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# taz.de -- Oliver Polak über neue Netflix-Show: „Die Realität ist die Punc…
> In „Your Life is a Joke“ roastet Oliver Polak auf Netflix Prominente. Ein
> Gespräch über Humor und das deutsche Duckmäusertum.
Bild: Provoziert gerne mit seinen Punchlines: der Komiker Oliver Polak
taz: Herr Polak, sprechen Ihre Freund*innen noch mit Ihnen?
Oliver Polak: Meine Freunde? Eigentlich alle. [1][Die kennen mich ja], die
kennen meinen Charakter. Die wissen über meine guten Seiten Bescheid und
meine Scheißseiten und die haben sich ja offensichtlich entschieden, mit
mir befreundet zu sein.
Die Kellnerin kommt, bringt Espresso und Zucker und Cola light für Polak.
Sie fragt ihn: Cola light und trotzdem Zucker? Er sagt: Ja, warum nicht?
Bist du meine Mutter? Sie lachen, die beiden kennen sich gut.
Gegenfrage: Wo ist der Widerspruch? Eine Widersprüchlichkeit
diagnostizieren, wo keine ist. Interessant ist: diese Programmierung, wo
der Mensch viel zu faul ist, selbst noch mal nachzudenken. [2][Das ist
deutsch]. Deswegen auch die deutschen Sprichwörter, die es zu Humor gibt:
zum Lachen in den Keller gehen, Spaß beiseite, Schluss mit lustig. Wie
willst du hier [3][irgendetwas mit Humor machen]? Viel zu oft urteilt man
über Dinge, bevor man überhaupt darüber nachgedacht hat, vielleicht nur, um
schnell irgendwas zu sagen und es schnell in eine Schublade zu schieben.
Oder um sich nicht mehr damit auseinandersetzen zu müssen. Man muss nicht
zu allem eine Meinung haben.
Um eine Sendung machen zu können, in der Sie Menschen roasten, müssen Sie
ja eigentlich Ihren Senf zu Dingen dazugeben, die Sie nichts angehen?
Nö, in den Gesprächen eigentlich nicht. Natürlich löst es, dass man seinen
Senf dazugibt, aus, dass der andere vielleicht noch mehr erzählt. Aber
klar, die Karre Senf lade ich im Comedyclub ab, wo wir den Roast
aufzeichnen. Aber man muss sagen, das ist auch nicht nur scharfer Senf, er
ist gemischt mit süßem Senf.
Ihr Umgang mit Ihren Gästen war schon sehr … süß. Wie geht das, sich
liebevoll über jemanden lustig zu machen?
Bei Stand-up-Comedy geht es um Beobachtung, den Blick, Assoziationen, dass
man Dinge sieht. Manchmal braucht man gar keine Punchline, weil die
Realität ja schon die Punchline ist. Leute fragen mich ja öfter, „darf man
das machen“. Wenn ich dann eine Schlagzeile wie vor ein paar Tagen sehe,
dass zwei deutsche Polizisten Liegestütze an den Stelen am Holocaustmahnmal
machen, dann denke ich,: Ey, da brauche ich gar keine Punchline mehr! Bei
der Show geht es darum, die Gäste kennenzulernen und sie zu fühlen. Wir
kennen das doch alle, man ist auf so einer Feier und jemand hält so eine
Rede und redet nur über das, was alle schon wissen, das Offensichtliche.
Aber es geht ja eben darum, die anderen Dinge zu zeigen, bei einer Rede
auch nicht das Offensichtliche zu erzählen, sondern erst mal zu gucken, wo
sind die Ticks der Person, wo sind die verschrobenen Verhaltensweisen, wo
sind die Rituale der Person – mehr zu zeigen, als sie auf die fünf Dinge zu
reduzieren, die eh schon alle wissen. Und das war die Herausforderung bei
dem Roast, das zu suchen. Wenn ich in einem Gespräch bin, suche ich nicht
bewusst, dann ist das Gespräch da.
In Momenten, in denen jemand etwas erzählt, wie Jennifer Weist, die in der
Sendung über ihren Vater spricht, dann weiß ich das nicht und dann frage
ich noch mal nach. Weil mich das interessiert. Wenn ich mir die Folge
nachher noch einmal angucke und überlege, worüber ich reden will, wo ist
der Humor, dann gucke ich noch mal gezielter nach und baue die
Zusammenhänge. Aber manchmal hat man natürlich schon in dem Moment eine
Assoziation, dass man da schon die Punchline sieht.
Also schon während Sie mit den Leuten den Tag verbringen, denken Sie
darüber nach, wie Sie sie fertigmachen können?
Es geht ja eben nicht darum, sie fertigzumachen. Das wollen Leute manchmal
auf Twitter oder deutsche Kabarettisten, wo man sich fragt: Ging das hier
noch um eine Punchline?
Die Roasts waren sehr wohlwollend, besonders verglichen mit Ihrem Programm
früher. Das war ein sehr weicher, netter Oliver Polak. Hat sich Ihr Humor
in den letzten Jahren verändert?
Nö. Grundsätzlich nicht. Ich war ja auch immer so. Aber manchmal hat man
Phasen, wie Bands auch. Es ist normal, dass sich Dinge verschieben oder
verändern, dass man Schwerpunkte auf etwas anderes legt. Das macht es auch
für einen selbst interessanter.
In den letzten Jahren gab es ja einen breiten Diskurs über Comedy und
Kabarett …
Ja, die Antwort darauf gibt es in meiner nächsten Show kommendes Jahr. Die
heißt „Sorry für gar nichts“.
Stimmt, Sie haben 2017 schon öffentlich gesagt, dass Sie sich nicht
entschuldigen …
Nein, ich habe gesagt, ich würde mich nie für einen Witz entschuldigen.
Anders aber, wenn Sie da tränenüberströmt sitzen würden, weil Sie da
irgendetwas getriggert oder verletzt hätte, dann würde ich nicht sagen:
Pech gehabt. Da könnte ich mir vorstellen, dass ich sagen würde: „Es tut
mir leid, dass es so etwas bei Ihnen ausgelöst hat.“ Aber ich würde mich
grundsätzlich nicht für einen Witz entschuldigen.
Warum ist Roasten in Deutschland bislang nicht verbreitet?
Es gibt ja schon Roasts, aber noch nicht so viele. Wahrscheinlich lässt man
das Roasten auch in Deutschland, weil man Angst hat, man könnte jemanden
auf die Füße treten, obwohl der Kontext ja humoristisch ist. Das ist wieder
dieses Ding zwischen Duckmäusertum und Größenwahn. Vielleicht glaubt man,
dass, wenn wir zu viele Roastshows haben, die Deutschen einen dritten
Weltkrieg starten, weil sie übertreiben (lacht).
Sie schaffen es, eine sehr intime Atmosphäre bei den Gesprächen in Ihrer
Sendung zu schaffen. Kann man einer Person in einem Tag so nahe kommen, um
sie roasten zu können?
Total. Ich habe mich in jeden meiner Gäste auf eine Art und Weise ein
bisschen verliebt.
9 Nov 2021
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## AUTOREN
Aida Baghernejad
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