# taz.de -- Parlamentswahl in Polen am Sonntag: Mit vereinten Kräften | |
> Eine Bürgerkoalition, angeführt von Ex-Premier Donald Tusk, fordert die | |
> Rechtspopulisten der PiS heraus. Ihre Chancen stehen erstaunlich gut. | |
Wildfremde Menschen rufen sich in Warschauer Straßenbahnen dieser Tage ein | |
halblautes und leicht zischendes „Zwyciężymy“ – Wir werden siegen!“ z… | |
lächeln aufmunternd, dann sind sie auch schon in der wuselnden Menge | |
verschwunden. Ihr Erkennungszeichen ist der Weiß-rote Herz-Aufkleber, den | |
sich bei der Großdemonstration der demokratischen Opposition [1][„Marsch | |
der Millionen Herzen“ am 1. Oktober] Hunderttausende Polen und Polinnen ans | |
Revers geklebt hatten. Je näher die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag | |
rücken, desto mehr Polen wollen ihre Stimme abgeben. | |
Für die Oppositionsbewegung ist das eine gute Nachricht. Denn den seit acht | |
Jahren regierenden Nationalpopulisten von der Partei Recht und | |
Gerechtigkeit (PiS) ist es nicht gelungen, mehr als ihre Stammwählerschaft | |
zu mobilisieren. Das sind mit rund 35 Prozent der Stimmberechtigten zwar | |
ziemlich viele Wähler, doch für eine Mehrheit im Sejm, dem polnischen | |
Abgeordnetenhaus, wird das nicht reichen. | |
Die Opposition hat derweil unter dem Namen Liberalkonservative | |
Bürgerkoalition (KO) ihre Kräfte gebündelt: Der größte Akteur ist dabei die | |
proeuropäische, liberal-konservative Bürgerplattform PO, auch die Grünen | |
sind mit dabei sowie weitere Parteien aus dem liberalen bis linken | |
Spektrum. Die KO hat bereits angekündigt, dass sie nach der Wahl gerne eine | |
Koalition mit der Neuen Linken und dem Dritten Weg, ein Parteienbündnis aus | |
der Mitte-rechts-Partei Polska2050 sowie der gemäßigten Bauernpartei PSL, | |
eingehen würde. | |
Wenn diese drei demokratischen Parteien – KO, Neue Linke und Dritter Weg – | |
es also schaffen, eine Koalition zu bilden, könnte das für Polen die | |
Rückkehr zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und damit auch zu den | |
zur Zeit blockierten Milliardenfonds an EU-Fördergeldern bedeuten. Die | |
EU-Kommission hat die Mittel eingefroren, weil Polen, so die Begründung, | |
sich nicht an die Grundrechtecharta der EU halte. | |
Auch jüngste Rücktritte im Militär vergrößern die Chancen der KO. Zwei der | |
drei obersten Militärs in Polen haben ausgerechnet in der Woche vor den | |
Wahlen ihren Rücktritt eingereicht. Für die PiS ist das ein schwerer | |
Schlag. Polens Präsident Andrzej Duda ernannte zwar am Dienstagnachmittag | |
zwei Nachfolger – doch viele Polen fragen sich nun, wie es eigentlich um | |
die Sicherheit Polens bestellt ist. | |
Denn auch wenn weder die Generäle noch das Verteidigungsministerium einen | |
offiziellen Rücktrittsgrund angaben – es dürfte auch damit zusammenhängen, | |
dass die PiS lieber Wahlkampf macht, als sich wirklich glaubhaft um die | |
prekäre Sicherheitslage zu kümmern. Im Dezember 2022 landete eine russische | |
Rakete in einem Wald bei Bydgoszcz, etwa 300 Kilometer nordwestlich von | |
Warschau. Die demokratische Opposition fordert den sofortigen Rücktritt des | |
PiS-Verteidigungsministers Mariusz Błaszczak. Angeblich, so kursiert in | |
verschiedenen Social-Media-Diensten, sollen weitere Generäle und Offiziere | |
ihren Rücktritt planen. | |
Statt den Bürgern die prekäre Sicherheitslage Polens zu erklären, | |
publiziert die PiS aber lieber einen neuen Wahlkampfspot, der – wie die | |
meisten vorherigen auch – den Oppositionsführer Donald Tusk angreift. Thema | |
