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# taz.de -- Staatskrise im Kongo: Feldzug gegen das Korruptionsvirus
> Eine Verhaftungswelle wegen Korruption erschüttert die Demokratische
> Republik Kongo. Der Corona-Notstand führt das Land in die Staatskrise.
Bild: In Haft: Vital Kamerhe, Kabinettsdirektor von Kongos Präsident, hier End…
Berlin taz | Fast täglich fällt ein neuer Name. Am Mittwoch war es Gabby
Kisimba, Finanzdirektor der Provinz Maniema. Davor waren es [1][Modé
Makabuza] und Emmanuel Kamanzi, einflussreiche Geschäftsleute im
ostkongolesischen Goma. Im Tagesrhythmus wandern in der Demokratischen
Republik Kongo mutmaßlich korrupte Funktionäre und ihre privaten
Geschäftspartner hinter Gitter.
Prominentestes Opfer bisher: Vital Kamerhe, der mächtige Kabinettschef von
Staatspräsident Felix Tshisekedi. Kamerhe sitzt seit dem 8. April im
Zentralgefängnis der Hauptstadt Kinshasa. Der Vorwurf: Veruntreuung der
Gelder für das [2][100-Tage-Programm], mit dem Tshisekedi im März 2019 kurz
nach seiner Amtseinführung kurzfristige Verbesserungen im Leben der 80
Millionen Kongolesen erreichen wollte.
Kern des Programms mit einem Budget von 497 Millionen US-Dollar waren
Straßen und Sozialwohnungen. Kamerhe war zuständig für die Umsetzung. Aber
von sieben großen Straßenüberführungen an zentralen Verkehrsknotenpunkten
in Kinshasa ist keine einzige fertiggestellt, stattdessen gibt es
Dauerbaustellen und Dauerstau.
Zum Bau von 4.500 Sozialwohnungen, wofür erst 17, dann 57 Millionen
US-Dollar bereitstanden, floss Geld an eine Firma, deren Chef Jamal Sammih
nicht nur Vorsitzender der Gemeinschaft der Libanesen im Kongo ist, sondern
auch ein Freund von Kamerhes Neffe Daniel Massaro. Wohnungen entstanden
nicht, aber die beiden waren plötzlich sehr reich, berichten Medien in
Kinshasa.
Sammih sitzt seit dem 25. Februar in Haft, Massaro wird seit zwei Tagen mit
Haftbefehl gesucht und ist untergetaucht. Der belgische Direktor der
größten kongolesischen Bank, „Rawbank“, über die das Geld verschwand, sa…
im März tagelang hinter Gittern, vor ihm der belgischstämmige Direktor der
Straßenbaufirma Safricas. Festgenommen wurden auch Leiter von
Straßenbaubehörden.
Während Antikorruptionsaktivisten applaudieren, wurden in Kamerhes
Heimatstadt Bukavu, einer Millionenstadt im Osten des Landes, Proteste
gewaltsam niedergeschlagen. Denn all dies geschieht mitten im
[3][Coronavirus-Ausnahmezustand], den Präsident Tshisekedi am 24. März
verfügte.
## U-Haft auf unbestimmte Zeit
Der Ausnahmezustand verbietet alle Demonstrationen und Zusammenkünfte von
mehr als zwanzig Personen, Kinshasa ist vom Rest des Landes abgeriegelt. Es
gibt auch keine Gerichtsverhandlungen – Untersuchungshäftlinge wie Kamerhe
schmoren auf unbestimmte Zeit.
Kamerhe ist einer der erfahrensten Strippenzieher des Kongo. Der
Ostkongolese war einst ein Vertrauter des früheren Staatschefs Joseph
Kabila, mit deren Ehefrau Olive Lembe zusammen er Kabilas erfolgreichen
Wahlkampf bei Kongos ersten freien Wahlen 2006 leitete. Danach
[4][entzweiten sie sich]. 2011 kandidierte Kamerhe selbst, erfolglos. Vor
den nächsten Wahlen 2018 schmiedete er erst eine gemeinsame
Oppositionsfront – und dann [5][sabotierte] er sie, gemeinsam mit
Tshisekedi.
Als Dank ließ Kabila, dessen eigener Wunschkandidat [6][Emmanuel Shadary]
chancenlos war, Tshisekedi die Wahlen gewinnen, statt den nach Meinung
unabhängiger Beobachter eigentlich siegreichen Oppositionskandidaten
[7][Martin Fayulu] anzuerkennen. [8][Tshisekedi wurde Präsident] und machte
Kamerhe zu seinem wichtigsten Mitarbeiter.
Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt)
traut Kamerhe nicht über den Weg und will ihn seit jeher loswerden. All das
freut das Lager von Expräsident Kabila, der weiterhin in der
Präsidentenresidenz wohnt, die Loyalität des Militärs genießt und dessen
Parteigänger in Regierung und im Parlament die Mehrheit stellen, während
Tshisekedi nur über das Präsidialamt und mittlerweile über die Justiz
Macht ausübt.
Damit Tshisekedi in seinem Feldzug gegen Korruption nicht zu weit geht und
sogar wichtige Kabila-Größen angreift, setzt das Kabila-Lager ihm jetzt
einen Schuss vor den Bug. Die Präsidenten der beiden Parlamentskammern
setzten vergangene Woche eine Sondersitzung an, um den
Corona-Ausnahmezustand auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen – sonst
müsse man gegen Tshisekedi ein Amtsenthebungsverfahren wegen
Kompetenzüberschreitung einleiten, hieß es.
Der Vorstoß ist so überflüssig wie illegal, denn Kongos Verfassungsgericht
hat die Rechtmäßigkeit von Tshisekedis Ausnahmeverfügung bestätigt.
Tshisekedis Parteigänger drohen nun, das Parlament aufzulösen, sollte es
trotzdem tagen – denn Zusammenkünfte von mehr als 20 Personen seien
schließlich verboten.
Medien in Kinshasa malen bereits das Szenario einer Staatskrise an die
Wand, in der Präsident und Parlament sich gegenseitig absetzen. Dann
müssten wohl die Waffen entscheiden, wer die Macht hat.
16 Apr 2020
## LINKS
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[7] /Kongos-Oppositionsfuehrer-im-Interview/!5573512/
[8] /Umstrittene-Wahl-im-Kongo/!5566621/
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Felix Tshisekedi
Vital Kamerhe
Joseph Kabila
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