# taz.de -- Photovoltaik zieht aufs Wasser: Strom aus dem Baggersee | |
> Solarzellen immer nur auf der grünen Wiese? Nein, Beispiele aus Baden und | |
> den Niederlanden zeigen: Es geht auch anders | |
Bild: Schwimmende Photovoltaik-Anlage auf dem Baggersee Mailwald in Renchen | |
FREIBURG taz | Die Bagger, Brecher und Förderbänder von Kiesunternehmer | |
Armin Ossola verbrauchen viel Strom. Dem will der Unternehmer aus | |
Mittelbaden nun die „Idee des klimaneutralen Kiesabbaus“ entgegensetzen: | |
Auf dem Baggersee Maiwald in Renchen im Ortenaukreis hat er im Sommer eine | |
schwimmende Photovoltaikanlage in Betrieb genommen, montiert auf Pontons. | |
Mit einer Leistung von 750 Kilowatt ist die Anlage derzeit die größte ihrer | |
Art in Deutschland. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller | |
bescheinigte ihr „Vorbildcharakter“. Denn die zahlreichen Baggerseen der | |
Region würden sich zur Nachahmung anbieten. Allein im badischen Landesteil | |
gebe es 150 solche Seen. Die Branche hat bereits den Begriff „Floating | |
Solar“ geprägt. | |
Die ersten Ideen, schwimmende Solarstromanlagen zu bauen, liegen Jahre | |
zurück. Das Pionierprojekt wurde laut Energieagentur Nordrhein-Westfalen | |
bereits 2008 in Kalifornien errichtet. Heute befindet sich der größte Teil | |
solcher Anlagen in Asien. Aber auch in Deutschland gebe es „mit gefluteten | |
Tagebauflächen, Kiesgruben und teilweise Stauseen ein riesiges technisches | |
Potenzial für diese Technologie“, betonte jüngst das [1][Fraunhofer ISE.] | |
Die Energieagentur NRW schätzt, dass die niederrheinischen Reviere Platz | |
für schwimmende Photovoltaikanlagen mit zusammen 35 Megawatt bieten; eine | |
erste mit einer Leistung von 46 Kilowatt wurde dort im vergangen Oktober | |
errichtet. Unterdessen ist die Branche noch am Lernen. „Wir hatten anfangs | |
die Hoffnung, wir könnten schwimmende Anlagen wie Boote betrachten und | |
damit ohne Baugenehmigung auskommen“, sagt Benedikt Ortmann, | |
Geschäftsführer der BayWa r.e. Solar Projects GmbH. Doch dieser Weg erwies | |
sich als nicht gangbar. | |
## Ökologische Folgen unklar | |
Zumal Anfang September Japan ein abschreckendes Beispiel lieferte: Der | |
Taifun „Faxai“ schob Module der größten schwimmenden Anlage des Landes | |
zusammen, so dass in dem 13,7-Megawatt-Projekt am Yamakura-Damm ein Feuer | |
ausbrach. Die Stabilität des Unterbaus, das weiß man spätestens seitdem, | |
ist enorm wichtig. | |
Im Detail kaum bekannt sind unterdessen die möglichen Auswirkungen von | |
großflächigen Schwimmkörpern auf die Gewässerökologie. Entsprechend | |
wortkarg gibt sich die Wissenschaft: Bisher gebe es dazu keine speziellen | |
Untersuchungen, verlautet etwa aus dem Leibniz-Institut für | |
Gewässerökologie und Binnenfischerei. Beim Helmholtz-Zentrum für | |
Umweltforschung in Leipzig heißt es gleichermaßen nur sehr unbestimmt: | |
„Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, wenn nicht der gesamte | |
Wasserkörper damit abgedeckt wird, sondern nur ein kleiner Teil.“ | |
Der Bund für Umwelt und Naturschutz macht sich nun für eine | |
wissenschaftliche Begleitung von Pilotprojekten stark. Bekannt ist, dass | |
eine Verschattung nicht auf jedem See von Nachteil sein muss. Einem | |
Gewässer, das unter starkem Algenwachstum leidet, kann eine partielle | |
Verschattung sogar zugutekommen. Auch auf einem See, dessen Verdunstung | |
gemindert werden soll – etwa weil er als Wasserspeicher dient –, könnte die | |
Photovoltaik Vorteile bringen. | |
Doch die Technik muss sich im Praxistest noch bewähren. Halten die | |
Schwimmkörper überhaupt 20 oder gar 30 Jahre? Wir groß ist der Aufwand der | |
Reinigung, wenn die Schwimmkörper durch Algen und – schwere – Muscheln | |
besiedelt werden? Auch könnte aufgrund der Wasservögel eine vermehrte | |
Reinigung der Module notwendig werden. | |
## Auch Anlagen auf dem Meer sind möglich | |
Gleichwohl prescht die BayWa bereits voran. Das Unternehmen hat gerade in | |
den Niederlanden den Floating-Solarpark Tynaarlo mit 8,5 Megawatt | |
fertiggestellt. Weitere Projekte werden folgen. Auf einem Baggersee nahe | |
der Stadt Emmen in der Provinz Drente im Nordosten des Landes soll bis | |
Mitte 2020 sogar eine Anlage mit 48 Megawatt entstehen, die derzeit größte | |
in Europa. | |
Selbst das Meer ist bereits ins Visier der Planer geraten. Ein | |
französisch-belgisches Konsortium aus Industrie und Forschungsinstituten | |
unter Führung der Firma Tractebel will einen Offshore-Park in der | |
belgischen Nordsee bauen. | |
Auch das norwegische Unternehmen Ocean Sun stellt schwimmende Plattformen | |
für die Gewinnung von Sonnenenergie im offenen Meer her – ein Projekt | |
übrigens mit fossilen Wurzeln: Die Firma beruft sich auf „langjährige | |
Erfahrung aus der norwegischen Öl- und Gasförderung auf hoher See“. | |
20 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/geschaeftsfelder/photovoltaik/photovoltais… | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
## TAGS | |
Photovoltaik | |
See | |
Baden-Württemberg | |
Stadtland | |
Erneuerbare Energien | |
Energiewende | |
R2G Berlin | |
Solarenergie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kiesabbau in Deutschland: Jede Menge Kies | |
Bauen, bauen, bauen heißt, dass für den Beton massenhaft Kies aus der Erde | |
geholt wird. Die Gier bedroht die Natur. Der Widerstand gegen den Abbau | |
wächst. | |
Erneuerbare Energien und Biodiversität: Quellbiotope unter der Solaranlage | |
Fördern Solarparks die Artenvielfalt? Eine neue Studie sagt ja, der | |
Naturschutzbund Deutschland sieht es differenzierter. | |
Schwerer Schlag für Ostfriesland: Kalt erwischt | |
Dass die Krise der Windindustrie Ostfriesland treffen würde, war erwartet | |
worden, aber nicht in diesem Ausmaß. Rettunsplan vom Energieminister. | |
Studie zu Solarenergie in Berlin: Sun and the city | |
Bis 2050 könnten 25 Prozent des Strombedarfs in Berlin aus Solarenergie | |
produziert werden. Zu dem Ergebnis kommt die Studie „Masterplan Solarcity“. | |
Solarenergie in Deutschland: Sonnige Aussichten | |
Die Photovoltaik steht erneut vor einem Boom, glaubt die Branche. Die | |
Gründe: Solarstrom ist billig und der Bund verfehlt sein CO2-Einsparziel | |
für 2020. |