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# taz.de -- Palästinensische Reporter in Gaza: Journalisten auf Todeslisten
> Für Journalist*innen ist der Nahost-Krieg der gefährlichste seit 30
> Jahren. Die, die Nachrichten überbringen, werden selbst zu Nachrichten.
Bild: Journalisten bei einer symbolischen Trauerfeier für getötete Kollegen a…
Der Israel-Gaza Krieg ist der tödlichste Krieg für Journalist*innen
seit über 30 Jahren. Das sagt das in New York ansässige Komitee zum Schutz
von Journalisten (CPJ). Demnach wurden im ersten Monat des Krieges „mehr
Journalist*innen getötet als in jedem anderen vergleichbaren
Konfliktzeitraum, seit das CPJ 1992 mit der Aufzeichnung solcher Todesfälle
begann.“
Seit dem 7. Oktober starben demnach mindestens 40 Medienschaffende, die
über den Krieg berichtet haben: 35 Palästinenser*innen und ein
Libanese sollen durch Angriffe des israelischen Militärs gestorben sein,
vier [1][israelische Journalist*innen] sollen bei den Massakern der
Hamas in Israel getötet worden sein. Insgesamt acht Medienschaffende gelten
als verletzt, drei als vermisst, acht verhaftet.
Die [2][Zahlen] und Todesursachen erhebt das CPJ auf Todeslisten. Auch die
Reporter ohne Grenzen (RSF) haben eine solche Liste, die Zahlen decken sich
mit denen des CPJ. Das CPJ und die Intenrationale Journalisten-Föderation
(IJF), der Dachverband gewerkschaftlicher Journalistenverbände, zählen
[3][33 bestätigte getötete palästinensische Journalist*innen] in Gaza
selbst.
## Gewalt dokumentierbar?
Zum Vergleich: Das CPJ dokumentierte im gesamten Jahr 2022 weltweit 68
getötete Medienschaffende. Die Organisationen nehmen einen Fall auf die
Liste, [4][sobald zwei unabhängige Quellen den Tod bestätigen]. Dann klären
sie die weiteren Umstände für ihre Datenbank.
Die Journalist*innen werden zu Zahlen auf Todeslisten. Durch die
flächendeckenden Bombardements in Gaza sind besonders die palästinensischen
Korrespondent*innen in Gaza [5][gefährdet]. Für sie ist es nicht nur
ein Job, für den sie ihr Leben riskieren. Es sind auch ihre Geschichte,
Familien und Freund*innen, über die sie berichten, um die sie bangen und
trauern. „Werden wir jemals in der Lage sein, all diese Gewalt zu
dokumentieren?“, fragt die Journalistin Hind Khoudary auf X.
Wael Al-Dahdouh ist Büroleiter des arabischen Nachrichtensenders
Al-Jazeera. Der Sender wird von Katar finanziert und verfügt über das beste
Netzwerk an Journalist*innen in Gaza. Der 52-Jährige berichtet seit
1998 aus Gaza. Wie Al-Jazeera berichtet, zogen seine Frau Amna, ihre acht
Kinder mit Enkeln in eine von Israel als sicher deklarierte Zone, Dahdouh
sei in Gaza Stadt geblieben, um zu berichten.
Als er am 25. Oktober live berichtete, habe er am Telefon erfahren, dass
seine Frau, sein Sohn und seine siebenjährige Tochter bei einem
israelischen Luftangriff getötet worden seien. Berichten des Senders
zufolge fuhr er gemeinsam mit seinem Kameramann zu dem Haus, und grub unter
den Trümmern nach seinen Familienmitgliedern.
## Familienmitglieder in den Trümmern
Die Journalist*innen dokumentieren den Krieg, trotz gekappter
Stromverbindung und bei ausfallendem Internet. Wie die [6][Times of Israel]
berichtet, hat Israel die Einfuhr von Nahrungsmitteln, Wasser, Treibstoff
und Medikamenten in den Gazastreifen gestoppt; am 9. Oktober ordnete der
israelische Verteidigungsminister eine „vollständige Belagerung“ Gazas an.
Schusssichere Westen und Helme seien teuer, außerdem gäbe es sie nicht in
Gaza zu kaufen. „Seit vielen Jahren verhindert Israel die Lieferung von
Sicherheitswerkzeugen in den Gazastreifen und stuft sie als militärische
Ausrüstung oder Material mit doppeltem Verwendungszweck ein, von dem es
befürchtet, dass es an die Hamas und andere palästinensische Gruppierungen
gelangen könnte“, [7][schreibt die saudi-arabische Zeitung Arab News].