sind die Armut und prekäre Arbeitsverhältnisse in Polen: „Fünf Złoty, sec… | |
Złoty, vier Złoty fünfzig die Stunde!“, sagt PiS-Premier Mateusz Morawiecki | |
im Spot. Archivbilder verzweifelter Menschen sind zu sehen, danach Donald | |
Tusk als polnischer Premier vor rund zwölf Jahren und die frühere deutsche | |
Kanzlerin Angela Merkel, wie sie sich lachend die Hände reichen. | |
Dazu sagt der Multimillionär Morawiecki: „Sie haben sich nur um die Mehrung | |
des Kapitals ausländischer Korporationen gekümmert.“ Heute sei das anders, | |
versichert Morawiecki zu den Bildern glücklich lächelnder Menschen. „Nur | |
die PiS kann die Rückkehr von Tusk verhindern.“ Doch die Erfolgspropaganda, | |
wie sie noch viele Polen aus der Zeit des Kommunismus kennen, verfängt bei | |
immer weniger Wählern. Gerade auch die jungen sind oft schon weit gereist | |
und weltoffen. Sie könnten am Sonntag für eine Bürgerkoalition stimmen, die | |
in sich erstaunlich heterogen ist. | |
## Die junge Katholikin | |
Wiktoria ist kein Lampenfieber anzumerken. Als Donald Tusk, der Chef der | |
größten Oppositionspartei PO, sie auf der Warschauer Großdemonstration | |
„Marsch der eine Million Herzen“ am 1. Oktober ankündigt, springt sie wie | |
ein Profi auf die Rednerbühne. Tusk feuert die Stimmung noch an: „Wiktoria | |
ist die jüngste Kandidatin unserer Bürgerplattform, gerade mal 22 Jahre | |
jung. Sie ist Katholikin. Für sie ist Religion sehr wichtig. Und sie ist | |
auch Erstwählerin!“ | |
Die junge Oberschlesierin aus Gliwice (Gleiwitz) greift nach dem Mikrofon, | |
streicht das pinkfarbene Kleid glatt und hält ihre erste Wahlkampfrede vor | |
großem Publikum: „Als jüngste Kandidatin der Bürgerplattform wende ich mich | |
an euch, an die Jungen. Es geht um unsere Zukunft. Geht wählen! Stimmt für | |
ein freies, demokratisches und tolerantes Polen!“ | |
Vor drei Jahren war Wiktoria Bartosiewicz der Gleiwitzer Polizei als | |
angebliche Rädelsführerin und Organisatorin einer illegalen Demonstration | |
aufgefallen. Schon zuvor hatten Polizisten sie zwei Mal auf den sogenannten | |
Spaziergängen des „Frauenstreiks“ registriert. „Es geht darum, uns Frauen | |
davon abzuschrecken, an den Demonstrationen gegen das totale | |
Abtreibungsverbot und für die Menschenrechte der Frauen teilzunehmen“, | |
sagte sie 2020 der Regionalzeitung Dziennik Zachodni. | |
Polens Verfassungsgericht, das von der PiS kontrolliert wird, hat | |
entschieden, [2][das ohnehin schon rigide Abtreibungsrecht in Polen ein | |
weiteres Mal zu verschärfen]. Bereits gestrichen wurde der Absatz im | |
Gesetz, der einen Schwangerschaftsabbruch bei schwerstkranken und nicht | |
überlebensfähigen Föten erlaubte. Geblieben sind als Gründe für einen | |
legalen Abbruch nur noch Vergewaltigung und die Gefahr für Leib und Leben | |
der Mutter. | |
Da Vergewaltigungen in Polen wegen der hochnotpeinlichen Befragung und | |
Untersuchung durch Polizeibeamte nur selten angezeigt werden, bleibt | |
nurmehr die „lebensbedrohliche Situation“ der Schwangeren als legaler Grund | |
für eine Abtreibung. Da sich Ärzte aber strafbar machen, wenn sie auch nur | |
Beihilfe zur Abtreibung leisten, starben seit dem Gerichtsurteil mehrere | |
Dutzend Polinnen, weil die Gynäkologen erst den Tod des Kindes im | |
Mutterleib abwarten wollten, bis sie die Situation für die Mutter wirklich | |
als „lebensbedrohlich“ einstufen mochten. | |
„Ich lasse mich nicht so schnell erschrecken. Auch wenn ich überzeugt war, | |
bei den Demonstrationen keine Straftat begangen zu haben, habe ich einen | |
