# taz.de -- „Notprogramm“ für Kongo: Freiheit und Arbeit | |
> Kongos neuer Präsident Felix Tshisekedi verkündet die Freilassung | |
> politischer Gefangener. Und ein umfassendes Straßenbauprogramm. | |
Bild: Es gibt viel zu tun: eine Straße in Kinshasa | |
BERLIN taz | Dreißig Tage nach seiner Amtsübernahme hat der neue Präsident | |
der Demokratischen Republik Kongo ein „Notprogramm“ für seine ersten 100 | |
Tage vorgelegt und damit hohe Erwartungen geweckt. | |
Die Menge umjubelte Staatschef Felix Tshisekedi, als er am Samstag in | |
seiner Rede am Autobahnkreuz Limete in der Hauptstadt Kinshasa versprach, | |
innerhalb von zehn Tagen alle politischen Gefangenen zu begnadigen, alle | |
„Gesinnungshäftlinge“ freizulassen sowie die „schnelle Rückkehr“ von | |
Exilpolitikern einzuleiten. | |
Die Ehrengäste aus Politik und Militär lauschten mit versteinerten Mienen | |
oder flüsterten untereinander, als Tshisekedi sich angesichts des Jubels | |
ein kleines Grinsen nicht verkneifen konnte und diese Schlüsselsätze | |
wiederholte. | |
Die Szenen, von Fernsehkameras festgehalten, markieren den bisher | |
deutlichsten Bruch des neuen Präsidenten von Kongos historisch größter | |
Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) mit | |
dem alten Regime seines Vorgängers Joseph Kabila, der Kongo von 2001 bis | |
Januar 2019 regiert hatte. | |
## Tshisekedis komplexe Beziehung zu Kabila | |
Erst vor wenigen Tagen hatte Tshisekedi auf einem Staatsbesuch in Namibia | |
zugeben müssen, dass er tatsächlich ein geheimes Abkommen mit Kabila | |
geschlossen habe, das ihm den Weg an die Macht ebnete. Nach allen | |
unabhängig kalkulierten Wahlergebnissen war Tshisekedi nämlich nicht der | |
wahre Sieger. | |
Während Anhänger des mutmaßlichen Wahlsiegers, dem Oppositionellen Martin | |
Fayulu, auf eine Veröffentlichung dieses Deals drängten, hatte der | |
unterlegene Kabila-treue Präsidentschaftskandidat Emmanuel Shadary den | |
Anspruch seines politischen Lagers auf die Posten des Premierministers und | |
des Parlamentspräsidenten bekräftigt. Das alte Kabila-Regime will | |
Tshisekedi keineswegs die Schalthebel der Macht überlassen. | |
Gemessen daran sind Tshisekedis Worte mutig, wenn auch die Einzelheiten | |
seines Programms eher bescheiden sind. Auf rund 488 Millionen US-Dollar – | |
etwa ein Zehntel des Staatshaushalts – belaufen sich die Maßnahmen, die der | |
neue Präsident als ersten Impuls zum Wiederaufbau des von Staatszerfall, | |
Korruption und Bürgerkrieg gebeutelten 90-Millionen-Einwohner-Landes | |
verspricht. | |
Neues Geld ist es offensichtlich nicht. Etwa die Hälfte des Geldes soll in | |
den Straßenbau fließen – Kongos Straßennetz ist seit Jahrzehnten weitgehend | |
zerfallen. | |
Trotz zahlreicher Einzelmaßnahmen ist es bis heute unmöglich, von einem | |
Ende des weitgehend von Urwald bedeckten Landes von der Größe Westeuropas | |
auf dem Landweg ans andere zu fahren. | |
5.000 Kilometer neue Straßen in fünf Jahren versprach jetzt der neue | |
Präsident und zog am Ende seines Auftritts einen weißen Overall der | |
Straßenbaubehörde und einen weißen Arbeitshelm an, um einen Bagger zu | |
besteigen und symbolisch die Bauarbeiten an Kinshasas maroder Stadtautobahn | |
zu beginnen. Allein für die Straßen von Limete am Rande des Zentrums der | |
Hauptstadt bis zum internationalen Flughafens sind über zehn Millionen | |
US-Dollar veranschlagt. | |
## Keine Schonfrist | |
Der Schönheitsfehler ist, dass Kabilas Regierungsminister und seine alten | |
Provinzregierungen noch immer geschäftsführend im Amt sind, und sie sollen | |
Tshisekedis Notprogramm umsetzen. | |
Eine neue Regierung kann erst gebildet werden, wenn im Laufe dieses Monats | |
das neugewählte Parlament erstmals zusammentritt, was wiederum voraussetzt, | |
dass alle Einzelergebnisse der Parlamentswahl rechtskräftig bestätigt sind. | |
Tshisekedi hat aber offensichtlich begriffen, dass er keine Schonfrist hat. | |
Schon direkt nach seiner Amtseinführung am 24. Januar gab es an mehreren | |
Orten Streiks von Arbeitern und Angestellten, die endlich menschenwürdige | |
Löhne forderten. Auch in den Reihen der Polizei und der Armee herrscht | |
Unmut über zu geringe Löhne. | |
Hoffnungsvolle Schritte zur Befriedung des Landes, wie der Gewaltverzicht | |
Tshisekedi-treuer Milizen in der Bürgerkriegsregion Kasai, drohen am Mangel | |
an Geld für eine Reintegration bewaffneter Kämpfer in die Gesellschaft zu | |
scheitern. In den letzten Tagen wurden aus Kasai neue Kämpfe gemeldet, | |
ebenso im Osten des Landes, wo Kabila-treue Generäle das Sagen haben. | |
3 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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