| # taz.de -- Nachruf auf Chéri Chérin: Tod eines Unsterblichen | |
| > Der transmoderne Maler Chéri Chérin ist in Kinshasa mit 70 Jahren | |
| > gestorben. Spielerisch trat er in Kontakt mit verdrängten malerischen | |
| > Tradition des Kongo. | |
| Bild: Kampf ums Überleben (2002) | |
| Der am Sonntag in Kinshasa gestorbene Maler Joseph Kinkonda war immer auch | |
| ein ziemlicher Scherzkeks. Das verrät schon sein Künstlername: Chéri Chérin | |
| nannte er sich seit den 1970ern, lange bevor er als einer der bedeutendsten | |
| Künstler der Demokratischen Republik Kongo galt, und das war kühn. Denn | |
| Chéri, klar, das heißt Liebling. | |
| Chérin aber ist ein Akronym: Das C steht für créateur, also Schöpfer, H für | |
| hors série – außergewöhnlich –, dann kommen ein „E“ wie Expressionis… | |
| „R“ wie remarquable, bemerkenswert, und schließlich „IN“, das inégala… | |
| bedeuten soll – unerreichbar. | |
| Mit solchen Überhöhungen spielt auch das Œuvre: So hat er 2019 ein | |
| großformatiges Selbstporträt geschaffen, [1][das ihn aus vier Perspektiven | |
| in vier Lebensabschnitten zeigt], als jungen Beau, skeptischen | |
| Thirty-Something, als Bestager und als Alten Meister. Und wie nennt er | |
| diese virtuose Figurenfolge eigener Vergänglichkeit? „Der Unsterbliche“. | |
| Der Künstler sterbe nämlich nie, erklärt ein Schriftzug am Bildrand. „Il ne | |
| peut pas se taire“, er kann nicht schweigen. | |
| Dieses ironisch ausgestellte Selbstbewusstsein formuliert ästhetisch einen | |
| Anspruch ans eigene Schaffen [2][und politisch eine Kampfansage]: Chérins | |
| Malen behauptet sich auch über den Tod hinaus gegen die Ignoranz der | |
| Kunstwelt des Westens. Es ist, ohne diese zu verklären, [3][in Kontakt mit | |
| der von europäischen Besatzern verdrängten malerischen Tradition des Kongo | |
| getreten]. | |
| Nein, man wird sich nicht mehr kleinmachen lassen – und schon gar nicht im | |
| eigenen Land: Als Chéri Chérin 1955 geboren wird, besteht noch die | |
| belgische Schreckensherrschaft im Kongo. Seine Geburtsstadt heißt noch | |
| Léopoldville, nicht Kinshasa, und sie hat keine 300.000 Einwohner*innen. | |
| Heute sind es 15 Millionen. | |
| ## Prozesse der Urbanisierung | |
| Der explosive Urbanisierungsprozess samt seinen sozialen Verwerfungen | |
| durchpulst die Malerei Chérins, dessen Atelier im schlecht beleumundeten | |
| Quartier M’Ndjili lag. Emblematisch erscheint ein Gemälde von 2002, das | |
| [4][im dekolonisierten Brüsseler Afrika-Museum hängt]: Vor einer gelben | |
| Hütte hockend blutet ein Heiler konzentriert ein geköpftes Huhn aus. | |
| Er therapiert von Aids über Zauberei und Diabetes bis Rheumatismus so | |
| ziemlich alle Übel. Die wartenden Patienten blicken skeptisch. Doch was | |
| hilft’s: Eine Mauer trennt den Hof des Medizinmanns vom strahlend weißen, | |
| geschlossenen Krankenhaus im Hintergrund. „Kampf ums Überleben“, heißt das | |
| Bild. Es haben bei dem [5][nicht alle dieselben Chancen.] | |
| 23 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://galerie-angalia.com/en/portfolio/cheri-cherin-works/limmortel-2019/ | |
| [2] https://www.humanite.fr/culture-et-savoir/kinshasa/mort-de-cheri-cherin-pio… | |
| [3] /Leichtigkeit-Poesie-und-Witz/!5213493&s=ch%C3%A9ri+ch%C3%A9rin&Suc… | |
| [4] /Kongo-Kunst-im-Bruesseler-Afrikamuseum/!5563620 | |
| [5] /Debuetalbum-von-Punkband-aus-Kinshasa/!6088919 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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