Anwalt zur Anhörung bei der Polizei mitgenommen“, erklärte Bartoszewicz | |
gegenüber Dzeinnik Zachodni. | |
Politisch aktiv ist Bartoszewicz schon seit Langem. 2020 saß die damalige | |
Abiturientin schon im Jugendrat der Stadt Gleiwitz und im Jugend-Landtag | |
der Wojewodschaft Schlesien, engagierte sich im Aktivisten-Kreis der | |
Bürgerplattform in Gleiwitz und begleitete als ehrenamtliche Assistentin | |
die Arbeit des PO-Abgeordneten Tomasz Olichwer. Jetzt startet sie selbst | |
zum ersten Mal als Kandidatin der PO für den Sejm. Von der Bühne in | |
Warschau aus ruft sie den Demonstranten zu: „Wiktoria, mein Vorname, heißt | |
Sieg!“ | |
## Der radikale Bauernführer | |
Mitte August zog PO-Chef Donald plötzlich ihn aus dem Hut, den radikalen | |
Bauernführer Michał Kołodziejczak. Und Tusks Gefolgsleute rieben sich doch | |
sehr verwundert die Augen. Denn der 35-jährige Kołodziejczak, der sich | |
bislang immer weit rechts verortet hatte und auch schon mal den | |
Stinkefinger gen USA ausstreckte, galt bislang eher als politischer | |
Querulant, der nicht weiter ernst zu nehmen war. | |
Da seine eigene kleine Partei, die Agrounia, keine Chance hatte, bei den | |
Wahlen die Fünfprozenthürde zu überspringen, versuchte er, bei anderen | |
Parteien anzudocken. Doch alle ließen ihn abblitzen: zuerst die PiS, dann | |
die Bauernpartei PSL, und schließlich auch Polska2050. Der Dritte Weg, die | |
Koalition aus PSL und Polska2050, wies ihm ebenfalls die Tür. | |
Dass ihn nun ausgerechnet die liberalkonservative PO auf Platz eins ihrer | |
Wahlliste in Konin bei Posen starten lässt und PO-Größen mit ihm gemeinsam | |
auf Wahlkampftour gehen, ist eine wahltaktisch kluge Entscheidung Tusks. | |
Denn während Kołodziejczak seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine | |
am 24. Februar 2022 immer mehr unzufriedene Bauern hinter sich scharen | |
konnte, blieb die PO eine Partei der großen und mittleren Städte. Es gelang | |
ihr nie, das Elektorat auf dem Land zu erreichen. In Polen aber werden die | |
Parlamentswahlen nach wie vor auf dem Land gewonnen, nicht in den Städten. | |
Als Politiker der EU und Polens die Zoll- und Handelsschranken für Getreide | |
und andere Agrarprodukte der Ukraine aufhoben, war das angesichts der | |
Schwarzmeer-Blockade durch Russland zwar gut gemeint. Doch durch das | |
Überangebot an Getreide auf dem Markt sank der Preis für polnisches | |
Getreide dramatisch. Viele Bauern hatten die Silos voll mit Weizen, Gerste, | |
Roggen und Hafer und blieben auf ihrer Ernte sitzen. | |
Obwohl Kołodziejczak auf seinem Land vor allem Weißkohl anbaut, setzte er | |
sich an die Spitze der empörten Getreidebauern, demonstrierte an der | |
polnisch-ukrainischen Grenze und bekam viel Zuspruch von Bauern, die früher | |
die PiS gewählt hatten. Sie fühlten sich betrogen. | |
Zwar versuchten PiS-Funktionäre im letzten Moment das Ruder rumzureißen, | |
blafften ihre bisherigen Partner und Freunde in der Ukraine an, als hätten | |
diese Polen angegriffen und nicht Russland die Ukraine, doch die | |
lautstarken Vorwürfe Kołodziejczaks an den PiS-Landwirtschaftsminister | |
konnten sie nicht entkräften. Warum hatte dieser nicht bessere Transitwege | |
geschaffen, für ein lizensiertes Importsystem gesorgt? Die Stimmen, die | |
Kołodziejczak der PiS auf dem Land abjagt, dürften nun der PO zugutekommen, | |
so das Kalkül von Tusk. | |
Allerdings, nach der Wahl dürfte ein inhaltliches Zusammenkommen der | |
Akteure in einer Koalition gar nicht so leicht werden. Der Bauernführer ist | |
zum Beispiel ein absoluter Abtreibungsgegner, während sich Tusk für die | |
