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# taz.de -- Maler Roger Botembe gestorben: Die Erfüllung am Ende
> Botembe wollte in der Demokratischen Republik Kongo kulturelle Freiräume
> schaffen. An den korrupten Machthabern ist er verzweifelt.
Bild: Der Stier als Symbol von Gottes Kraft, Auszug aus einem Gemälde Botembes
Rot war für ihn die Sonne und die Lebensfreude, Schwarz die Mühe des
Diesseits, Weiß die Erfüllung im Jenseits. Wenn Roger Botembe malte, blieb
wenig dem Zufall überlassen, so wild manche seiner Werke auf den ersten
Blick erscheinen. Der wohl berühmteste Maler der Demokratischen Republik
Kongo glaubte an die Macht der Bilder.
Nicht Rot, Schwarz und Weiß, sondern Grau und Braun waren die
vorherrschenden Farben, als Roger Botembe am 30. November 2006 zu seinem
Wahllokal in Kinshasa fuhr. Es regnete in Strömen an Kongos Schicksalstag,
dem Tag der Stichwahl zur Präsidentschaft bei Kongos ersten freien Wahlen,
eine Konfrontation zwischen Staatschef Joseph Kabila und dem einstigen
Rebellenführer Jean-Pierre Bemba. Die Freude der auf ihre junge Demokratie
stolzen Kongolesen beim ersten Wahlgang im Juli wich im November der Angst
vor der Konfrontation zwischen zwei skrupellosen Kriegern, von denen nur
einer gewinnen konnte.
„Sie sind beide gleich“, sagte Botembe am Steuer seines klapprigen Wagens,
während er sich umsichtig im Regen durch die vielen Seen unbekannter Tiefe
auf den hügeligen Straßen Kinshasas schlängelte. Botembe hatte ursprünglich
eher auf Bemba gesetzt, der aus seiner eigenen Heimatregion im
Regenwaldbecken der Provinz Equateur kam und einer kultivierten Familie
entstammte. Jetzt seufzte er: „Sie sind nicht ehrlich. Es sind beides
Kriegskommandanten. Sobald sie an Geld kommen, werden sie Waffen kaufen.
Den Menschen wird das Geld nie zugutekommen. Guck dir die Klassenzimmer
an“, rief er, als er in einen schlammigen Schulhof steuerte. „Siehst du da
Bänke? Sie sind leer!“
Botembe hatte im Jahr 2006 seine schöpferische Karriere schon hinter sich,
aber das wusste er damals noch nicht. Eigentlich hoffte er auf eine neue
Blüte des Kongo nach dem Krieg. Geboren 1959 in Kinshasa, hatte er nach
seinem Studium an der Kunstakademie von Kinshasa alles erlebt:
Ausstellungen in Abidjan, in Brüssel, internationale Preise, Hofmalerei für
die Urwaldresidenz des Diktators Mobutu Sese Seko als Startkapital für sein
eigenes Atelier ab 1992.
## Aufschwung und Räumung
Die „Ateliers Botembe“ auf dem verlassenen Depot der nur noch virtuell
existierenden Transportgesellschaft Transcom in Kinshasa wurden ab dem Jahr
2000, noch tief im Krieg, zum Freiraum für eine ganze Generation junger
Künstler aus dieser hungrigen, bitterarmen, wütenden, brodelnden
Megalopole. Sie fanden dort Zuflucht und schöpften Mut, um den eigenen
Hunger, die Armut und die Wut zu kanalisieren. Der freundliche bärtige Hüne
Botembe, der sich nie aus der Ruhe bringen ließ, half ihnen dabei. Er
glaubte an diese Jugend, ihre Energie, ihre Kreativität, als Wurzel der
Zukunft des Kongo. „Man muss diese Wurzel pflegen. Wenn die Jugend sich
selbst überlassen bleibt, ist sie eine Zeitbombe.“
Und dann, im Wahljahr 2006, als Kongo endlich wieder ein Rechtsstaat werden
sollte, war alles vorbei. Früher sah man bei Roger Botembe noch Bilder
überall, Malwerkzeug, eifrige junge Leute an Leinwänden, es herrschte das
übliche künstlerische Durcheinander. Im Sommer 2006 war die Halle so gut
wie verwaist. Farbreste lagen herum, Studentennotizen, Skizzen mit
Kugelschreiber auf kariertem Papier, ein Autokennzeichen aus Aachen. An der
Betonwand klebte ein Zettel mit dem Beginn eines Gedichtes: „Malerei ist
eine Rakete / die uns zusammenschweißt“.
Ein libanesischer Unternehmer, der eine Backfabrik errichten wollte, hatte
das ganze riesige Depot für lächerliche 900.000 US-Dollar gekauft – eines
von unzähligen dubiosen Geschäften, mit denen sich Politiker im Kongo auf
Kosten der Allgemeinheit bereichern. „Eines Tages kam ein alter Mann und
sagte, die Transportgesellschaft sei liquidiert“, berichtete Botembe. „Wir
waren erstaunt! Wir sind in Kinshasa geboren, wir sind hier aufgewachsen.
