# taz.de -- Ohne Krankenversicherung in Berlin: Gesundheit für fast jeden | |
> Eine neue Anlaufstelle hilft Menschen ohne Krankenversicherung: Doch der | |
> anonyme Krankenschein für Illegalisierte kommt erst ab 2019. | |
Bild: In der neuen Beratungsstelle in Berlin | |
Etwa 60.000 Menschen in Berlin sind nicht krankenversichert. Egal ob sie | |
Rückenleiden, eine Grippe oder einen Beinbruch haben, der Gang zum Arzt | |
oder ins Krankenhaus ist schwierig und womöglich mit extrem hohen Kosten | |
verbunden. Dagegen soll eine Clearingstelle Abhilfe schaffen. Bereits seit | |
dem 9. Oktober stehen die Räume der Stadtmission in der Lehrter Straße nahe | |
des Hauptbahnhofs allen Menschen ohne Krankenversicherung offen. | |
Betroffen sind Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus, ohne Recht auf | |
einen Versicherungsschutz. Sie machen 50 bis 75 Prozent aller | |
Nicht-Versicherten aus. Dazu kommen jene, die prinzipiell in eine Kasse | |
vermittelbar sind: EU-Bürger, deren Versicherungsschutz aus ihrem | |
Herkunftsland nicht mehr gilt. Oder Menschen, die aus Armut nicht Mitglied | |
einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Etwa so genannte Soloselbstständige, | |
denen bei einem Einkommen von 800 Euro schlicht das Geld für den | |
Monatsbeitrag fehlt. Oftmals haben sie auch zuvor Schulden bei einer Kasse | |
angehäuft. | |
„Wenn man alle Gruppen zusammen nimmt, ist das schon eine große Gruppe, für | |
die die Clearingstelle da sein wird“, sagte Berlins Gesundheitssenatorin | |
Dilek Kolat (SPD), als sie Anfang der Woche das neue Angebot öffentlich | |
präsentierte. Kolat machte deutlich: „Jede und jeder hat ein Recht auf eine | |
Krankenversicherung.“ Der Senat wolle „Menschen, die durch das Raster | |
unseres Gesundheitssystems gerutscht sind, zu ihrem Recht zu verhelfen“. | |
Für Illegalisierte bedeutet dieses Recht nicht die Mitgliedschaft in einer | |
Krankenversicherung, sondern ein anonymer Krankenschein, mit dem sie einen | |
Arzt aufsuchen können. Allerdings gibt es diesen noch nicht. Wie Luise | |
Zwirner, Koordinatorin der Clearingstelle im Gespräch mit der taz sagt, | |
soll es „für Menschen ohne Zugang zum Regelsystem ab 2019 | |
Behandlungsscheine geben“. Momentan biete man dieser Gruppe in der | |
Clearingstelle eine Sozialberatung, perspektivisch auch eine | |
ausländerrechtliche Beratung an. | |
## „Technische Fragen“ | |
Wann genau es die Arzt-Gutscheine geben wird, stehe noch nicht fest. Zu | |
klären seien diverse „technische Fragen“, etwa die Abrechnungsverfahren und | |
die Kooperationen mit Ärzten und Krankenhäusern, so Zwirner. Fest steht | |
hingegen, dass die Kosten der Behandlungen zur Hälfte zwischen | |
Clearingstelle und dem Senat aufgeteilt werden sollen. | |
Der Senat hatte für dieses und nächstes Jahr je 1,5 Millionen Euro | |
bereitgestellt, um für eine bessere Gesundheitsversorgung von | |
Nicht-Versicherten zu sorgen. Aus diesen Mitteln wird auch die | |
Clearingstelle finanziert. | |
Antje Dieterich vom Netzwerk Solidarity City Berlin, das sich für die | |
Rechte Illegalisierter stark macht, sagt über die Clearingstelle: „Wir | |
haben uns gefreut, dass keine Trennung nach Staatsbürgerschaft vorgenommen | |
wird.“ Gleichzeitig kritisiert sie, dass nicht geregelt ist, wie Menschen | |
ohne Papiere versorgt werden sollen. Entscheidend sei die Wahrung der | |
Anonymität und keine Beschränkung der Behandlungskosten.“ | |
25 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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