12-Wochen-Frist-Lösung ausspricht. Konflikte sind vorprogrammiert. | |
## Der Chef | |
„Danke“, sagt Donald Tusk in den Abendnachrichten des polnischen | |
Staatssenders TVP. Danach sagt der PO-Chef, ebenfalls in deutscher Sprache, | |
„Für Deutschland“. Im Hintergrund ist das „deutsche Danzig“ zu sehen, … | |
1945 von den Sowjets zerstört und später von den Polen wiederaufgebaut | |
wurde. TVPiS, wie der einstige Öffentlich-Rechtliche Rundfunk und heutige | |
Propagandasender der PiS von vielen Polen genannt wird, strahlt die | |
angeblichen Verräter-Worte des einstigen Premiers, EU-Ratspräsidenten und | |
Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei EVP fast täglich aus. | |
Dass es sich in Wirklichkeit um ein Grußwort Tusks an die CDU aus dem Jahr | |
2021 handelt, erwähnt TVPiS nicht. „Danke für alles“, sagte der EVP-Chef | |
damals im Original. „Eure Art zu regieren war ein Segen, nicht nur für | |
Deutschland, sondern für ganz Europa.“ Die Fernsehzuschauer hören aus der | |
vier Minuten langen Rede aber nur zwei aus dem Sinnzusammenhang | |
herausgeschnittene Worte: „Danke“, und „für Deutschland“. | |
Immerhin gelang es dem 66-jährigen Tusk und den anderen Oppositionsführern, | |
eine Wahldebatte bei TVPiS durchzusetzen, an der sie aktiv teilnehmen | |
konnten. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, den Tusk öffentlich zum | |
Rededuell herausgefordert hatte, kniff jedoch – wohl in Erinnerung an das | |
letzte Rededuell, bei dem der 74-Jährige keine gute Figur abgegeben hatte. | |
An seiner Stelle erschien am Montagabend Premier Morawiecki, der jedoch | |
unfähig war, eine Zukunftsvision der PiS für Polen darzustellen, sondern, | |
wie ein kaputte Schallplatte, sich lediglich auf Tusk einschoss und auf | |
dessen Regierungszeit von 2007 bis 2014 herumhackte. | |
Dass die PO sich aus ihrer jahrelangen Apathie nach der Wahlniederlage von | |
2015 befreien konnte und heute wieder ebenbürtig gegen die [3][PiS] | |
antreten kann, verdankt sie vor allem Tusk. Nach fünf Jahren als | |
Vorsitzender des Europäischen Rats legte er 2021 den Job als EVP-Chef | |
nieder, um sich in Polen wieder in die tagesaktuelle Politik zu stürzen. | |
Sein Ziel: bei den Parlamentswahlen 2023 die Mehrheit zu erringen und in | |
Polen wieder Demokratie und Rechtsstaatlichkeit herzustellen. Als PO-Chef | |
ist er auch Vorsitzender der Bürgerkoalition KO. | |
Tusk wurde 1957 in Danzig in eine Familie hineingeboren, die der ethnischen | |
Minderheit der Kaschuben angehört. Die Kommunisten diskriminierten die | |
Kaschuben als vermeintliche Deutsche. 1970 wurde der 13-jährige Donald | |
Zeuge, als die Miliz die Arbeiterstreiks an der Ostseeküste | |
zusammenschießen ließ. Beides hat Tusk stark geprägt. 1980 schloss er sich | |
der gerade gegründeten Gewerkschaft Solidarność unter Lech Wałęsa an und | |
wurde ein Jahr später verhaftet, als das Kriegsrecht über Polen verhängt | |
wurde. Als Journalist bekam er Berufsverbot. Seit Polen 1989 seine | |
Unabhängigkeit zurückeroberte, ist Tusk politisch aktiv – zwar in | |
verschiedenen Parteien, aber immer auf der Seite von Demokratie und | |
Rechtsstaat. | |
Schon im September, einen Monat vor der KO-Großdemonstration in Warschau, | |
gab sich Tusk siegessicher. „Wir haben keine vier bis fünf Jahre, um hinter | |
der PiS aufzuräumen“, kündigte er an. „100 Tage müssen ausreichen. Wir | |
werden für jeden Tag einen genauen Plan aufstellen, und danach wird das | |
Gröbste geschafft sein.“ Auf der Rednerbühne der Herzen-Demo stellte er die | |
