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# taz.de -- Politischer Wandel im Kongo: Helle Farben statt dunkle Gassen
> Angst vor dem Aufstand, Hoffen auf die Revolution, die das Chaos
> hinwegfegt: Auf der Ökofarm des Malers Botembe ist die brodelnde
> Hauptstadt Kinshasa nah und fern zugleich.
Bild: "Wir Kongolesen sind ein Waldvolk": Roger Botembe in seinem Garten.
NSELE taz | Wenn Roger Botembe durch seinen Garten wandelt und Setzlinge
pflanzt, dann wirkt es, als würde er den Pinsel schwingen und den sandigen
Boden mit Farben besprenkeln: Rote Blumen hier, violette Blüten dort. Nach
und nach verwandelt er das Brachland am Kongo-Fluss, 30 Kilometer außerhalb
der Hauptstadt Kinshasa, in ein Kunstwerk.
Kongos berühmtester Maler - ehemaliger Haus- und Hofkünstler von Diktator
Mobutu - hat sich aus der 10-Millionen-Metropole zurückgezogen. Der Lärm,
der Gestank, das Elend der gewaltigen Armenviertel, der aufgestaute Ärger
der Jugend nach fünfzehn Jahren Zerfall - das alles raubt ihm den Atem,
sagt der Intellektuelle: "In Kinshasa gibt es keinen Platz für Kultur und
Kunst. Die Menschen sind zu beschäftigt, einfach zu überleben." Kinshasa
beschreibt er als Stadt der Arbeitslosen, die die dunklen Gassen in der
Nacht mit Fäusten beherrschen.
Ruhig und besonnen sitzt er jetzt in seiner provisorischen Holzhütte: ein
Plastiktisch, zwei kaputte Stühle, eine Matratze auf dem Boden. Hinter
einer farbverschmierten Holzablage stapeln sich Gemälde, die eigentlich in
Galerien gehören. Doch die gibt es in Kinshasa nicht. "Da hängen höchstens
Banken und Hotels Bilder an die Wand. Wer interessiert sich da schon für
Kunst?"
Vor fünf Jahren war Botembe aus seinen Ateliers in einer alten
Industrieanlage hinausgeworfen worden, als ausländische Investoren das
Gelände übernahmen. Seitdem sucht er Ruhe auf seiner Öko-Farm. Er plant
Ateliers, eine Bibliothek, ein Kunstmuseum: "Alles Einrichtungen, die der
Staat nicht bereitstellt", sagt er. Eine Herberge für seine 15 Schüler will
er bauen. "Aber sie können sich nicht einmal die Fahrtkosten leisten",
seufzt Botembe.
## "Die Bevölkerung hat kein Mitspracherecht"
Seit Tagen donnern Militärlastwagen an seinem Grundstück vorbei. Sie
transportieren Soldaten in die Hauptstadt, bereit zur Niederschlagung von
Protesten, falls Präsident Joseph Kabila zum Wahlsieger ausgerufen wird.
Botembe fürchtet den blutigen Aufstand und hofft zugleich auf eine
Revolution. Kongos Gesellschaft stecke in einer Sackgasse: "Die
Superreichen stopfen sich voll und wollen immer noch reicher werden. Die
Masse des Volkes hat nichts", seufzt er. "Nicht einmal Hoffnung. Alle
schreien verzweifelt nach Veränderung."
Ein Aufstand der Jugend, das sei jetzt die Antwort. Botembe glaubt an
keinen der rivalisierenden Politiker. Auch nicht an Oppositionsführer
Etienne Tshisekedi, dem er vorwirft, die Massen zu instrumentalisieren.
"Diese Leute haben doch alle keine Vision", winkt Botembe kopfschüttelnd
ab. Sie denken alle nur an sich selbst. Es bedürfe einer ganz neuen
Generation. Deswegen habe er sich aufs Land zurückgezogen, "um auf genau
diese Generation zu warten. Menschen mit Zukunftsvisionen."
Er zeigt sein jüngstes Gemälde: zwei Masken ohne Münder, die in
verschiedene Richtungen blicken. Sie stehen beide für das Volk, das stumm
ist. "Auf der einen Seite erhält die Bevölkerung kein Mitspracherecht in
unserer korrupten Politik. Auf der anderen Seite machen die Menschen den
Mund nicht mehr auf, weil sie mit dem nackten Überleben beschäftigt sind",
erklärt er.
Das Bild ist in sanften Erdtönen gehalten - ein krasser Kontrast zum
schrillen Rot, in welchem Botembe einst komponierte. Ein Resultat seiner
Entscheidung, aufs Land zu ziehen und Bäume zu pflanzen. Sein Traum: Ein
Wald soll entstehen, 8.000 Hektar groß, der den Hauptstädtern ein Stück
Natur zurückgibt. "Wir Kongolesen sind ein Waldvolk", erklärt Roger
Botembe. "Wir müssen wieder zurück zur Natur finden. Sonst stirbt unsere
Kultur."
8 Dec 2011
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Recherchefonds Ausland
Schwerpunkt Klimawandel
Recherchefonds Ausland
Recherchefonds Ausland
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