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# taz.de -- Kongos Präsident zu Besuch in Belgien: Neuer Enthusiasmus
> Europa hofft auf eine Wiederannäherung an Kongo unter Präsident
> Tshisekedi. Aber in der Regierung zieht sein Vorgänger Kabila die Fäden.
Bild: Militärische Ehren: Felix Tshisekedi landet in Belgien, 16. September
Brüssel taz | Vor einem Jahr lebte Felix Tshisekedi noch als
Exilpolitiker in Brüssel – jetzt wird für ihn als Präsident der
Demokratischen Republik Kongo in Brüssel der rote Teppich ausgerollt. Die
alte Kolonialmacht Belgien, europäische Führungsnation im Umgang mit
Zentralafrika, empfängt den ersten kongolesischen Staatsbesuch seit zwölf
Jahren. Auf dem Programm der Visite vom 17. bis 20. September stehen neben
politischen Gesprächen ein Termin bei König Philippe, Treffen mit
Diamantenhändlern und ein Besuch der wichtigsten Militärakademie.
Belgien und in seinem Windschatten die EU wollen Tshisekedis Besuch nutzen,
um die Beziehungen zum Kongo zu kitten, die in den letzten Amtsjahren
seines Vorgängers Joseph Kabila immer angespannter geworden waren – [1][bis
hin zu Sanktionen]. Anfang September besuchte Bundesaußenminister Heiko
Maas Kinshasa und sagte, Tshisekedi könne „für seinen Reformkurs auf
unsere Unterstützung zählen“.
Auch die USA, die bei den Sanktionen gegen Kabilas Entourage vorangegangen
waren, richten sich auf eine neue Ära der Zusammenarbeit ein. Im August
sagte der US-Botschafter in Kinshasa, Mike Hammer, die USA seien bereit,
mit der neuen Regierung zu kooperieren, und lobte Tshisekedi für die
Bildung eines Kabinetts, das den Erwartungen der Bevölkerung entspreche.
Auch die EU hat dem neuen Premierminister Sylvestre Ilunga und seinen
Ministern gratuliert.
Der neue Kongo-Enthusiasmus erklärt sich weitgehend aus der Hoffnung, dass
Tshisekedi das 90-Millionen-Einwohner-Land mit einigen der wichtigsten
Rohstoffvorkommen der Welt zurück zum Westen führt, nachdem unter Kabila
China der wichtigste Handelspartner geworden war. Dafür ist man im Westen
bereit, die eigene scharfe Kritik an den [2][Wahlen vom Dezember 2018] zu
vergessen.
Egal, dass die unabhängige Zählung der katholischen Bischofskonferenz den
Oppositionskandidaten Martin Fayulu mit 62,1 Prozent der Stimmen als
Wahlsieger sahen, gegen nur 16,9 Prozent für Tshisekedi, knapp vor Kabilas
Wunschkandidat Ramazani Shadary. Schließlich akzeptieren inzwischen auch
die Bischöfe die Realität, nämlich dass das Kabila-Lager Tshisekedi ins Amt
hievte, um die Fayulu-Opposition von der Macht fernzuhalten.
## Kabila-Lager dominiert das neue Kabinett
In Tshisekedis Kongo hat Kabila die Kontrolle über die Institutionen
behalten. Seine Parteienallianz FCC (Gemeinsame Front für den Kongo) hält
über 350 der 500 Sitze in der Nationalversammlung und 95 der 120 Sitze im
Senat, sie dominiert das Verfassungsgericht und die Provinzregierungen. Der
zweithöchste Mann im Staate, Senatspräsident Alexis Thambwe, gehört ebenso
zum Kabila-Lager wie Parlamentspräsidentin Jeannine Mabunda.
Im Regierungskabinett hält die FCC 42 der 65 Posten, Tshisekedis Getreue
sind in der Minderheit. Es scheint eine systematische Dopplung zu geben:
Tshisekedis Mitstreiter Jean-Baudouin Mayo ist Haushaltsminister, aber
Finanzminister ist der Kabilist José Sele Yalaghuli. Die Diplomatie ist
geteilt zwischen Außenministerin Marie Ntumba Nzenza aus dem
Tshisekedi-Lager und Kooperationsminister Valéry Mukasa aus dem
Kabila-Lager.