Partner der künftigen Regierungskoalition vor, die Neue Linke (Nowa Lewica) | |
und der Dritte Weg. Als Tusk den Demonstranten fast schon leutselig zurief | |
„Zwyciężymy“ – „Wir werden siegen!“, antwortete ihm rund eine Milli… | |
„Wir werden siegen!“ | |
## Die Grüne | |
„Der Einstieg in die Atomenergie steht zur Disposition, wenn die KO die | |
polnischen Wahlen am nächsten Sonntag gewinnen sollte“, sagt Urszula | |
Zielinska, 46 Jahre alt, von den polnischen Grünen im Studio von Radio Zet. | |
Die Moderatorin kann es nicht fassen, sie hakt nach: „Aber Donald Tusk und | |
die KO wollen doch in die Atomenergie einsteigen, genauso wie die aktuelle | |
PiS-Regierung. Oder haben in der Frage die Grünen in der KO plötzlich das | |
Sagen?“ | |
„Nein“, sagt Zielinska, „da gibt es keinen Streit zwischen Tusk und mir.�… | |
Aber es müsse einfach alles auf den Tisch und überprüft werden, auch die | |
Verträge, die die PiS-Regierung mit den Amerikanern zum Bau von | |
Atomkraftwerken abgeschlossen hätten. Die Marketingexpertin und | |
Umweltaktivistin Zielinska gehört seit 2022 der Doppelspitze der Grünen in | |
Polen an, ist aber auch KO-Vizechefin und kandidiert in Warschau direkt | |
hinter Parteichef Tusk. | |
„Ich bin Mitglied im Klima- und Energieausschuss des Sejms, und dort haben | |
wir die zuständigen Minister nach einem Kostenvergleich von Atomstrom und | |
Strom aus erneuerbaren Energien gefragt, also aus Wind, Sonne, Wasser und | |
Biogas“, erklärte Zielinska einen Tag nach dem „Marsch der eine Million | |
Herzen“ in Warschau. „Dabei kam heraus, dass es überhaupt keinen | |
Kostenvergleich gibt, ja nicht einmal einen Businessplan!“ | |
In der KO sei noch keine Entscheidung „Pro oder Contra Atomenergie“ | |
gefallen. In den ersten 100 Tagen der KO-Regierungszeit solle Polens | |
Energiepolitik genau durchgerechnet werden. Sollte sich zeigen, dass | |
Atomenergie billiger sein werde als erneuerbare Energien, bekomme diese den | |
Zuschlag. Sollte sich aber zeigen, dass die Stromkosten für die Industrie | |
und die Privathaushalte durch den Einstieg in die Atomenergie exorbitant | |
steigen würden, müssten die Verträge mit den Amerikanern gekündigt werden. | |
Infrage komme natürlich auch ein Energiemix. Auch das müsse aber genau | |
durchgerechnet werden, sagt Zielinska. | |
PiS-Premier Morawiecki griff das Interview zwei Tage später in einem | |
Wahlspot auf, verfälschte aber eine Schlüsselaussage der Grünen, indem er | |
das Wort „oczywiscie – selbstverständlich“ herausschneiden und an anderer | |
Stelle wieder einbauen ließ. So sagt Zielinska im Morawiecki-Spot | |
„selbstverständlich“, auf die Frage der Moderatorin, ob die Verträge mit | |
den Amerikanern aufgekündigt werden sollen – obwohl das Wort an dieser | |
Stelle im Original-Interview nicht gefallen ist. | |
Morawiecki geißelt die von ihm selbst gefälschte Aussage dann als „reinen | |
Wahnsinn und extreme Verantwortungslosigkeit“. Zu schnell geschnittenen | |
Bildern von zwei mächtigen Kühltürmen, lieblichen Dorf-Landschaften und | |
einem Artikel im Internet, der eine angeblich von der deutschen Regierung | |
bezahlte Anti-Atom-Verschwörungskampagne gegen Frankreich und Polen | |
beschreibt, behauptet Morawiecki: „Gemeinsam mit unseren amerikanischen | |
Partnern bauen wir eine Garantie der Energiesicherheit Polens“. Nur die PiS | |
gebe die „Garantie für eine schnelle Entwicklung Polens.“ | |
Dafür muss die PiS aber am Sonntag erst mal die Wahlen gewinnen – und | |
garantiert ist das nicht. | |
13 Oct 2023 | |
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