wagen heraus, während
sie zu ihren Anhängern sprach. Ein Mann und ein Kind wurden verletzt.
Wenige Stunden später feuerten Unbekannte in San Fernando auf Jesús Galván.
Der Politiker, der ebenfalls als Bürgermeisterkandidat antritt, überlebte
das Attentat.
Es ist Wahlkampf in Mexiko. Über 90 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen
am kommenden Sonntag mehr als 15 Gouverneure, 30 regionale
Abgeordnetenhäuser, das Parlament und knapp 2.000 Bürgermeisterämter
entscheiden. Doch mit jedem Tag, mit dem die umfangreichste Wahl in der
Geschichte Mexikos näher rückt, nimmt die Gewalt zu.
Mit dem Mord an Barragán in der vergangenen Woche steigt die Zahl der
getöteten Kandidatinnen und Kandidaten auf 35. Insgesamt starben nach
Angaben des Instituts Integralia bis Ende April schon 143 Wahlkampfhelfer,
Politikerinnen oder Angehörige. Kein Tag vergeht, an dem nicht Amtsanwärter
bedroht, entführt oder verletzt werden.
Nach Angaben von Integralia finden die meisten der Verbrechen auf
kommunaler Ebene statt. „Für die organisierte Kriminalität, die in fast
allen Regionen Mexikos präsent ist, spielt die Kontrolle über die
Rathäuser eine wichtige Rolle. Wer den Bürgermeister finanziert, hat auch
Polizei und Behörden auf seiner Seite, wenn es gilt, Drogen zu
transportieren, Schutzgeld zu erpressen oder illegal Eisenerz abzubauen.
Der Einfluss ermöglicht es den [1][Kartellen], Informationen über
Sicherheitsstrategien und rivalisierende Organisationen zu bekommen“,
erklärt Carlos Rubio von Integralia. „Und sie haben Zugang zu den
Finanztöpfen der Gemeinden.“ Aus diesem Grund liefern sich auch abseits der
Kartelle verfeindete Gruppen innerhalb der Kommunen blutige Kämpfe.
## Die Parteizugehörigkeit ist Nebensache
Bei den Angriffen spielt das Parteiabzeichen meist keine Rolle. Barragán
war für die oppositionelle „Bürgerbewegung“ angetreten, Galván für die
ehemalige Staatspartei PRI, die sich ebenfalls in der Opposition befindet.
Aber auch viele Politiker der regierenden Partei Morena des Präsidenten
[2][Andrés Manuel López Obrador] wurden Opfer gewaltsamer Angriffe.
Nach dem Tod Barragáns machte der Staatschef die Mafia und, mit Blick auf
die korrupten Strukturen von Politik und Wirtschaft, die „Verbrecher mit
den weißen Kragen“ für die Tat verantwortlich. Zugleich kritisierte er,
dass die [3][Presse] die Gewalt im Wahlprozess hochspiele.
Allerdings steht López Obrador, der im Dezember 2018 sein Amt übernahm,
wegen seiner Politik gegen die Kartelle in der Kritik. Der Präsident setzt
in erster Linie auf Sozialprogramme, um arbeitslose Jugendliche von der
Mafia fernzuhalten. Um die wirtschaftliche Lage armer Familien zu
verbessern, fördert er die ländliche Entwicklung.
Doch solche Projekte wirken langfristig. Seine Strategie „Umarmungen statt
Schüsse“ zeigt noch keinen Erfolg: Mit mehr als 35.000 Morden sind die
vergangenen zwei Jahre die gewalttätigsten, seit diese Verbrechen
aufgezeichnet werden. Seine eigens zur Bekämpfung der Mafia gegründete
Nationalgarde musste 2020 einen Chef des Sinaloa-Kartells wieder
freilassen, weil sie dem massiven Terror der Organisation nicht gewachsen
war.
2 Jun 2021
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## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
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