Für innere Sicherheit ist einerseits Tshisekedist Gilbert Kankonde Malamba
als Innenminister zuständig, andererseits Kabilist Aimé Ngoy Mulunda als
Verteidigungsminister – ihm wirft die katholische Kirche Unterstützung von
Milizen in seiner Heimat Katanga vor.
Die Kabilisten halten mit Célestin Tunda ya Kasende auch das
Justizministerium, was ihnen ermöglicht, Verfahren wegen Korruption und
Diebstahl zu blockieren. Der Kabila-treue ehemalige Bergbauminister von
Katanga, Willy Kitobo Samsoni, ist nun Bergbauminister des ganzen Landes,
und hinter dem vom Tshisekedi-Lager berufenen neuen Ölminister Rubens
Mikodo steht als Stellvertreter ein Kabila-treuer Freund des Iran: Mousa
Sadr Mondo, Leiter des Verbandes kabilischer Muslime (AMK).
Auch die Ernennung des Premierministers Ilunga – der langjährige Chef der
zugrundegewirtschafteten kongolesischen Eisenbahn, deren Personal auf 200
Monate unbezahlte Gehälter wartet – geht auf Kabila zurück.
Und bevor die FCC-Minister vor Präsident Tshisekedi und dem Parlament
auftraten und ihre Amtseide abgaben, mussten sie bei Expräsident Kabila
antreten und ihm die Treue schwören – auf Kabilas Farm Kingakati 50
Kilometer außerhalb von Kinshasa.
Kabila, der den in der Verfassung nicht vorgesehenen Titel des
„Ehrenpräsidenten“ hält, zieht nicht nur die Strippen der Macht hinter den
Kulissen, sondern hat auch einen Teil der Kulisse behalten. Die Farm
Kingakati mit ihrem eigenen Flughafen, Yachthafen, Kraftwerk sowie
Ländereien und Minen bildet eine Art Staat außerhalb des Staates.
In Kinshasa ist Kabilas Residenz der Präsidentenpalast, der Palais de
Marbre, mit der nie belegten Begründung, er habe ihn gekauft. Tshisekedi
muss sich nun einen eigenen Palast bauen, für 180 Millionen Euro.
## Immense Herausforderungen
Es ist eine unbeliebte Regierung, in der über ein Viertel der Minister noch
nie ein solches Amt bekleidet haben und über vier Fünftel Männer sind. Sie
muss sich nun immensen Herausforderungen stellen, angefangen mit einer vom
Premierminister als „wenig erfreulich“ bezeichneten Wirtschaftskrise und
mit Tshisekedis Versprechen einer kostenlosen Grundschulbildung. Bewaffnete
Gruppen und [3][Ebola] haben im Osten des Landes in den vergangenen zwölf
Monaten jeweils über 2.000 Tote gefordert.
Während Tshisekedi nun nach Brüssel aufbricht, wird Kinshasa von einer
Korruptionsaffäre erschüttert, in deren Zentrum sein Kabinettschef Vital
Kamerhe steht. 15 Millionen US-Dollar, die im Mai in den Staatshaushalt
hätten fließen sollen, landeten stattdessen auf einem privaten Konto der
Rawbank. Es handelte sich um den Steueranteil einer staatlichen
Entschädigung an sieben Ölfirmen für das Einfrieren der Benzinpreise in
Höhe von 100 Millionen, die Kabilas scheidender Wirtschaftsminister Henry
Yav auf Kreditbasis aufgenommen und ausgezahlt hatte. Von den 15 Millionen
wurden dann 14,775 Millionen von irgendwem wieder abgehoben und die sind
jetzt weg.
Die Finanzinspekteure der Regierung machen Kamerhe dafür verantwortlich.
Kamerhe deutet auf den Ex-Wirtschaftsminister. Ermittlungen laufen. Ihr
Ausgang dürfte viel über die realen Machtverhältnisse im Kongo verraten.
17 Sep 2019
## LINKS
[1] /Wahlkampf-der-Regierung-im-Kongo/!5555194/
[2] /Umstrittene-Wahl-im-Kongo/!5566621/
[3] /Ein-Jahr-Ebola-Virus-im-Kongo/!5610235
## AUTOREN
François Misser
## TAGS
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