Unsere Schulbusse kamen von hier, aus diesem Depot. Wenn die Busse nicht
fuhren, sind wir hergekommen. Im Jahr 2000 sahen wir, dass das Gelände leer
war, und wir zogen her. Alle möglichen Leute kamen uns besuchen, und wir
redeten über unsere Kindheit. Diese historische Dimension des Raumes hat
etwas Einmaliges geschaffen. Erst waren hier nur die Ateliers, aber dann
kamen Studenten, es entstand eine kleine Bibliothek, wir hatten
Ausstellungsräume, alles. Wir haben hier eine richtige Kulturfabrik
aufgebaut. Wir haben alles selbst investiert.“
Botembe fuhr fort: „Dieses Atelier ist mein Leben. Vierzehn Jahre habe ich
daran gearbeitet. Die Hälfte meiner Sachen sind hier.“ Dass das
Immobiliengeschäft kriminell war, daran hatte der Künstler keinen Zweifel:
Sogar die Polizei, die das Gelände bewachte, war verjagt und durch einen
privaten Sicherheitsdienst ersetzt worden.
Botembe ging schließlich doch, mit all seinen Sachen, wie all die anderen.
Am Wahltag im November 2006 bat er in sein Geburtshaus im
heruntergekommenen Stadtviertel Ngiri-Ngiri. „Wir haben nur an zwei Tagen
in der Woche Strom“, entschuldigte er die Finsternis, während draußen
dunkle Wolken am Himmel standen wie eine Drohkulisse. „Früher war es hier
schön.“ Seine große Schwester kam vorbei, sie wollte Bemba wählen: „Er w…
Frieden bringen“. In der „Grundschule III & IV Yolo-Süd“ gab Botembe
schließlich seine Stimme ab – eine Sache von wenigen Minuten und trotzdem
die Erfüllung eines Lebens. „Ich habe einen historischen Akt vollbracht“,
sagte der damals 47-Jährige hinterher und grinste. Dann aber ernst: „Es
gibt Generationen in diesem Land, die diese Chance nie hatten. Es kommt
nicht auf den Sieger an. Der Wahlakt an sich ist wichtig.“
Aber mit seiner pessimistischen Einschätzung der Politik sollte Botembe
recht behalten. Nach seinem Wahlsieg verjagte Kabila den unterlegenen Bemba
aus Kinshasa und lieferte ihn an den Internationalen Strafgerichtshof aus –
[1][der ihn erst zehn Jahre später freisprechen sollte]. Botembe selbst zog
sich ebenfalls aus Kinshasa zurück. Sein Versuch, nach dem Verschwinden
seines Ateliers die Kunstakademie der Stadt zu neuem Leben zu führen, war
gescheitert. Er lebte vom Verkauf seiner Bilder und von Ausstellungen und
Vernissagen im Ausland und bei der Geschäftselite Kinshasas – es
widerstrebte seinen Überzeugungen, aber Kunst im Kongo überlebt nur als
Kommerz.
„Transsymbolismus“ nannte Botembe selbst seine Kunst, und seine Erklärung
war viel einfacher als das Wort, das in mancherlei gelehrten Abhandlungen
bis zur Unkenntlichkeit dekonstruiert worden ist. Transsymbolismus, sagte
er, ist die Schaffung von Neuem auf der Grundlage bereits in Afrikas Kultur
präsenter Symbole. Als Grundlage seiner Kunst nannte er die Maske, „das
zentrale Motiv, wie eine Obsession“, dazu die Sonne, „sie setzt die
künstlerische Fantasie frei, sie nimmt die Energien des Künstlers auf und
bewahrt seinen rituellen Reichtum“. Kunst, sagte er, war das, was gedeiht,
wenn es kein Leben mehr gibt – die Blüten auf den Ruinen des Kongo.
Botembe war der Gestus des Schaffens genauso wichtig wie das Ergebnis, er
freute sich über „eine neue künstlerische Dynamik im Kongo“ als möglicher
Vorbote einer besseren Gesellschaft, die aber immer unwahrscheinlicher
wurde. Später sprach er von einer afrikanischen Renaissance, und er malte
auch gerne Jesus, ohne das Rot der Lebensfreude, mit einem halb schwarzen
und einem halb weißen Gesicht, oder den Stier als Symbol der Kraft Gottes.
Als Kongo 2011 erneut an die Wahlurnen ging, [2][lebte Botembe schon auf
einer Farm außerhalb von Kinshasa]. Er wollte eine Künstlersiedlung
aufbauen, fernab von der unruhigen Großstadt, wo der Frust jeden Moment
explodieren und das Geld alles hinwegfegen könnte. Als die taz ihn
aufspürte, schimpfte er: „Die Superreichen stopfen sich voll und wollen
immer noch reicher werden. Die Masse des Volkes hat nichts, nicht einmal
Hoffnung. Alle schreien verzweifelt nach Veränderung.“
Das Rot, die Lebensfreude, war da aus seinen Bildern weitgehend
verschwunden. [3][Bei den Wahlen 2018] hätte Botembe sicher noch düsterer
gesprochen, wenn er da nicht schon längst von schwerer Krankheit gezeichnet
gewesen wäre.
In Südafrika, wohin Kongolesen meist gehen, wenn sie eine langwierige
medizinische Behandlung brauchen, ist er nun gestorben, am letzten Tag des
Jahres 2019. Er wurde 60 Jahre alt. Von seinen Farben ist das Weiß des
Jenseits geblieben.
2 Jan 2020
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Kongo/!5520778
[2] /Politischer-Wandel-im-Kongo/!5105890
[3] /Wahlmaterialien-verbrannt/!5556102
## AUTOREN
Dominic Johnson
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