# taz.de -- Plastik-Pionier zur UN-Konferenz: „Der Planet ist kontaminiert“ | |
> Er verfasste die erste Studie zu Mikroplastik überhaupt. Biologe Richard | |
> Thompson warnt vor dem größten Problem der UN-Plastikkonferenz in | |
> Nairobi. | |
Bild: Plasikmüll am Nordseestrand | |
Herr Professor Thompson, vor zehn Jahren gab es noch nicht einmal die Idee | |
für ein internationales Plastik-Abkommen. Sie waren entscheidend daran | |
beteiligt, dass die [1][derzeitige dritte UN-Konferenz] zum Thema überhaupt | |
stattfindet. Wie kam es dazu? | |
Richard Thompson: 2004 habe ich mit meinem Team die weltweit erste | |
wissenschaftliche Arbeit zu Mikroplastik veröffentlicht. Mittlerweile gibt | |
es mehr als 4.000 Studien – allein zu diesem Thema. Die Forschung zu | |
Plastik wächst exponentiell, was natürlich daran liegt, dass die | |
Umweltverschmutzung explosionsartig zugenommen hat. 1952 wurden noch fünf | |
Millionen Tonnen Plastik produziert, heute sind es wahrscheinlich um die | |
400 Millionen – pro Jahr. Was wir wissen: 40 Prozent des hergestellten | |
Plastiks ist Einwegplastik. | |
Kann die UN-Konferenz in Nairobi dagegen etwas tun? | |
Wir brauchen dieses Abkommen, weil der Planet vom höchsten Berg [2][bis zum | |
tiefsten Meer] mit Plastik kontaminiert ist. In fast jedem Lebewesen, das | |
wir uns angeguckt haben, sind Spuren von Plastik nachweisbar, auch im | |
Menschen. Die Zukunft sieht sehr düster aus, wenn wir unser Verhalten nicht | |
ändern. | |
Ende 2024 könnte das erste Mal ein umfassendes, rechtlich bindendes | |
Abkommen auf UN-Ebene unterzeichnet werden. Was heißt das für Sie? | |
Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Ich arbeite nun schon seit 33 Jahren an | |
diesem Thema. Als wir vor einem halben Jahr bei der zweiten | |
Anti-Plastikkonferenz, der INC-2 in Paris, über Mikroplastik diskutierten, | |
hat ein Mitgliedsstaat nach dem anderen das Wort ergriffen und sich bereit | |
erklärt, Maßnahmen zur Reduzierung von Mikroplastik zu unterstützen. Alle | |
sagten, dass sie das Problem angehen wollen. Ich war sehr demütig, als ich | |
dort als Beobachter auf der Tribüne saß. | |
Wieso? | |
Das Plastikabkommen ist eine einmalige Möglichkeit für unseren Planeten. | |
Was mich jedoch beunruhigt, ist, dass es keinen formalen Weg für | |
Wissenschaftler*innen gibt, um Fakten in die Konferenz einzubringen. | |
Wir wissen, dass Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling wichtig sind, | |
aber das wissen wir schon seit 1970. Was wir brauchen, sind spezifische, | |
wissenschaftliche Erkenntnisse, um auf der Konferenz voranzukommen – wo | |
genau müssen wir reduzieren, was lohnt sich wirklich zu recyceln? Das | |
Risiko, das ich im Moment sehe, ist, dass einige Delegierte anfangen, ins | |
Blaue zu raten oder von Desinformation beeinflusst werden. Das macht mir | |
große Sorgen. | |
Sie setzen sich dafür ein, dass der Vertrag am Ende nicht nur für besseres | |
Recycling steht, sondern auch die Herstellung von Plastik begrenzt. Wie | |
realistisch ist es, dass man sich hier darauf einigen kann? | |
Ich hoffe sehr, dass es gelingt. Wir müssen das systemisch angehen. Egal | |
wie sehr man sich für die Abfallwirtschaft und die Kreislaufwirtschaft | |
einsetzt, ohne eine Verringerung der Produktion und des Verbrauchs wird man | |
das Problem nicht in den Griff bekommen. Alles läuft jedoch darauf hinaus, | |
dass wir die Gesamtmenge an Plastik reduzieren müssen. Das wird wohl die | |
größte Hürde sein, die das Abkommen nehmen muss. Und um es klar zu sagen: | |
Es wird Gewinner und Verlierer geben bei den UN-Mitgliedsstaaten. Deswegen | |
müssen wir Wege finden, um einen gerechten und fairen Übergang für alle zu | |
schaffen. Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen, und genau das ist | |
der Kern der politischen Verhandlungen. | |
17 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Julien Gupta | |
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