„Als Journalist und Schriftsteller, der wie durch ein Wunder fünf
zerstörerische Kriege mit Israel überlebt hat, weiß ich, dass meine Stimme
eine Verbindung zu der Welt ist, die zumindest dazu beitragen kann, unsere
Rufe nach Sicherheit zu verstärken“, schrieb Mohammad Mhawish aus
Gaza-Stadt am 8. Oktober in einem Essay auf der Al-Jazeera Webseite.
Nur eine handvoll internationaler Medien haben Büros in Gaza, darunter die
britische BBC sowie die Nachrichtenagenturen Reuters, AP und AFP. Sie sind
auf palästinensische oder arabische Journalist*innen angewiesen.
Aufgrund der Sicherheitslage und weil Israel keine ausländischen
Journalist*innen unabhängig über die Grenze lässt – das bestätigt auch
[8][Der Spiegel].
## „Watchdog“-Sender finanziert vom katarischen Staat
Zuletzt durften nach Angaben des Senders RTL vier ausländische
Reporter*innen für knapp drei Stunden embedded mit dem israelischen
Militär nach Gaza-Stadt, darunter die RTL- und n-tv Reporterin Raschel
Blufarb.
Seit der Blockade, die Israel vor 16 Jahren über den Gazastreifen verhängt
hat, könnten Journalist*innen das palästinensische Gebiet nur mit
Genehmigung der israelischen Behörden betreten, sagt RSF. Die Behörde für
Grenzübergänge des israelischen Verteidigungsministeriums hatte das Verbot
laut RSF bereits am 12. Mai erlassen.
Mitte Oktober verabschiedete die israelische Regierung eine
Dringlichkeitsverordnung, die es ihr erlaubt, ausländische
Nachrichtensender vorübergehend zu schließen, wenn sie der Meinung ist,
dass diese die nationale Sicherheit gefährden – darunter Al Jazeera. Israel
wirft Al-Jazeera vor, anti-israelische Propaganda zu verbreiten. Der Sender
sieht sich als Watchdog von Autokraten und Machthabern, finanziert vom
katarischen Staat. Im Israel-Palästina Konflikt bezieht der Sender
[9][pro-palästinensisch Position].
Eine der wenigen Nachrichtenagenturen mit Büros im Gazastreifen ist die
französische Agence France-Presse (AFP). Neun palästinensische
Journalist*innen und eine Webcam in Gaza-Stadt liefern Bilder von
israelischen Luftangriffen, die nach Angaben von CNN auf allen
US-Nachrichtensendern gezeigt werden.
## Gezielte Angriffe
AFP und Reuters sagen, sie hätten das israelische Militär am 27. Oktober um
Sicherheit für ihre Angestellten vor israelischen Angriffen in Gaza
gebeten. Doch das Militär antwortete, dass es die Sicherheit nicht
garantieren kann.
Um Kriegsverbrechen wie gezielte Angriffe auf Journalist*innen zu
belangen, hat RSF beim Internationalen Strafgerichtshof Klage eingereicht:
Wegen Kriegsverbrechen gegen acht palästinensische Journalist*innen, die
bei der Bombardierung ziviler Gebiete in Gaza durch mutmaßlich Israel
getötet wurden und einem israelischen Journalisten, der am 7. Oktober bei
der Berichterstattung über einen Angriff der Hamas auf seinen Kibbuz
getötet worden sein soll.
12 Nov 2023
## LINKS
[1] https://ipi.media/hamas-israel-war-tracking-attacks-on-journalists/
[2] https://cpj.org/2023/11/journalist-casualties-in-the-israel-gaza-conflict/
[3] https://www.ifj.org/media-centre/news/detail/category/press-releases/articl…
[4] https://cpj.org/2023/11/faq-how-cpj-documents-journalist-deaths-in-the-war/
[5] https://rsf.org/en/palestinian-journalists-describe-reporting-gaza-rsf-video
[6] https://www.timesofisrael.com/iaf-hits-gaza-on-unprecedented-scale-strips-p…
[7] https://www.arabnews.com/node/1866451/media
[8] https://www.spiegel.de/ausland/krieg-in-israel-so-berichten-wir-aus-israel-…
[9] https://www.srf.ch/news/international/berichterstattung-zu-israel-al-jazeer…
## AUTOREN
Julia Neumann
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